Verbesserte Steroidanalytik

Tandem-Massenspektrometrie

Beginnend mit dem Neugeborenen-Screening in den 1990er-Jahren hat sich die HPLC-MS/MS zu einem hochwertigen Standardverfahren der Klinischen Chemie entwickelt. Am Beispiel der Steroidhormone werden die Vorteile im Vergleich zu Immunoassays dargestellt. Als Hochdurchsatzverfahren ist die Tandem-Massenspektrometrie allerdings wegen relativ langer Laufzeiten nicht geeignet.
Schlüsselwörter: Tandem-Massenspektrometrie, HPLC-MS/MS, Steroidbestimmung

Wir blicken auf eine rasante Entwicklung der Tandem-Massenspektrometrie (sog. MS/MS) zurück – einer Technik, die vor rund 20 Jahren Einzug in die ersten klinisch-chemischen Routinelaboratorien hielt und zunächst vor allem im Rahmen des neonatalen Screenings eingesetzt wurde. In weniger als einer Minute ließen sich damit über 70 chemische Verbindungen im Rahmen der U2-Untersuchung quantifizieren[1], was eine Sensation darstellte. So konnten frühzeitig Stoffwechseldefekte bei Neugeborenen verifiziert und vorbeugend behandelt werden[2, 3].  

Allerdings lagen (und liegen) die Inves­titionskosten im sechsstelligen Bereich, und auch für die Bedienung der Geräte wird qualifiziertes, sprich teures Personal benötigt. Doch schnell fanden sich weitere Anwendungsgebiete, um die hohen Kosten zu amortisieren. Zum Paradebeispiel wurde die Quantifizierung der Immun­suppressiva: Bis dato konnte diese Medikamentenklasse auf den diversen Immunanalyzern nur mit großer Varianz und teilweise eingeschränkter Spezifität gemessen werden, sodass eine gezielte Medikamenteneinstellung schwierig war. Durch die Tandem-Massenspektrometrie waren fortan sehr präzise quantitative Messungen auch in niedrigen Konzentrationsbereichen möglich. So wurde die Technik zum Goldstandard der Bestimmung von Immunsuppressiva und trug wesentlich dazu bei, dass vor allem deren nephrotoxische Nebenwirkungen stark zurückgingen. Applikationen in weiteren Bereichen folgten mit durchschlagendem Erfolg.

 

Steroidanalytik

In der Klinischen Chemie ist die Analyse von Steroiden mittels Immunchemie bis zum heutigen Tage der Standard – wohl wissend, dass Kreuzreaktionen chemisch ähnlicher Verbindungen zu falsch hohen Ergebnissen führen können. Da diese Verfahren als alternativlos angesehen wurden und die Ringversuchs­ergebnisse stets das eigene Kollektiv bestätigten, hinterfragte man die Messwerte allerdings solange nicht weiter, bis die Immuno­assays für Progesteron im Rahmen der Qualitätskontrolle mit einer Kombination aus Hochdruck­flüssigchromatografie und Tandem-Massenspektrometrie (HPLC-MS/MS) überprüft wurden. Wie erwartet fand man prinzipiell niedrigere Konzentrationen, da bei dem neuen Verfahren Kreuzreaktio­nen absolut ausgeschlossen waren.

 

Brisante Beobachtung

Dieses zunächst scheinbar unspektakuläre Ergebnis gewann an Brisanz, als wir in unserem eigenen Labor bei einigen Patientinnen unter einer speziellen Hormontherapie um bis zu Faktor 45 falsch hohe Progesteronwerte erhielten. Da derart dramatische Fehlmessungen unter Umständen eine notwendige Substitution bei einer Problemschwangerschaft nach sich ziehen könnten, bestand die Gefahr einer frühen Fehlgeburt. Und da es sich um ein In-vitro-Diagnostikum handelt, von dem im Extremfall Menschenleben abhängen, sahen wir uns verpflichtet, diese Beobachtung dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zu melden.

 

Präzise Ergebnisse

Für die wichtigsten Steroide gibt es mittlerweile isotopenmarkierte interne Standards; folglich bieten sich Quantifizierungen von Hormonen mittels Tandem-Massenspektrometrie an[4]. Damit sind alle kritischen, wiederfindungsrelevanten Schritte einer Probenvorbereitung (Pipettierfehler, Extraktion, Chromatografie, gegebenenfalls Derivatisierung, Probenaufgabe etc.) kompensiert. Mit dieser Isotopenverdünnungsanalytik ist folglich ein Optimum an quantitativer Genauigkeit gewährleistet, und selbst schwer kontrollierbare prä- und postchromatografische Matrixeffekte werden kompensiert.

Derartige Chromatogramme sehen zunächst sehr unübersichtlich oder gar schlecht getrennt aus (Abb. 1a), da es sich um eine Gesamtdarstellung aller analysierten Verbindungen handelt; jeder Massenübergang eines spezifischen Zerfalls bei der Detektion wird hier als unterschiedlich gefärbte Ionenspur gezeigt.

Extrahiert man nun aber einzelne Ionenspuren (Abb. 1b–d), so erkennt man problemlos separate Peaks. Sollten einige Peaks hierbei eine Verbreiterung erfahren (Abb. 1c), so ist dies dem Umstand geschuldet, dass sie eine ganze Analytklasse in einem gemeinsamen chromatografischen System vereinigen, was in der Regel keinen Einfluss auf die Ergebnisqualität hat.

Vor- und Nachteile

Der Verzicht auf Antikörper bedingt nicht nur eine hohe Spezifität und gute Standardisierbarkeit, sondern senkt auch die Reagenzkosten pro Analyse erheblich. Ein Manko dieser hervorragenden Methodik ist allerdings die vergleichsweise lange Chromatografiedauer von bis zu 18 Min. pro Messwert. Die HPLC-MS/MS stellt somit kein Hochdurchsatzverfahren dar, wie wir es von modernen Immunana­lyzern gewohnt sind. Zudem gibt es klare Vorgaben seitens der Krankenkassen, welcher Parameter mit welchem Gerät bzw. Verfahren abzurechnen ist.

Geht man von einem durchschnittlichen Anschaffungspreis für ein komplett konfiguriertes MS/MS von derzeit 300.000 bis 400.000 € aus, so kostet eine achtzehnminütige Chromatografie geräteseitig zwischen 2,5 und 4 € (Annahme: fünfjährige Abschreibungszeit, fünftägige Arbeitswoche).

Die Betriebskosten können bei dieser groben Betrachtung unterschlagen werden, da sie im Vergleich zum Anschaffungswert vernachlässigbar sind, und die Reagenzkosten für selbst hergestellte Assays liegen ebenfalls nur im zweistelligen Centbereich. Die Personalkosten hängen individuell vom jeweiligen Assay ab, wobei sich auch dieser Kostenfaktor durch Automatisierung deutlich reduzieren lässt.

 

Ausblick

Somit ist der höchste Kostenanteil derzeit durch die lange Retentionszeit bedingt. Diese kann bereits heute mithilfe von Analytauswahl und Modifikation der chromatografischen Bedingungen stark reduziert werden. Durch den geschickten Einsatz von online-Festphasen-Extrak­tionen, Säulenschaltungen und gegebenenfalls mehrdimensionaler Chromatografie könnten die Kosten künftig auf ein Zehntel reduziert werden, und unter der Annahme der simultanen Bestimmung mehrerer Steroide werden die Ausgaben noch weiter sinken. Dementsprechend wird mittels HPLC-MS/MS eine erhebliche Qualitätssteigerung bei gleichzeitiger Kostensenkung im Vergleich zu den Preis-pro-Befund-Kosten der Immunoassays möglich.

Aus dieser fortschreitenden Entwicklung heraus können wir mit einer Erfolg versprechenden Entwicklung der Tandem-Massenspektrometrie in Richtung Routinegängigkeit und Vollautomation bis hin zur Integration der skizzierten Teilsysteme in vollautomatische Analysenstraßen rechnen.