Multiplexdiagnostik für Autoantikörper: Sind wir soweit?

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.03.11

Mit Multiplex-Immunoassays können Autoimmunerkrankungen schnell und sicher diagnostiziert werden. Hier kommen vor allem Festphasen-Mikroarrays, Blot- oder Bead-basierte Technologien zum Einsatz. In Bezug auf die Anzahl der bestimmten Antigene ist die Allergiediagnostik der Autoimmundiagnostik weit voraus. Die Gründe dafür liegen u. a. in der Häufigkeit der Erkrankung und den Möglichkeiten zur Monetarisierung.

Schlüsselwörter: Fluoreszenzscanner, Durchflusszytometrie, Second-Tier-Diagnostik, CE-Zertifikat, GOÄ, EBM

Mithilfe einer Multiplexdiagnostik können verschiedene Antikörper in einer einzigen Probe in einem einzigen Testansatz nachgewiesen werden. In der In-Vitro-Allergiediagnostik existieren bereits einige hochkomplexe Assays, bei denen eine Probe auf spezifische Antikörper – meist vom Isotyp IgE – gegen hunderte von Allergenen untersucht wird. Die benötigten Probenvolumina sind sehr gering; meist reichen weniger als 100 µl Serum aus [1].

Auch beim Nachweis von Autoantikörpern kommt die Multiplexdiagnostik bereits zum Einsatz – wenn auch noch nicht mit 100 und mehr Antigenen in einem Testansatz. So kann man eine Vielzahl von Autoantikörpern identifizieren und zum Teil auch quantifizieren. Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis, Kollagenosen wie der systemische Lupus erythematodes und das Sjögren-Syndrom, aber auch organbezogene, z. B. neurologische Erkrankungen und hier insbesondere Autoimmun-Enzephalitiden können schnell und sicher diagnostiziert werden [2, 3].

Neue Anwendungsmöglichkeiten

Durch Multiplexdiagnostik wird die Analysezeit verkürzt, das benötigte Probenvolumen reduziert und eine große Anzahl von Autoantikörpern gleichzeitig untersucht. Dies bringt besonders dann erhebliche Vorteile, wenn wenig Blut zur Verfügung steht und/oder die Probengewinnung besonders komplex ist: Beispielsweise will man in der Pädiatrie, wann immer Kindern Blut abgenommen werden muss, mit wenig Blut und ohne wiederholte Blutabnahmen auskommen. Ein neues, noch wenig erschlossenes Feld ist auch die Selbstabnahme von (Kapillar-)Blut zu Hause (Home-based blood sampling). Für die Allergiediagnostik sind bereits viele Angebote im Internet vorhanden, die versprechen, aus Kapillarblut hunderte von Allergenen abzuklären. Leider sind hier auch weniger seriöse Anbieter zugange und es ist schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Tab. 1: Verschiedene Protein-Mikroarrays zum Screening auf Autoantikörper und Biomarker bei systemischen Autoimmunerkrankungen (in Anlehnung an [4] und www.wikipedia.de).

Typ

Grundlage

Anwendungsbeispiele

Antigen-Array

Auf eine Festphase, z. B. Objektträger, werden hunderte bis tausende Spots mit unterschiedliche Antigenen aufgetragen.

Alle Spots werden in einem Ansatz mit einer Probe, z. B. Serum, inkubiert. Spezifische Antikörper in der Probe binden an das entsprechende Antigen. Die Antikörper werden in einem weiteren Inkubationsschritt mit einem i. d. R. fluoreszenzmarkierten Zweitantikörper detektiert.

Nachweis von spezifischen Autoantikörpern, Antikörper gegen Allergene oder Antikörperscreening gegen diverse Erreger.

In Studien zum Screening auf neue Autoantikörper eingesetzt.

In verschiedenen Ausführungen bereits in der klinischen Routinediagnostik etabliert, z. B. Line-Blot oder Beadassay für Auto-AK oder AK gegen Erreger; Mikroarray für Allergiediagnostik.

Array mit spezifischen Epitopen oder Peptiden

Hier werden oft Fusionsproteine mit einzelnen Epitopen eines Proteinantigens verwendet, alternativ auch kurze Peptidsequenzenzen. Peptide können in situ synthetisiert und mithilfe eines Laserdruckers auf die Oberfläche aufgebracht werden. Vorteile sind u. a. geringere Synthesekosten und eine größere Anzahl an Peptiden, die parallel gedruckt werden können.

Nachweis von epitopspezifischen (Auto-)AK. In klinischen Studien werden Peptid-Mikroarrays u. a. zum Monitoring von Immunantworten individueller Patient:innen bei bestimmten Therapien und Impfungen eingesetzt.

Bisher kein Einsatz in der Routinediagnostik.

Antikörper-

Mikroarrays

Hier werden im ersten Schritt Antikörper an die Festphase fixiert. Im zweiten Schritt wir die Probe, z. B. Zelllysate, auf den Array aufgebracht. Dabei bindet das Antigen spezifisch an den jeweiligen immobilisierten Antikörper (Catcher).

An diese gefangenen Antigene kann nun der spezifische (Auto-)Antikörper binden und mit einem markierten Zweitantikörper detektiert werden.

Kann z. B. verwendet werden, wenn keine rekombinanten Antigene zur Verfügung stehen oder bestimmte Konformationen des Antigens eine Rolle spielen.

Einsatz v. a. in der Forschung.

 

Methodik

Multiplexmethoden basieren meist auf der Verwendung von Festphasen-Mikroarrays, Blot- oder Bead-basierten Technologien, bei denen die Autoantigene oder Aller­gene an Mikroarray-Chips, Blotstreifen oder Beads gebunden werden. Die Arrays werden mit Serum, Plasma oder Liquor inkubiert. Der Nachweis der gebundenen Autoantikörper oder allergieassoziierten Antikörper erfolgt meist über Fluoreszenzfarbstoffe und kann dann quantitativ oder zumindest semi-quantitativ durchgeführt werden. Dazu werden jedoch spezielle Ablesegeräte benötigt – für Mikroarray-Chips und Line-Blots sind dies beispielsweise Fluoreszenzscanner. Beads werden durchflusszytometrisch gemessen und ausgewertet. Alternativ gibt es bei den Line-Blots auch klassische Farbreaktionen. Hier findet eine Anwendung qualitativ oft nur mit dem Auge oder (semi-)quantitativ mit einem Scanner statt.

An dieser Stelle sei ein kleiner historischer Rückblick zur Multiplexdiagnostik gestattet: Die Hep-2-Zelle ist seit den 1980er-Jahren praktisch das Standardsubstrat für die Dia­gnostik von antinukleären Autoantikörpern (ANA) mit der indirekten Immunfluoreszenz (IIF). Tatsächlich handelt es sich auch hier um eine Multiplexdiagnostik: Man kann je nach Literatur über 100 bis über 500 verschiedene Autoantigene und damit Autoantikörper erfassen. Unterschiedliche Reaktionsmuster lassen z. T. bereits auf spezifische Antigene schließen. Da jedoch die Überschneidungen zu groß sind, müssen in der Regel ein oder eben mehrere spezifische Tests zur weiteren Abklärung durchgeführt werden. Dies ist aus der Infektionsdiagnostik auch als „Second-Tier-Diagnostik“ bekannt. Die dann verwendete Folgediagnostik, meist Line-Blot, ELISA mit verschiedenen spezifischen Antigenen oder Beads, kann man ebenfalls als Multiplexdiagnostik bezeichnen. Allerdings liegt die Zahl der verwendeten Antigene meist im Bereich von vier bis 15 und ist somit im Vergleich z. B. zu Mikroarray-Chips sehr bescheiden.

 

Klinische Indikationen und Vorteile

Neben den bereits erwähnten 4–15 AK könnte die Erfassung hunderter Autoantikörper weitere Vorteile bringen.

In der Diagnostik der sich klinisch oft sehr unterschiedlich präsentierenden Kollagenosen, Vaskulitiden und anderen systemischen Autoimmunerkrankungen kann die parallele Erfassung einer Vielzahl von Autoantikörpern schneller zur Diagnose führen. Auch bei organbezogenen Autoimmunerkrankungen wie den autoimmun-bedingten Enzephalitiden ist die Assoziation von klinischen Symptomen und den assoziierten Autoantikörpern sehr heterogen. Das heißt, eine gezielte Anforderung eines einzelnen Autoantikörpers hat eine deutlich geringere Trefferquote als die Erfassung von zehn bis 20 typischen Autoantikörpern. In einer Studie zur Autoantikörperdiagnostik der Autoimmun-Enzephalitis wurden bei fast 3.000 Serum-/Liquorproben statt der angeforderten Autoantikörper eine multiparametrische Diagnostik auf vier Gewebeschnitten und neun mit spezifischen Antigenen transfizierten Zellen durchgeführt. In 108 Proben fanden sich anti-neuronale IgG-Antikörper. Interessanterweise stellten 31 % (33/108) aller positiven Analyse­resultate „Nebenbefunde“ dar, d. h. der AK war nicht angefordert worden. Der große Anteil relevanter Nebenbefunde unterstreicht die Bedeutung einer multiplexen Antikörperdiagnostik bzw. der Erstellung von Antikörper-Profilen – zumindest bei der Autoimmun-Enzephalitis [2].

Es gibt verschiedene Berichte darüber, dass die individuelle Konstellation von Autoantikörpern eine unterschiedliche prognostische Bedeutung hat [3]. Daraus könnte sich eine individualisierte Therapie und ein individuelles Therapiemonitoring ergeben. Idealerweise würde so die Diagnosegenauigkeit und damit die individuelle Patientenbetreuung optimiert werden.

 

Multiplex-Allergiediagnostik versus Autoantikörper

Warum sind für die Allergiediagnostik bereits Multiplextests mit Hunderten von Allergenen CE-zertifiziert und für die In-vitro-Diagnostik kommerziell erhältlich, während 15 bis 20 Autoantikörper bei den Routineassays mit CE-Zertifikat für die In-vitro-Diagnostik aktuell die Obergrenze darstellen?

Vor der Durchführung einer Multiplexdiagnostik für Allergie- und Autoantikörper muss eine sorgfältige Validierung der verwendeten Assays und Technologien erfolgen, und das für jedes verwendete Allergen bzw. Autoantigen. Um das zu stemmen, muss eine Firma mit einem entsprechend hohen Umsatz rechnen. Während Allergien ca. 30 % der Bevölkerung betreffen, hat bei den systemischen Autoimmunerkrankungen die rheumatoide Arthritis mit ca. 1 % die höchste Prävalenz. Kollagenosen, Vaskulitiden und Enzephalitiden sind – glücklicherweise – noch viel seltener. Des Weiteren kommen bei Allergien viel mehr verschiedene Allergene als Auslöser in Betracht und für jedes klassische Allergenextrakt kann mithilfe der molekularen Komponentendiagnostik, die zusätzlich oft mehr als fünf weitere Ansätze erfordert, eine oft deutlich bessere Aussage über Gefahr und Therapieoption geboten werden.

Bei der Suche nach Autoantikörpern beginnt die Diagnostik soweit möglich gezielt nach dem Organsystem, das am stärksten betroffen ist, also z. B. bei Arthritis „nur“ der Rheumafaktor und anti-CCP und bei den Enzephalitiden die ca. 20 häufigsten Autoantigene. Multiplex in kleinem Umfang ist daher durchaus etabliert, z. B. ANA/ENA-Blots; ELISA-Systeme mit Antigenmischungen in einem Well oder multiple Organe und transgene Zellen auf einem Objektträger für ein Enzephalitis-Screening mithilfe eines IIF-Tests.

Tatsächlich ist ein wesentliches Argument die Möglichkeit der Abrechnung durch die Kassen, bei den privaten Kassen geregelt durch die GOÄ (Gebührenordung für Ärzte) und bei den gesetzlichen durch den EBM (einheitl. Bewertungsmaßstab). In beiden Systemen gibt es eine Höchstzahl an Analysen und in beiden Systemen (noch) keine Möglichkeit der Abrechnung von Multiplexanalysen für Autoantikörper oder Allergien. Auch ist bei der Auto­antikörper-Diagnostik im Gegensatz zu Allergie kaum mit „Selbstzahler-Anforderungen“ zu rechnen. Die Patient:innen mit Autoimmunerkrankungen sind zu krank, um sich über das Internet mit „Dr. Google“ und Testbestellungen selbst zu diagnostizieren. Sie gehen für eine gezielte Diagnostik und Therapie direkt in die Arztpraxis oder ins Krankenhaus.

 

Ausblick

Obwohl es wie erwähnt auch „alte“ Multiplextests gibt, sind Technologien wie Mikroarray-Chips relativ neu und ihre Implementierung in der Routinediagnostik erfordert spezielle Ausrüstung und geschultes Personal. Um die diversen Befund-Konstellationen optimal zu interpretieren, bietet sich in Zukunft sicher auch die Verwendung von Künstlicher Intelligenz an. Bis dahin sind ausgefeilte Algorithmen und maschinelles Lernen sinnvoll zu integrieren, um die behandelnden Ärzt:innen, aber auch Patient:innen und das Personal in der Technischen Assistenz und der Labormedizin bei der Interpretation der komplexen Ergebnisse zu unterstützen.

Unabhängig vom noch fehlenden Einsatz der Autoantikörper-Multiplexdiagnostik mit hunderten Autoantigenen in der Routinediagnostik hat die Methode in der Forschung eine enorme Bedeutung erlangt. Bei der Suche und Validierung neuer Autoantikörper, neuer Assoziationen von bekannten Autoantikörpern mit anderen Erkrankungen und in der Erforschung der klinischen Relevanz bestimmter Autoantikörperkonstellationen sind Microarray-Chips und Bead-Assays im Einsatz [4]. Und auch wenn am Ende wieder „nur“ ein Assay zum Nachweis eines einzigen Autoantikörpers steht, so zeigt sich hier doch der Wert von Multiplex-Ansätzen in der Immunologie. Nicht nur in der Genetik bringen also Big Data und Omics neue Erkenntnisse.