Multiplex-PCRs in der Infektionsdiagnostik: Schnell, automatisiert und günstig

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.03.10

Die Coronavirus-Pandemie hat zu einer großen Weiterentwicklung von PCR-Systemen geführt. Durch Voll- oder Teilautomatisierung benötigen diejenigen, die die Geräte bedienen, weniger Expertise, und Ergebnisse liegen immer schneller vor. Multiplex-PCRs können nun auch für Kassenpatient:innen abgerechnet werden. Rechtliche Probleme gibt es zum Teil bei der Übermittlung von Befunden, die nicht angefordert, aber erhoben wurden.

Schlüsselwörter: Panel, Automation, POCT, EBM, Abrechnung, Antibiotika-Resistenzen

Die Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) [1] wurde nach der Erstbeschreibung der Methodik in den 1980er-Jahren rasch ein fester Bestandteil der klinischen Erregerdiagnostik. Infektionskrankheiten lassen sich heute mittels Real-time PCR hochsensitiv und hochspezifisch innerhalb weniger Stunden nachweisen. Die SARS-CoV-2-Pandemie führte dazu, dass PCR-Tests mit ihren leistungsbezogenen Vor- und Nachteilen nicht nur für labormedizinisches Fachpersonal, sondern auch in der breiten Bevölkerung ein fester Begriff geworden sind. Auch medizinische Laien wussten nun mit dem Begriff eines „falsch-positiven“ PCR-Ergebnisses etwas anzufangen. Außerdem war klar, dass mittels PCR-Tests ein Virusnachweis zu einem früheren Zeitpunkt der Infektion gelingt (und damit sensitiver ist) als mit auf dem Markt ebenfalls weit verbreiteten Antigentests. Während der Pandemie half der sogenannte Ct-Wert (Cycle threshold = Schwellenwert) die Infektiosität von Patient:innen einzuschätzen und dadurch Quarantänezeiten festzulegen. Ganz im Gegensatz zur serologischen Diagnostik, die abgelaufene Infektionen retrospektiv und frische Infektionen mit einem zeitlichen Versatz von bis zu zehn Tagen nachweisen kann, erlauben PCRs bei Verdacht auf eine bestimmte Infektion die Diagnose noch während des akuten Infektionsgeschehens.

 

Schnell und automatisiert

Die molekularbiologischen Fortschritte der vergangenen 15 bis 20 Jahre führten zu einer immer schnelleren Nachweismethodik bei mindestens gleich bleibender, in Bezug auf Sensitivität und Spezifität aber sogar gesteigerter Qualität der PCR-Befunde. Dafür waren vor allem technische Fortschritte der Reagenz- und Geräteherstellung verantwortlich. Zudem erlauben Teil- und Vollautomatisierungen der PCR-Analysesysteme die parallele Abarbeitung von großen Probenmengen. So kann beispielsweise ein auf dem Markt etablierter Vollautomat mittlerer Größe in einer Achtstundenschicht ohne Probleme 600 Proben abarbeiten. Die Hands-on Time am Gerät beschränkt sich für das technische Personal auf ca. zehn bis 15 Minuten für das Starten eines Laufs (Abarbeitung von 96 Proben). Außerdem ist die benötigte Expertise der technischen Mitarbeiter:innen deutlich geringer im Vergleich zur früher üblichen manuellen Testabarbeitung.

 

Point of Care

Einige sogenannte Point-of-Care-Testing(POCT)-Verfahren können auch von medizinischem Personal ohne fundierte Laborkenntnisse durchgeführt werden. Hier gelingt der Nachweis mittels PCR in unter 30 Minuten; POCT-Tests eignen sich in der Regel allerdings nur für die Abarbeitung von Einzelproben zu vergleichsweise hohen Reagenzkosten.

 

Multiplex-PCR

In den vergangenen zehn Jahren begannen sich die Möglichkeiten der molekularen Erregerdiagnostik um sogenannte Multiplex-PCRs bzw. Panel-PCRs zu erweitern [2–5]. Hier ist durch Einsatz verschiedener erregerspezifischer Primerpaare pro Teströhrchen die gleichzeitige Detektion verschiedener Viren oder Bakterien aus einer Probe möglich, ohne auf die hohe methodische Genauigkeit der PCR zu verzichten. Multiplex-Ansätze stellen zwar immer einen gewissen Kompromiss zwischen dem Umfang der erfassten Erreger und der erzielbaren analytischen Sensitivität dar. Dies ist von der Laborleitung individuell zu bewerten und bei aktuellen Testsystemen, zumindest bei den meisten klinischen Fragestellungen, tolerierbar.

Mittlerweile bieten Hersteller für alle Fragestellungen der klinischen Infektiologie Panels in verschiedenen Zusammensetzungen an. Das Spektrum umfasst respiratorische (Influenza A/B, RSV, SARS-CoV-2 und relevante bakterielle Erreger) oder gastrointestinale Erkrankungen (u. a. Adeno-, Noro-, Rota-, Astroviren) sowie auch sexuell übertragbare Infektionen (z. B. Chlamydien, Neisseria gonorrhoeae, Mycoplasma genitalium, Ureaplasma urealyticum, Herpes genitalis oder Treponema pallidum). Für die Anzahl der verschiedenen nachzuweisenden Erreger (zwei bis über 20) und die Zusammensetzung der Panels (z. B. Herpes genitalis in Kombination mit Treponema pallidum oder Herpes genitalis und Varizella-Zoster-Virus) gibt es mittlerweile für jeden Bedarf (POCT, niedergelassene Praxen, Kliniken etc.) geeignete Angebote. Die Herausforderung für medizinische und mikrobiologische Labore besteht darin, für den eigenen Bedarf die richtigen Gerätschaften und Reagenzien auszuwählen, um eine optimale Patientenversorgung anbieten zu können.

 

Nebenbefunde

Allerdings brachte der Einzug von Panel-PCRs in die labordiagnostische Routine eine besondere Herausforderung mit sich: Es gilt zu entscheiden, wie mit „Nebenbefunden“ umgegangen wird, die durch die Panel-PCRs selbstverständlich entstehen. So greifen Labore beispielsweise bei der Anforderung „Influenza A/B und Sars-CoV-2“ je nach vorhandenem Equipment auf das im Labor etablierte Panel mit der Kombination aus Influenza A/B, Sars-CoV-2 und RSV A/B zurück. Besonders im niedergelassenen Bereich stellt sich in Anbetracht rechtlich geltender Vorgaben in Bezug auf die Gewährung von Wettbewerbsvorteilen die Frage, ob dem Einsender im vorliegenden Beispiel ein positives Ergebnis für RSV A/B vorenthalten werden kann. Mediziner:innen stellt sich diese Frage nicht. Um rechtlichen Vorgaben nachzukommen, haben Hersteller reagiert: Sie ermöglichen es, solche Ergebnisse mit Software-Unterstützung von vornherein dem Laborpersonal nicht zugänglich zu machen; dies erleichtert sicherlich die Abläufe der Routine, andererseits werden auf diese Weise wichtige Befunde übersehen.

 

Abrechnung

Der Nutzen von Panel-PCRs überwiegt dennoch deutlich. Labore sind heute in der Lage, innerhalb weniger Stunden nach Probeneingang PCR-Ergebnisse differenzialdiagnostisch wichtiger Infektionserreger zu berichten, die im klinischen Alltag richtungweisend für die weiterführende Behandlung (z. B. Entscheidung über anti­biotische Therapie) sein können. Im Juli 2022 wurde diesem technischen Fortschritt durch die Kassenärztliche Vereinigung mit Anpassungen Rechnung getragen. Diese ermöglichen es Behandelnden und Laboren gemeinsam, diese neuen technologischen Möglichkeiten im Sinne der Patient:innen einzusetzen (Abschnitt 32.3 EBM). Es wurden neue Leistungen aufgenommen und bestehende Leistungen neu bewertet. So konnten Labore bereits in der vergangenen Herbst-/Wintersaison Multiplex-PCRs für die Diagnostik von Erregern des Respirationstrakts erfolgreich auch im kassenärztlichen Bereich einsetzen.

 

Antibiotika-Resistenzen

Eine schnelle Erregeridentifikation mittels PCR kann bei Nachweis eines viralen Erregers dazu dienen, unnötigen Antibio­tika-Verordnungen entgegenzuwirken; andererseits werden kulturelle mikrobiologische Verfahren durch die molekulare Diagnostik nicht ersetzt. Für die Resis­tenzüberprüfung bleibt nach aktuellem Stand eine bakterielle Anzucht weiterhin unerlässlich. Bisher ist nicht abzusehen, inwiefern bzw. zu welchem Zeitpunkt alternative Technologien konventionelle Antibiogramme ersetzen können. Der genetische Nachweis von Resistenz-Genen ist – neben zahlreichen weiteren wissenschaftlichen Ansätzen – technisch einfach möglich, liefert bislang jedoch in den meis­ten Fällen keine ausreichenden Angaben für die klinische Situation. Die kommenden Jahre lassen auch in dieser Hinsicht technische Fortschritte erwarten [6]. Für die molekulare Diagnostik ist zudem eine weitere Beschleunigung der Zeit von der Probenentnahme bis zum PCR-Befund zu erwarten – dies zu immer günstigeren Preisen.