Etwa ein Drittel der NSCLC-Patienten in Deutschland befindet sich zum Zeitpunkt der Diagnose in einem operablen Stadium, wie Prof. Michael Thomas, Heidelberg, berichtete. Bei Betroffenen ohne therapeutisch adressierbare Treiberalterationen kann die perioperative Systemtherapie mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor (ICI) bei Tumoren in diesem Stadium nicht nur zu einem mediastinalen Downstaging führen, sondern auch das Überleben verbessern. „Der neoadjuvante Einsatz des Checkpoint-Inhibitors führt zu einer polyklonalen Immunantwort, bei der mehr Antigene erkannt und mehr Mikrometastasen beherrscht werden können“, erklärte Thomas den Vorteil der neoadjuvanten Immuntherapie und ergänzte: „Außerdem verschiebt sich beim NSCLC dadurch das Spektrum der Resektabilität.“
Auch in der RATIONALE-315-Studie untersuchte man ein perioperatives Konzept mit einem ICI mit Blick auf die Verbesserung der Operabilität und auf die Verlängerung des Überlebens: 453 unbehandelte Personen mit einem resektablen NSCLC in den Stadien II bis IIIA ohne EGFR-Mutationen oder ALK-Gentranslokationen erhielten 1:1-randomisiert neoadjuvant entweder Tislelizumab (Tevimbra®) oder Placebo in Kombination mit einer platinbasierten Chemotherapie (Doublette) – und nach der Operation eine adjuvante Monotherapie entweder mit Tislelizumab oder Placebo.
Kombinationstherapie bezüglich pathologischem Ansprechen überlegen
Beim primären Endpunkt der überwiegenden pathologischen Remission („major pathologic response“; MPR) wurde mit einer Rate von 56 versus 15 % (p < 0,0001) eine signifikante Überlegenheit der neoadjuvanten Kombination aus Tislelizumab plus Chemotherapie gegenüber der alleinigen neoadjuvanten Chemotherapie deutlich [1]. Die Rate an Patienten mit pathologischem Komplettansprechen (pCR) von 41 %, einem der sekundären Endpunkte der Studie, bewertete Thomas als „die beste, die wir bisher aus diesen Studien kennen“.
Positiver Effekt auf das Überleben
Auch auf das Überleben wurde ein konsistent positiver Effekt der perioperativen Therapie beobachtet. So zeigte sich in der finalen Analyse der Studie im Tislelizumab-Arm ein signifikanter Vorteil beim ereignisfreien Überleben mit einer Reduktion des Risikos für ein Ereignis (Fortschreiten der Erkrankung oder Tod) um 42 % (Hazard Ratio [HR] 0,58) [2].
Außerdem wurde mit der medianen Nachbeobachtungszeit von 38,5 Monaten ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Vorteil beim Gesamtüberleben (OS) gesehen (HR 0,65; einseitig p = 0,0093) [2]. Der OS-Vorteil war in den untersuchten Subgruppen konsistent und damit unabhängig von der Histologie, dem Krankheitsstadium und der PD-L1-Expression. „Allerdings betrug die HR für das Überleben bei PD-L1-negativen (< 1 %) Patienten nur 0,91 versus 0,61 bei PD-L1-positiven (≥ 1 %) Patienten“, konkretisierte Thomas. Die 4-Jahres-OS-Rate lag im Tislelizumab-Arm insgesamt bei 72,3 versus 62,2 % im Kontrollarm [2].
Zu den Besonderheiten der Untersuchung gehörte in den Augen von Thomas zum einen die gute Studienführung mit einer geringen Drop-out-Rate – 84 % der mit Tislelizumab Behandelten wurden operiert, 74 % erhielten auch die adjuvante Therapie. Zu beachten sei außerdem, dass in der nur in China durchgeführten Studie vorwiegend Plattenepithelkarzinome und zu 91 % Männer eingeschlossen waren.
Stabile Lebensqualität
Die immunvermittelten Nebenwirkungen unter Tislelizumab bewegten sich Thomas zufolge im für ICI bekannten Bereich, und neue Sicherheitssignale wurden nicht beobachtet. Die Lebensqualität blieb unter der Therapie mit perioperativem Tislelizumab stabil. Die patientenberichteten Ergebnisse belegten eine Verbesserung von Husten und Brustschmerzen [3].
Mascha Pömmerl