Unter dem Begriff „K.-o.-Mittel“ bzw. K.-o.-Tropfen werden Substanzen zusammengefasst, die einer Person (meist) unbemerkt verabreicht werden, um sie in ihrer Handlungs- und Widerstandsfähigkeit zu beeinträchtigen. Häufig sind damit auch eine Bewusstlosigkeit und eine Erinnerungslücke verbunden. Im englischsprachigen Raum werden die Begriffe „substanzassoziierte sexuelle Übergriffe“ („drug facilitated sexual assault“; DFSA) oder „substanzassoziierte Straftaten“ („drug facilitated crimes“; DFC) verwendet. Hierin spiegeln sich bereits die Ziele der Täter wider: K.-o.-Mittel werden häufig im Rahmen (geplanter) sexueller Übergriffe oder von Raubdelikten eingesetzt.
Welche Substanzen kommen infrage?
Folgt man den Angaben in den Medien, so werden hauptsächlich Gamma-Hydroxybuttersäure („Liquid Ecstasy“; GHB) und ihre (nicht unter das Betäubungsmittelgesetz gestellten) Vorstufen Gamma-Butyrolacton (GBL) und 1,4-Butandiol eingesetzt. Doch kommt auch eine große Anzahl weiterer Substanzen in Betracht: Grundsätzlich sind alle Substanzen geeignet, die eine zentral dämpfende Wirkung haben. So hat die amerikanische Forensisch-Toxikologische Gesellschaft (SOFT) in ihrer Empfehlung zur Analytik 2022 eine Anzahl von über 100 Substanzen inklusive ihrer Metabolite aufgeführt [1]. Da häufig zusätzlich Alkohol konsumiert wird, ist eine gegenseitige Wirkungsverstärkung typisch. Auch Alkohol alleine ist in ausreichender Dosis ein sehr wirksames K.-o.-Mittel.
Wie wirken K.-o.-Mittel?
Üblicherweise werden K.-o.-Mittel oral verabreicht; eine inhalative Aufnahme z. B. über manipulierte Zigaretten oder eine parenterale Verabreichung über eine Injektion wird ebenfalls in seltenen Fällen berichtet. Das sogenannte „Needle-spiking“, das seit geraumer Zeit durch die Medien geistert [2] und bei dem den Opfern während des Tanzens/Diskobesuchs unbemerkt Substanzen verabreicht werden sollen, ist aus toxikologischer Sicht eher nicht plausibel. Die Verabreichung einer ausreichend hohen Dosis (z. B. 2–3 ml GHB) wäre nur schwerlich unbemerkt möglich.
Der Wirkungseintritt erfolgt nach oraler Verabreichung nach etwa 15 bis 30 Minuten und hält je nach Substanz und Dosierung über mehrere Stunden an. Die zentral dämpfende Wirkung zeigt sich initial meist durch das Gefühl des „Betrunkenseins“, durch Enthemmung, Schwindelgefühle, eine verwaschene Sprache und durch motorische Unsicherheit. Viele Opfer beschreiben auch ein Gefühl von „in Watte gepackt sein“. Es treten dann weitere Wirkungen wie Muskelschlappheit, Anxiolyse, Übelkeit und Erbrechen sowie Somnolenz auf. Bei ausreichend hoher Dosis kommt es zum Tiefschlaf bis zur Bewusstlosigkeit oder zum Koma. Letzteres ist jedoch nicht zwingend zu erwarten: Es wird von Fällen berichtet, bei denen die Personen trotzdem noch in der Lage waren, mit dem Täter/der Täterin einen Ortswechsel vorzunehmen, zu telefonieren oder sich „normal“ zu unterhalten.
Bei erhaltener Handlungsfähigkeit, aber verminderter Wehrfähigkeit, können auch sexuelle Handlungen geduldet werden. Je nach Substanz kann es zu einer vollständigen anterogeraden Amnesie (einem „Blackout“) kommen, vor allem nach der Aufnahme von Benzodiazepinen (für die dieses Phänomen auch im klinischen Kontext bekannt ist) sowie bei hohen Blutalkoholkonzentrationen (> 2,4 Promille). Aber auch niedrigere Alkoholkonzentrationen können bereits zu Erinnerungslücken führen („Filmriss“)[3].
Epidemiologie
Belastbare epidemiologische Daten zur Häufigkeit substanzassoziierter Sexualdelikte existieren aufgrund der vermuteten hohen Dunkelziffer nicht. Häufig werden die Delikte nicht zur Anzeige gebracht, oder ein analytischer Nachweis einer Substanz gelingt aufgrund ungeeigneter Analysetechnik oder – häufiger – einer zu späten Sicherung von Probenmaterial nicht. In der Literatur findet sich eine Reihe an Studien, die die Prävalenz der verschiedenen nachgewiesenen Substanzen bei K.-o.-Verdachtsfällen in unterschiedlichen Ländern berichten. Bei der am häufigsten nachgewiesenen Substanz handelt es sich um Alkohol. Hier liegt die Prävalenz zwischen 22 % (Italien [4]), 26 % (Deutschland [5]), 45 % (Dänemark [6]) und 56 % (Vereinigtes Königreich [7]). An zweiter Stelle folgen die illegalen Drogen (THC, Kokain, Amphetamin-Derivate) [8]. Von Relevanz sind ebenfalls diverse Medikamente. Vor allem können Benzodiazepine regelmäßig nachgewiesen werden. In einzelnen Studien lag ihre Prävalenz sogar bei über 20 % (USA [9], Neuseeland [10]). Zusätzlich besitzen Opioide und Psychopharmaka (Antidepressiva, Antipsychotika, Hypnotika) eine relativ hohe Prävalenz [5, 6]. Oft ist dies nicht mit einer unbemerkten, sondern mit einer ärztlich verordneten Einnahme zu assoziieren. Allerdings kann hier ein synergistischer Effekt in Kombination mit Alkohol zu unerwartet starker Sedierung führen. GHB wird typischerweise nur relativ selten nachgewiesen. So liegt die Prävalenz zwischen 0,4 % in Italien [4] und 5,9 % in den USA [9]. Die relativ geringe Anzahl an positiven GHB-Proben kann allerdings auch mit der relativ kurzen Nachweisbarkeit, einer verzögerten Probenasservierung (häufig erst nach 12 bis 24 Stunden [6]) und dem endogenen Vorkommen der Substanz im Körper zusammenhängen. Somit kann eine hohe Dunkelziffer nicht ausgeschlossen werden.
Sowohl in der Kölner als auch in der Hamburger Rechtsmedizin hat sich die Anzahl der Analyseaufträge auf K.-o.-Mittel im Zeitraum von 2017 bis 2022 fast verdoppelt (Abb. 1).