Die Antikörpersuche und die Antikörperdifferenzierung sind neben der Blutgruppenbestimmung und der Verträglichkeitstestung (Kreuzprobe) integraler Bestandteil der immunhämatologischen Diagnostik vor jeder Transfusion von Erythrozytenkonzentraten. Werden Antikörper gegen Blutgruppenmerkmale nachgewiesen, müssen die Spezifitäten dieser Antikörper ermittelt werden [1]. Nur so können verträgliche Blutpräparate identifiziert und hämolytische Transfusionsreaktionen vermieden werden. Hämolytische Transfusionsreaktionen gehören nach wie vor zu den häufigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen von Transfusionen [2]. Sie führen abhängig vom Antikörper und der Konstitution der Betroffenen zu verzögerten oder akuten Verläufen mit milder bis schwerer klinischer Symptomatik.
Limitationen der konventionellen Antikörpernachweisverfahren
Konventionelle Methoden in der Immunhämatologie verwenden Erythrozyten oder Erythrozytenmembranen zum Nachweis oder zur Identifikation von Antikörpern. Allerdings erschwert die Antigenvielfalt auf den Erythrozyten die Charakterisierung der Antikörperspezifitäten. Die positive Reaktion eines Serums mit einer einzelnen Testzelle erlaubt keine Bestimmung der Spezifität des Antikörpers. Bei der Auswertung des Antikörperdifferenzierungspanels ist die positive Reaktion eines Serums mit einer Testzelle nur dann informativ, wenn mindestens eine andere Testzelle, die das jeweilige Antigen nicht besitzt, nicht mit diesem Serum reagiert. Damit beruht die Antikörperbestimmung in den konventionellen Testverfahren weniger auf der positiven Reaktion mit den Testzellen als auf der fehlenden Reaktion mit denjenigen Zellen, die das korrespondierende Antigen nicht besitzen.
Die Anzahl der verwendeten Testzellen und Antigenmuster in den Standardpanels eignet sich üblicherweise für die zuverlässige Identifikation einzelner, häufig vorkommender Antikörperspezifitäten. Allerdings kommt diese indirekte Methode des Antikörpernachweises dann an seine Grenze, wenn nicht genügend negative Reaktionen mit Testzellen für eine Aufschlüsselung der Spezifitäten vorliegen. Das ist der Fall, wenn mehrere Antikörper gleichzeitig, Autoantikörper oder Antikörper gegen hochfrequente Antigene vorliegen. Mit den gängigen Antikörpernachweisverfahren lässt es sich nicht vermeiden, dass im Falle des Vorliegens poly- oder panreaktiver Antikörper „darunterliegende“ klinisch relevante Antikörper übersehen werden. Eine besondere Herausforderung liegt dabei auch darin, transfusionsmedizinisch relevante polyreaktive Alloantikörper von breitreaktiven Autoantikörpern, die meistens keine Auswahl von Erythrozytenkonzentraten mit speziellen Merkmalen erfordern, abzugrenzen.
Diagnostisches Potenzial der rekombinanten Antigene
Die biotechnologische Herstellung einzelner, sogenannter rekombinanter Proteine hat den Nachweis und die Identifikation von Antikörpern gegen Blutgruppenmerkmale auf der Basis definierter Antigene möglich gemacht [3]. Gegenüber konventionellen Erythrozyten-basierten Antikörpernachweissystemen haben Verfahren mit rekombinanten Antigenen (rBGAs) einen entscheidenden Vorteil: Der komplexe Vergleich von Reaktionen zwischen Testzellpanel und Patientenserum mit dem Antigenprofil der verwendeten Test-Erythrozyten entfällt; das heißt, die Reaktion eines Antikörpers mit dem korrespondierenden rBGA zeigt direkt die Spezifität des Antikörpers an. Mit dem direkten Nachweis der Antikörperspezifität entfallen weitere zeitraubende Untersuchungen. Dies betrifft vor allem komplexe Antikörperfälle mit mehreren, gleichzeitig vorliegenden Antikörpern oder panreaktiven Antikörpern gegen hochfrequente Antigene [4]. Blutproben mit seltenen Merkmalen, die sonst nur Referenzlaboren vorbehalten sind, werden nicht mehr benötigt.
Anwendung der rekombinanten Blutgruppenantigene
Die rBGAs liegen in löslicher Form vor und tragen die wichtigsten polymorphen und hochfrequenten Antigene der jeweiligen Blutgruppensysteme (Tab. 1).