Transaminasen-Erhöhung beim Kind: Mit den „Leberwerten" auf Du und Du

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.01.08

Enzymaktivitäten wie die der Alanin-Aminotransferase, der Aspartat-Aminotransferase, der Glutamatdehydrogenase, der Laktatdehydrogenase, der Gamma-Glutamyltransferase und der alkalischen Phosphatase sowie das konjugierte Bilirubin sind labormedizinische Indikatoren für eine hepatozelluläre Schädigung beim Kind. Die Betrachtung der Enzym­muster kann zur labordiagnostischen Differenzierung verschiedener Pathomechanismen einer Hepatopathie beitragen.

Schlüsselwörter: ALT, AST, GLDH, GGT, AP, dBil, virale Hepatitis, Autoimmunhepatitis, Toxine, Sauerstoffmangel

Erhöhte sogenannte „Leberwerte“ werden auch bei Kindern häufig im Blut gemessen und sind als Surrogatmarker zum Nachweis von (Partial-)Störungen des hepato-biliären Systems geeignet.

Dieser Artikel fokussiert sich auf labor­medizinische Indikatoren einer hepatozellulären Schädigung. Parameter der hepatischen Synthese-, der Detoxifikationskapazität und einer Cholestase werden nicht näher behandelt. Enzyme unterscheidet man danach, ob ihr Wirkungsort außerhalb (Sekretenzyme) oder innerhalb der sie synthetisierenden Zellen (Zellenzyme) liegt. Dementsprechend sind im Blut erhöht gemessene Zellenzymaktivitäten immer Ausdruck einer Zellintegrität-Schädigung.

Enzyme und konjugiertes Bilirubin

Da die Leber das größte menschliche Stoffwechselorgan ist, weisen Hepatozyten eine hohe Enzymkonzentration auf. Dies bedeutet, dass schon volumenmäßig geringe Schäden zu einer messbaren Erhöhung der entsprechenden Parameter führen. Eine hepatisch bedingte Enzym-Erhöhung ist unspezifisch und kann prinzipiell „hepatitisch“ (infektiös oder nicht-infektiös immunologisch), toxisch/metabolisch, ischämisch, cholestatisch oder infiltrativ bedingt sein. Das Ausmaß der Schädigung reicht dabei von minimal (lediglich Zellmembran) bis extrem (Nekrose) und führt konsekutiv zu einem Austritt intrazellulärer Substanzen. Dabei sind Alanin-Aminotransaminase (ALT; ehemals Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT)), Aspartat-Aminotransferase (AST; ehemals Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT)), Glutamatdehydrogenase (GLDH), Laktat-Dehydrogenase (LDH), Gamma-Glutamyltransferase (GGT) und alkalische Phosphatase (AP) sowie das direkte konjugierte Bilirubin (dBil) von hoher diagnostischer Bedeutung. Als „Leberwerte“ werden typischerweise die Aminotransferasen (ALT, AST), GGT, AP und das dBil bezeichnet. Die Aminotransferasen (AT; ehemals Transaminasen) werden in Zellen unterschiedlicher Herkunft exprimiert und sind somit nicht als „Leberwerte“ zu bezeichnen. Während eine AST-Erhöhung in vergleichbarer Weise sowohl bei Hepato- als auch bei Myopathien (einschließlich Myokard) gemessen wird, findet sich die ALT v. a. (aber nicht ausschließlich) bei Hepatopathien erhöht. Im Gegensatz dazu ist eine erhöhte GLDH, die in ihrem diagnostischen Wert oft unterschätzt und nur relativ selten bestimmt wird, für eine hepatozelluläre Schädigung spezifisch. Demgegenüber ist eine LDH-Erhöhung unspezifisch und wird hier nicht weiter behandelt. Die GGT wird in Hepatozyten und Cholangiozyten exprimiert und entstammt somit ausschließlich dem hepatobiliären System. Gleiches gilt für das dBil. Dementsprechend finden sich GGT- und dBil-Erhöhungen typischerweise zwar im Rahmen einer Cholestase, aber eben auch bei einer Hepatozytenschädigung, was oft vernachlässigt wird. Daher sollten beide nicht als „sichere“ Cholestaseparameter betrachtet werden. Zu bedenken ist dabei, dass eine globale hepatozelluläre Störung selbst bei Nekrose nie zu einer isolierten unkonjugierten Hyperbilirubinämie führt.

Lokalisation

Die Zellenzyme sind Bestandteil des Intermediärstoffwechsels und werden intrazellulär spezifisch an unterschiedlichen Lokalisationen exprimiert (Abb.1).

GGT und AP werden ausschließlich membrangebunden (ganz überwiegend im Bereich der kanalikulären Membranabschnitte), die ALT und LDH ausschließlich zytosolisch und die AST zu ca. 40 % zytosolisch und 60 % mitochondrial, die GLDH ausschließlich mitochondrial exprimiert. Hepatozyten nehmen im menschlichen Stoffwechsel eine einzigartige Stellung ein: Sie metabolisieren praktisch alle Substrate (Nährstoffe sowie (potenzielle) Toxine) aus dem Portalkreislauf und damit aus dem gesamten Magen-Darm-Trakt primär. Hierfür sind sie trabekulär entlang der Sinusoide von portal- nach zentralvenös angeordnet. Unter physiologischen Bedingungen werden daher die portalnahen Hepatozyten mit nähr- und fremdstoffreichem Blut konfrontiert und mit sauerstoffreichem Blut „versorgt“. Umgekehrt verhält es sich bei Zentralvenen-nahen Hepatozyten, die am Ende der Sauerstoff-Versorgung stehen und nicht gerade „Metabolisations-Spezialisten“ sind. Deshalb sind die Hepatozyten entsprechend ihrer individuellen Lokalisation im Leberläppchen über die drei Zonen nach Rappaport mit einem unterschiedlichen Enzymbesatz ausgestattet [1–3]. Während die Konzentrationen der AST, GGT und AP keine wesentlichen zonalen Konzentrationsunterschiede aufweisen, nimmt diese für die ALT und LDH nach zentralvenös ab und ist für die GLDH Zentralvenen-nahe ca. doppelt so hoch wie periportal. Aus der differenzierten enzymatischen Kompartimentierung und metabolischen Zonierung folgt auch eine unterschiedliche Freisetzungskinetik. So kann eine Hepatopathie diagnostiziert, ihre Akuität und ihr Ausmaß eingeschätzt sowie auch verschiedene Pathomechanismen labordiagnostisch differenziert werden. Dazu dient neben der Beurteilung der einzelnen Parameter auch das Verhältnis dieser zueinander.

Differenzialdiagnostik

Im Rahmen der Abklärung von erhöhten AT sind differenzialdiagnostisch v. a. Myopathien zu bedenken, die sich aber durch eine erhöhte Creatinkinase (CK) demaskieren. Neben der gemessenen Höhe einzelner Zellenzyme ist es hilfreich, deren relative Abweichung von den Referenzintervallgrenzen zueinander in die Interpretation mit einzubeziehen. Dazu werden die oberen Referenzintervallgrenzen als 1 gesetzt und der gemessene Wert als relatives Maß hierzu berechnet und für die „Musterbeurteilung“ zugrunde gelegt. Im Folgenden werden einige typische Muster dargestellt, die sich nach meiner Erfahrung in der Einschätzung von Hepatopathien als hilfreich erwiesen haben. Zu berücksichtigen ist, dass sich die Quotienten aufgrund der unterschiedlichen biologischen Halbwertzeiten im Verlauf ändern (Tab. 1 und 2).

Tab. 1:  Biologische Halbwertzeiten einiger in der Diagnostik von Hepatopathien wichtiger Enzyme im Blut (adaptiert nach [8]). 

Abkürzung

Enzym

biologische Halbwertzeit (Stunden)

ALT

Alanin-

Aminotransferase

47 ± 10

AST

Aspartat-

Aminotransferase

17 ± 5

GLDH

Glutamat-

Dehydrogenase

18 ± 1

GGT

gamma-Glutamyl­transferase

3–4 Tage

AP

alkalische
Phosphatase

3–7 Tage

Tab. 2: Typische Blut-Muster bei verschiedenen Störungen. Konjugiertes Bilirubin (KB), Alanin-Amino­transferase (ALT), Aspartat-Aminotransferase (AST), Glutamatdehydrogenase (GLDH), gamma-Glutamyltransferase (GGT) und Creatininkinase (CK), akute Hepatitis (AH), chronische Hepatitis (CH), Autoimmunhepatitis (AIH), akuter leichter toxischer Schaden (TS),  erhöht, ± normwertig oder nur gering von der Norm abweichend, 0 obligat normwertig.

Analyt

AH

CH

AIH

TS

M. Wilson

Myopathie

dBil

↑↑↑

(↑)

(↑)

±

(↑)

0

ALT

↑↑↑

↑↑

(↑)

↑(↑)

(↑)

AST

↑↑

↑↑

↑↑

(↑)

↑(↑)

↑(↑)

GLDH

±

±

±

↑↑

0

GGT

±

±

±

(↑)

0

CK

0

0

0

0

0

↑↑↑

Akute Virus-Hepatitis

Bei akuter Virus-Hepatitis findet sich ein relativ charakteristisches Muster, gekennzeichnet durch (1) eine dBil- und (2) AT-Erhöhung mit typischerweise führender ALT. Die Höhe der AT und des dBil ist dabei in Abhängigkeit vom Ausmaß der hepatozellulären Schädigung äußerst variabel. Demgegenüber findet sich die GLDH meist allenfalls gering erhöht und verbleibt selbst bei nekrotisierender Hepatitis oft unter dem 10-fachen des oberen Referenzwertes. Ursächlich für dieses Muster können neben den „klassischen“ Hepatitisviren (A–E) auch alle anderen Viren (z. B. EBV) sein; auch bei einer Virus-Enteritis („Leber-Schnupfen“) beobachtet man ein vergleichbares Muster. Ebenso findet sich bei einer chronischen Hepatitis das prinzipiell gleiche Muster, allerdings i. d. R. mit einer Umkehr des Verhältnisses der AT zueinander, mit dann führender AST (de-Ritis-Quotient (AST:ALT) > 1). Bakterielle Erreger erzeugen hingegen unspezifische Muster [4–6].

Autoimmunhepatitis

Bei Autoimmunhepatitiden (AIH) oder akuter Abstoßungsreaktion nach Lebertransplantation findet sich neben der AT- oft auch eine mäßiggradige GLDH-Erhöhung. Die Diagnose AIH wird jedoch aufgrund anderer Parameter (z. B. „organspezifischer“ Autoantikörper) gestellt.

Toxine

Prinzipiell kann jede Substanz – sowohl körperfremde als auch -eigene – leberschädigend bis zur Nekrose wirken. So wurden auch verschiedenste Substanzen einschließlich Xenobiotika und Nahrungsergänzungsmittel als hepatotoxisch beschrieben. Auch milde toxische Wirkungen können schon zu einer GGT-, ggf. auch ohne AT-Erhöhung führen. Die metabolischen Ursachen einer toxischen Hepatopathie sind altersabhängig, bspw. bei Säuglingen die Tyrosinämie und bei älteren Kindern der Morbus Wilson. Bei einer ausgeprägten toxischen/metabolischen Hepatozytenschädigung findet man im Gegensatz zur Hepatitis neben einer AT-Freisetzung regelhaft auch eine deutliche, in ihrer relativen Erhöhung oft führende GLDH. Auch bei persistierender Toxin­exposition lässt sich meist eine gegenüber den anderen Enzymen „betonte“ GLDH-Erhöhung nachweisen. Grundsätzlich kann es im Rahmen jeder länger währenden Toxin-Exposition zur Entwicklung einer nicht alkoholischen Fett-Lebererkrankung (non alcoholic fatty liver disease; NAFLD) jeden Ausmaßes kommen. Diese ist unabhängig von ihrer Ursache (nutritiv oder metabolisch-toxisch) durch eine meist moderate Erhöhung sowohl der AT, der GLDH als auch der GGT gekennzeichnet. Dabei ist der de-Ritis-Quotient meist < 1 und die AT synchron mit der GLDH gegenüber der GGT führend, die meist nur gering erhöht ist [7].

Sauerstoffmangel

Bei hepatischem Sauerstoffmangel, z. B. im Rahmen einer globalen Hypoxämie oder einer arteriellen Perfusionsstörung, kommt es v. a. zu einer Schädigung der Läppchenareale nahe der Zentralvenen mit konsekutiv unproportional hoher GLDH. Gleiches gilt bei einer post-hepatischen Abflussstörung (z. B. kardiale Stauung).

Fazit

Veränderungen verschiedener Blut­parameter sind geeignet, hepatobiliäre Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters in ihrer Art, Schwere und Akuität zu beurteilen und diese von extrahepatischen Störungen zu differenzieren. Neben der Höhe der einzelnen Parameter dient das Muster dieser generell und die Relation der Aktivitäten zueinander der detaillierten Interpreta­tion. Dabei sollten sich die Auswahl und der Umfang der Laborparameter in der Praxis an dem patho­physiologischen Verständnis der klinischen Zusammenhänge orientieren.

Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Michael Melter
Klinikdirektor
KinderUNiklinik Ostbayern (KUNO) Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Regensburg
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