Pflanzen sind nach Medikamenten und chemischen Produkten der dritthäufigste Anlass für Anrufe bei den deutschen Giftinformationszentren [1, 2]. Eine Reihe pflanzlicher Inhaltsstoffe stellt hierbei eine große, oft unbekannte und unterschätzte Gefahr für uns Menschen und insbesondere für Kinder dar, weil diese Inhaltsstoffe hochgiftig sind oder als Rauschdrogen missbraucht werden [3–5].
Ziel dieses Artikels ist es, einen Überblick über relevante pflanzliche Inhaltsstoffe in der klinisch-chemischen Praxis zu geben und die dafür zur Verfügung stehenden analytischen Messverfahren vorzustellen.
Im Folgenden sind die übergeordneten klinischen Fragestellungen zusammengefasst:
- Wenn bei medizinischen Notfällen der Verdacht auf eine Intoxikation unter anderem mit Pflanzengiften besteht, kann die strukturelle Aufklärung ein notwendiger Indikator sein, um wichtige therapeutische Maßnahmen, zum Beispiel die Gabe eines Antidots, einzuleiten.
- Einige pflanzliche Wirkstoffe sind wichtige Arzneistoffe, beispielsweise die Herzglykoside Digoxin und Digitoxin oder Colchicin zur Vorbeugung und Behandlung akuter Gichtanfälle. Für die Überprüfung der Wirksamkeit der Therapie und vor allem zur Vermeidung toxischer Nebenwirkungen werden die Arzneistoffspiegel im Rahmen des Therapeutic Drug Monitoring (TDM) regelmäßig überprüft.
- Die Kontrolle im Rahmen von Drogentherapien bzw. zur Einhaltung eines Rauchverbots (Cotinin) ist zur erfolgreichen Behandlung von Suchterkrankungen unerlässlich [6].
- Starke gastrointestinale Beschwerden (Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen über mehrere Tage) können durch den Verzehr von bitter schmeckenden Kürbisgewächsen (z. B. Zucchini, Kürbis) verursacht werden. Der analytische Nachweis der Cucurbitacine (toxische Bitterstoffe, die sich spontan auch in Zuchtpflanzen anreichern) stellt ein wichtiges Element bei der Diagnose und Therapie der unspezifischen Symptomatik, besonders bei älteren Patienten, dar [7].
Analytische Messverfahren
Für die Analyse selbst stehen verschiedene immunochemische und flüssigchromatographische Messverfahren in Deutschland zur Verfügung.
Enzymimmunoassays (EA) als immunochemische Verfahren sind gut geeignet für das Drogenscreening und für Abstinenzkontrollen im Urin. Für pflanzliche Wirkstoffe existiert beispielsweise ein Assay zum Nachweis von Cotinin, einem Metabolit von Nicotin. Auch für die Spiegelkontrollen im Blut, z. B. für Digitoxin und Digoxin, finden EA Verwendung. Wenn der Verdacht einer Intoxikation mit Pflanzenteilen von Herzglykosiden besteht, sind EA jedoch in den meisten Fällen wegen der bestehenden Kreuzreaktivität ungeeignet und werden in der Regel durch chromatographische Messverfahren ersetzt.
Die am häufigsten zur analytischen Bestimmung von pflanzlichen Wirkstoffen eingesetzten Messverfahren sind flüssigchromatographische Methoden („high-performance liquid chromatography“; HPLC), die meistens mit einem Massenspektrometer (MS) zur Identifikation und Quantifizierung gekoppelt sind. Wenn die jeweiligen Messbereiche justiert werden, sind die chromatographischen Verfahren sowohl für die Abstinenzkontrolle, das Drogenscreening und die Spiegelkontrolle als auch für die Intoxikation skalierbar. Auf der Basis dieser verschiedenen Untersuchungszwecke sind in der Regel unterschiedliche Konzentrationsbereiche in den humanen Proben zu erwarten.
In Tab. 1 sind die entsprechenden pflanzlichen Wirkstoffe, die jeweiligen Untersuchungszwecke, die aktuell in Deutschland verfügbaren analytischen Verfahren sowie die zugehörigen Pflanzen orientierend zusammengefasst.