zlog-NT-proBNP bei angeborenen Herzfehlern: Verbesserte Vorhersage schwerer Verläufe

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.01.12

Die prognostische Bedeutung von NT-proBNP bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern konnte wegen der vor allem im ersten Lebensjahr ausgeprägten Altersdynamik bislang nur unzureichend untersucht werden. Abhilfe schafft die altersangepasste Standardisierung der Absolutwerte mithilfe des kürzlich eingeführten NT-proBNP-spezifischen zlog-Wertes, der analog zu einem Z-Score interpretiert wird. Wir zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit schwerer kardialer Ereignisse bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern stark zunimmt, je höher dieser Wert liegt.

Schlüsselwörter: angeborene Herzfehler, MACE, NT-proBNP, zlog-Wert

Angeborene Herzfehler führen je nach der zugrunde liegenden Pathophysiologie hämodynamisch zu unterschiedlich stark ausgeprägten Veränderungen der intrakardialen Druck- und Volumenverhältnisse. Die daraus resultierende Dehnung der Herzkammerwand stimuliert die Sekre­tion von hormonell aktivem natriuretischen Peptid Typ B (BNP) und dessen inaktivem, aber stabileren Metaboliten NT-proBNP (N-terminales pro-B-Typ-natriuretisches Peptid).

Bei den häufig anzutreffenden erworbenen Herzerkrankungen im Erwachsenenalter lässt sich die prognostische Validität beider Biomarker sehr gut belegen, während bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern die Datenlage äußerst dünn ist.

Die Hauptgründe für dieses Defizit sind geringe Fallzahlen, bedingt durch die niedrige Prävalenz angeborener Herzfehler (in Deutschland ca. 0,8 %) und ethische Restriktionen bei Blutentnahmen im Kindesalter, sowie eine stark ausgeprägte Altersabhängigkeit von NT-proBNP vor allem in der Neugeborenen- und Säuglingsperiode: Unmittelbar nach der Geburt erreichen die Referenzwerte ihr Maximum und fallen, ähnlich wie bei Troponin T, während der ersten Lebenswochen und -monate rasch ab (Abb. 1).

Bis zum Alter von 18 Jahren nähern sich die Werte denen Erwachsener an.

Standardisiertes Referenzintervall

Die klinische Interpretation von NT-proBNP-Konzentrationen im Kindesalter war wegen dieser ausgeprägten Altersdynamik bis vor kurzem deutlich erschwert, weil der Absolutwert immer im Hinblick auf das jeweils gültige Referenzintervall teilweise tagesgenau interpretiert werden musste.

Die kürzlich eingeführte Normalisierung von NT-proBNP mithilfe von zlog-Werten [3] löst dieses Problem, indem die NT-proBNP-Konzentration in Relation zum altersspezifischen Referenzintervall gesetzt wird. Der sog. zlog-NT-proBNP-Wert gibt an, um wie viele Standardabweichungen die gemessene NT-proBNP-Konzentration auf einer logarithmischen Skala vom Mittelwert gleichaltriger gesunder Kinder abweicht. Im Gegensatz zu absoluten Konzentrationsangaben liegt sein Referenzintervall altersunabhängig zwischen -1,96 und +1,96 (zentrale 95 % der Gesunden).

Eine Subgruppenbildung nach Alter, welche die extrem unterschiedlichen Referenzintervalle in der frühesten Lebensphase berücksichtigt, ist dadurch nicht mehr nötig. Diese Standardisierung ermöglicht es gleichzeitig, Werte von Säuglingen mit denen von Jugendlichen zu vergleichen und altersübergreifende Grenzwerte zur Risikostratifizierung anzugeben.

Studiendesign

Um die prognostische Bedeutung von zlog-NT-proBNP bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern zu evaluieren, führten wir am Deutschen Herzzentrum München eine Datenbankabfrage durch. Eingeschlossen wurden Kinder unter 18 Jahren mit angeborenen Herzfehlern, bei denen zwischen 2011 und 2017 u. a. NT-proBNP bestimmt worden war. Die früheste Messung innerhalb dieses Zeitraums definierte den Beobachtungsbeginn. Weitere Ein- und Ausschlusskriterien sind der englischen Originalpublikation zu entnehmen [2].

Die Patientenakten wurde hinsichtlich des Auftretens von major adverse cardiovascular events (MACE) durchsucht, welche wie folgt definiert wurden: Tod (jeglicher Ursache), Reanimation, Notwendigkeit einer mechanischen Kreislaufunterstützung (ECMO = extracorporal membrane oxygenation, VAD = ventricular assist device) und stationäre Aufnahme wegen kardialer Dekompensation.

Jedes MACE seit Beobachtungsbeginn wurde separat erfasst, wobei das am frühesten eingetretene Ereignis das Ende des Beobachtungszeitraums definierte. Wenn sich seit Beobachtungsbeginn kein MACE ereignet hatte, endete das Follow-up mit der letzten elektiven Vorstellung in der Klinik.

Analytik

Alle Biomarker wurden mit kommerziellen Assays auf cobas-Geräten von Roche Diagnostics gemessen. Aus den absoluten NT-proBNP-Konzentrationen berechneten wir den altersadaptierten zlog-NT-proBNP-Wert [2] nach der Formel:

(log x + 0,512 * log t – 3,417) / (1,489 + 0,014 * log t) * 3,92

Dabei ist x die NT-proBNP-Konzentration in ng/l und t das Alter zum Zeitpunkt der Messung in Tagen.

Aus der Erwachsenenmedizin ist bekannt, dass weitere Biomarker bei angeborenen und erworbenen Herzerkrankungen mit Mortalität und Morbidität korrelieren. Neben NT-proBNP wurden deshalb in unserem pädiatrischen Kollektiv zusätzlich Hämoglobin, Hämatokrit, Natrium, Kalium, Kreatinin, GPT und CRP zu Beobachtungsbeginn abgefragt und zum Vergleich herangezogen.

Ergebnisse

Von den 910 in die Studie eingeschlossenen Fällen waren 27 % Neugeborene, 32 % Säuglinge, 18 % Kinder und 23 % Jugendliche. Die Geschlechterverteilung war mit 56 % Jungen und 44 % Mädchen in etwa ausgewogen.

Die Patient:innen wurden nach aufsteigenden zlog-Werten in vier Gruppen eingeteilt (Tab. 1): In den Niedrigrisikogruppen G1 und G2 lag NT-proBNP im unteren bzw. oberen Referenzbereich (< 1,0 bzw. 1,0 bis 1,96), während die Gruppen G3 (1,96 bis 3,0) und G4 (> 3,0) leicht bzw. stark erhöhte Werte aufwiesen.

Tab. 1: Gruppeneinteilung G1 bis G4 nach aufsteigenden zlog-Werten. Von links nach rechts nimmt der Anteil der Neugeborenen und Säuglinge (0 bis 12 Monate) wie auch die Häufigkeit von schwerwiegenden kardialen Ereignissen (MACE) in der Anamnese sowie während der Studie deutlich zu.

 

G1 (n = 180)

G2 (n = 186)

G3 (n = 230)

G4 (n = 314)

zlog NT-proBNP

< 1,0

≥ 1,0 und < 1,96

≥ 1,96 und < 3,0

≥ 3,0

Neugeborene und Säuglinge

16,7 %

40,3 %

73,0 %

82,8 %

MACE-Anamnese zu Studienbeginn

1,1 %

1,1 %

9,1 %

11,5 %

1-Jahres-MACE-Inzidenz

0 %

8,3 %

19,5 %

35, 1 %

Der Anteil der Neugeborenen und Säuglinge nahm von G1 nach G4 deutlich zu.

Hoher prognostischer Wert

Kinder mit MACE (n = 138) wiesen signifikant höhere zlog-NT-proBNP-Werte auf (Median 3,6; IQR 2,7–4,1) als solche ohne Ereignisse (Median 2,2; IQR 1,1–3,2). Abb. 2 zeigt die Kaplan-Meier-Kurven für das MACE-freie Überleben der vier Gruppen aus Tab. 1.

Vergleicht man die grüne Kurve (G1) mit der roten (G4), so wird auf einen Blick klar, welch hohe prognostische Bedeutung dem zlog-NT-proBNP-Wert zukommt: Liegt er im altersabhängigen Referenzintervall (< 1,96), so ist in aller Regel ein Überleben ohne schwere kardiale Ereignisse zu erwarten (NPV 96,7 %). Bei dagegen stark erhöhten zlog-NT-proBNP-Werten (> 3,0) betrug in unserem Kollektiv die Wahrscheinlichkeit, im nächsten Jahr ein MACE zu erleiden (1-Jahres-MACE-Inzidenz) 35,1 % bzw. zu versterben 17,3 % (1-Jahres-Überlebensrate 82,7 %) [2]. Für leicht erhöhte Werte (1,96 bis 3,0) ergibt sich ein intermediäres Risiko.

Da sich 84 % der beobachteten kardialen Ereignisse (und 85 % der Todesfälle) innerhalb des ersten Lebensjahres ereigneten, wurden Neugeborene und Säuglinge (≤ 1 Jahr) nochmals gesondert betrachtet. Auch für diese Subgruppe konnte gezeigt werden, dass stark erhöhte zlog-Werte ein signifikant kürzeres MACE-freies Überleben aufwiesen im Vergleich zu niedrigeren Werten: So war die Rate an Ereignissen bei Säuglingen mit Werten > 3,0 (61 von 266) nach einem Jahr mehr als doppelt so hoch wie bei denen mit Werten < 3,0 (27 von 267).

Zu beachten ist bei diesen „Überlebenszeitanalysen“, dass das zu prüfende MACE zum überwiegenden Teil ohne Todesfolge war, sondern Reanimationen, ECMO-/VAD-Implantationen und Hospitalisierungen wegen kardialer Dekompensa­tion betraf.

Die drei in Tab. 1 aufgeführten Variablen (zlog-NT-proBNP, MACE-Anamnese und Alter zu Beobachtungsbeginn) erwiesen sich in der multivariaten Cox-Regressions­analyse als wichtigste Risikofaktoren, wobei der zlog-Wert von NT-proBNP den anderen Biomarkern weit überlegen war [2].

Diskussion und Ausblick

In dieser bislang mit Abstand größten pädiatrischen Kohorte mit angeborenen Herzfehlern konnten wir nachweisen, dass zlog-NT-proBNP ein starker, vom Alter unabhängiger Prädiktor für das Auftreten von MACE ist. Er könnte somit ein wichtiger Bestandteil des Managements von Kindern mit angeborenen Herzfehlern werden, der Mortalität und Morbidität in diesem besonderen Patientenkollektiv zu senken hilft. Da das Alter einen starken Einfluss sowohl auf die Höhe des NT-proBNP-Spiegels (Abb. 1) als auch auf das MACE-Risiko (Tab. 1) hat, sind frühere Studien zum prognostischen Wert von (nicht normalisiertem) NT-proBNP bei Kindern nur bedingt aussagekräftig, da sie die Altersdynamik nicht ausreichend berücksichtigen.

Lohnend ist auch ein Blick auf andere kardiale Marker wie Troponin T. Dessen Altersdynamik (Abb. 1) legt nahe, auch für Troponine altersadaptierte zlog-Werte zu berechnen, um deren prognostischen Wert bei Kindern mit Herzerkrankungen zu evaluieren. Einerseits weist Troponin T im ersten Lebensjahr eine ähnlich ausgeprägte Altersdynamik wie NT-proBNP auf, andererseits besitzt es als Marker der Herzmuskelschädigung eine von NT-proBNP unabhängige diagnostische Bedeutung.

Beim Design einer solchen Studie ist allerdings zu bedenken, dass Troponin T im Blut viel niedriger konzentriert ist als NT-proBNP (Abb. 1) und zahlreiche Werte unter der Nachweisgrenze liegen. So ist die Referenzuntergrenze nicht direkt bestimmbar und wird folglich in der Literatur auch nicht angegeben. Da diese Untergrenze aber für die Berechnung von zlog-Werten unverzichtbar ist, sind methodische Vorarbeiten nötig, ehe das Projekt angegangen werden kann.

Die vorgestellte Studie führt eindrucksvoll vor Augen, welch wertvolle Ressource bereits erhobene Labordaten sein können, um retrospektiv altersadjustierte zlog-Werte zu errechnen und deren klinische Bedeutung zu überprüfen: Neben dem Einsatz von zlog-NT-proBNP-Werten für eine allgemeine Risikoabschätzung bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern ist die Interpretation von individuellen Verläufen mittels zlog-Werten in der alltäglichen Praxis eine hilfreiche Unterstützung – und dies umso mehr, als sich der zlog-Wert unabhängig von Alter und Methodik ermitteln und interpretieren lässt (Onlinerechner unter bit.ly/zlogNTproBNP). Hierbei wird der Stellenwert der Labormedizin über die reine biochemische Analytik hinaus für eine integrierte und patientennahe Dateninterpretation sichtbar.

Autoren
Dr. med. univ. Inga Trulson (korrespondierende Autor:innen)
Prof. Dr. med. Stefan Holdenrieder
Deutsches Herzzentrum München
Institut für Laboratoriumsmedizin
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