Virale Hepatitis bei Kindern: Nicht nur von A bis E

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.01.09

Die klassischen Hepatitisviren A–E sowie auch nicht-hepatotrope Viren aus der Familie der Herpesviren können bei Kindern eine Entzündung der Leber verursachen. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Übertragungswege, der Schwere der Symptome und auch der diagnostischen Möglichkeiten. Relativ neu aufgetreten ist das humane Adenovirus Typ 41F, das für das vermehrte Vorkommen von schwer verlaufenden Hepatitiden bei Kindern verantwortlich sein könnte.

Schlüsselwörter: HAV, HBV, HCV, HDV, HEV, HSV-1, HSV-2, CMV, EBV, VZV, HAdV-41F

Hepatitis bezeichnet eine entzündliche Reaktion des Leberparenchyms mit anfangs oft unspezifischen Symptomen wie abdominelle und/oder muskuloskelettale Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoen, Fieber und Müdigkeit. Das ikterische Hautkolorit ist charakteristisch, jedoch nicht immer zu beobachten. Laborchemisch auffällig sind die erhöhten Serumaktivitäten der Alanin- und Aspartat-Aminotransferase, die im Rahmen der entzündungsbedingten Schädigung aus den Hepatozyten freigesetzt werden. Je nach Ausmaß des Zelluntergangs können auch in der Leber produzierte Proteine, beispielsweise Gerinnungsfaktoren, nicht mehr in ausreichender Menge hergestellt werden. Schlimmstenfalls droht ein kompletter Ausfall aller Leberfunktionen, was mit einer hohen Sterblichkeit assoziiert ist.

Die Auslöser einer Hepatitis sind vielfältig. Neben metabolischer, autoimmu­ner und medikamentöser/toxischer Genese spielen Infektionen, vor allem durch Viren, eine wichtige Rolle. Primär hepatotrope Viren wie Hepatitis A, B, C, D und E sind häufige und geläufige Ursachen und daher zuvorderst im diagnostischen Fokus. Jedoch kann eine Vielzahl weiterer Viren Hepatitiden (mit-)verursachen und auch hier gibt es neu in Erscheinung tretende Erreger („emerging pathogens“). Jüngstes Beispiel könnte der Subtyp 41F des humanen Adenovirus sein, für den ein Zusammenhang mit dem vermehrten Auftreten schwer verlaufender Hepatitiden bei Kindern diskutiert wird [1]. Eine Auswahl viraler Hepatitis-Erreger bei Kindern sowie die diagnostischen Möglichkeiten sind nachfolgend dargestellt.

Hepatitisviren

Zu den primär hepatotropen Viren zählen das Hepatitis-A-Virus (HAV), Hepatitis-B-Virus (HBV), Hepatitis-C-Virus (HCV), Hepatitis-E-Virus (HEV) und das Hepatitis-D-Virus (HDV). HDV-Infektionen treten jedoch nur bei bestehender oder gleichzeitig erworbener HBV-Infektion auf.

Die Hepatitisviren unterscheiden sich in Infektionswegen und klinischem Verlauf. HAV und HEV werden vorwiegend fäkal-oral (z. B. durch verunreinigte Nahrungsmittel) übertragen. Immungesunde Kinder zeigen zumeist milde, selbstlimitierende Symptome, chronische Infektionen treten nicht auf. Schwerwiegende Komplikatio­nen wie akutes Leberversagen finden sich in weniger als 1 % der HAV-Infektionen. Hohe Hygienestandards in Industrieländern reduzierten in den letzten Jahrzehnten die Erkrankungshäufigkeit drastisch, doch auch die in der Bevölkerung vorhandene Immunität gegen HAV. Reisen in Länder mit starker HAV-Verbreitung stellen daher ein Infektionsrisiko dar: Etwa 30 bis 40 % aller in Deutschland gemeldeten Hepatitis-A-Fälle gelten als „Reisehepatitis“. Für in Deutschland aufwachsende Kinder mit Migrationshintergrund gilt dies auch für den „Heimaturlaub“ im Herkunftsland der Familie. Bei HBV- und HCV-Infektionen im Kindesalter spielt neben dem Kontakt mit infektiösen Körperflüssigkeiten die mütterliche Übertragung auf das Kind eine wichtige Rolle. Die sog. „vertikale Transmission“ kann bereits das ungeborene Kind betreffen, tritt meist jedoch während oder nach der Geburt auf. Das Übertragungsrisiko für HCV-positive Mütter beträgt 1 bis 5 % und kann bei HBV bis 90 % erreichen [2, 3]. Mit infektiösen Körperflüssigkeiten kontaminierte Haushaltsgegenstände wie Zahnbürsten oder Rasierer sind nachgewiesene Infektionswege für HBV; bei Jugendlichen gewinnen Sexualkontakte und auch intravenöser Drogenkonsum an Bedeutung.

Diagnostisch ist neben der Serologie der direkte Nachweis von Virus-DNA oder -RNA etabliert. Eine Übersicht über geeignete Materialien und Untersuchungsmethoden zeigt Tabelle 1.

Tab. 1: Übersicht zur Diagnostik von Hepatitisviren. 

Erreger

Test

Nachweis von

Hepatitis A

Serologie

Antikörper: Anti-HAV

NAAT

HAV-RNA im Blut oder Stuhl

Hepatitis B

Serologie

Antigen: HbsAg, HbeAg;

Antikörper: Anti-Hbs, Anti-Hbc, Anti-Hbe

NAAT

HBV-DNA im Blut

Hepatitis C

Serologie

Antikörper: Anti-HCV

NAAT

HCV-RNA im Blut

Hepatitis D

(nur bei HBV-positiven Personen)

Serologie

Antikörper: Anti-HDV

NAAT

HDV-RNA im Blut

Hepatitis E

Serologie

Antikörper: Anti-HEV

NAAT

HEV-RNA im Blut oder Stuhl

Als wichtige Präventionsmaßnahme steht für HAV und HBV (und damit auch für HDV) eine Impfung zur Verfügung. Die aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) sehen die HBV-Impfung für Kinder standardmäßig vor, die HAV-Impfung wird derzeit nur für gefährdete Personen angeraten. In Ländern mit höherer HAV-Inzidenz waren nach Einführung der Impfung für Kinder deutlich rückläufige Fallzahlen zu verzeichnen [4, 5].

Herpesviren

Infektionen mit Herpesviren sind weit verbreitet, werden zumeist in jungen Jahren erworben und persistieren lebenslang. Mitglieder der Herpesvirenfamilie wie Herpes-simplex-Virus Typ-1 (HSV-1), HSV 2, Cytomegalie-Virus (CMV), Epstein-Barr-Virus (EBV) und das Varicella-Zoster-Virus (VZV) zählen nicht zu den primär hepatotropen Viren, können jedoch im Rahmen einer Infektion oder Reaktivierung Hepatitiden auslösen. Bei HSV-1- und -2-Infektionen ist das fulminante Leberversagen mit Enzephalitis, das u. a. bei Neugeborenen vorkommt, eine gefürchtete Komplikation mit einer Mortalität von über 80 %. Der frühzeitige Beginn einer antiviralen Therapie kann den Verlauf positiv beeinflussen, setzt aber einen entsprechend früh im Krankheitsverlauf erbrachten Erregernachweis voraus. Zumeist werden Nukleinsäureamplifikationstechniken (NAAT) wie die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) eingesetzt; serologische Verfahren sind hier nicht geeignet. EBV- und CMV-(Erst-)Infektionen verursachen bei Immungesunden neben Fieber, Lymphknotenschwellungen und Entzündungen der Gaumenmandeln auch eine milde, zumeist selbstlimitierende Hepatitis. Für CMV wird ein direkter zytopathischer Effekt des Virus auf die Hepatozyten angenommen, während bei EBV-Infektionen die Schädigung der Leberzellen nicht durch das Virus selbst, sondern indirekt durch die Zytokinfreisetzung aus aktivierten Lymphozyten erfolgt [6]. Bei organtransplantierten Patient:innen ist CMV eine häufige Ursache für Hepatitiden. Diagnostisch wegweisend ist der Nachweis von EBV- oder CMV-DNA. Varicella-Zoster-Virus-assoziierte Hepatitiden sind insgesamt sehr selten und können beispielsweise bei Neugeborenen mit disseminierter VZV-Infektion beobachtet werden. Im Kindesalter sind zudem noch Infektionen mit dem humanen Herpesvirus Typ 6 (HHV-6) und HHV-7 relevant. Zum Krankheitsspektrum der Erreger des „Drei-Tage-Fiebers“ (HHV-6) bzw. der „Röschenflechte“ (HHV-7) gehört auch eine unterschiedliche Beteiligung der Leber. Bei Neugeborenen kann eine HHV-6-assoziierte Hepatitis gelegentlich zum Leberversagen führen; Hepatitiden mit HHV-6 und HHV-7 können als Komplikation nach Organtransplantation auftreten. Diagnostische Methode der Wahl ist auch hier der Nachweis von Erreger-DNA; bei HHV-6 kann dies in Gallenflüssigkeit oder Biopsiegewebe häufiger gelingen als im peripheren Blut. Doch Vorsicht: Der Nachweis von HHV-6-DNA aus zellhaltigem Probenmaterial kann neben einer Infektion auch auf einer Integration des HHV-6-Genoms im Erbgut der untersuchten Person beruhen. Bei ca. 1 % der Bevölkerung liegt dies vor und muss mit Spezialuntersuchungen weiter abgeklärt werden.

Weiterführende Diagnostik

Bei weiterhin ätiologisch unklaren Hepatitis-Fällen sollte neben der Re-Evaluation der Differenzialdiagnosen auch die Labordiagnostik erweitert werden. Hilfestellung für weiterführende Untersuchungen kann die Empfehlung der WHO für Laboruntersuchungen bei schwerer, akuter Hepatitis unklarer Ätiologie im Kindealter geben (aktueller Stand der Empfehlung: Juni 2022). Neben selteneren viralen und bakteriellen Hepatitis-Erregern sind darin auch Hinweise auf sinnvolle toxikologische Untersuchungen enthalten (Tab. 2) [7].

Tab. 2: Empfehlung der WHO zur erweiterten Diagnostik bei akuter, schwer verlaufender Hepatitis unklarer Ätiologie (modifiziert nach [7]).

Probenart

Test

nachzuweisende Erreger

Blut

NAAT

SARS-CoV-2, Adenoviren, Enteroviren, CMV, EBV, HSV-1, HSV-2, HHV6, HHV7, Parvovirus B19,

Leptospiren

Serologie

CMV, EBV, SARS-CoV-2, VZV, HIV, Adenovirus,

Parvovirus, Rubellavirus, Anti-Streptolysin-O-Titer

Kultur

Standard-Kulturansatz zum Nachweis von

Bakterien und Pilzen

Toxikologie

in Abhängigkeit von Anamnese und lokalen Gegebenheiten Bestimmung hepatotoxischer Medikamente oder Umweltgifte

Rachenabstrich

(Oro/Nasopharynx)

NAAT

Respiratorische Erreger: Adeno-, Boca-, Entero-, (Para-)Influenza-, Rhinovirus, Respiratory

Syncytial Virus, SARS-CoV-2, Mycoplasmen

Kultur

Standard-Kulturansatz zum Nachweis von

Bakterien (inkl. Streptokokken der Gruppe A)

Stuhl

NAAT

Adeno-, Astro-, Entero-, Noro-, Rota-, Sapovirus, CMV, humanes Parechovirus

Kultur

Standard-Kulturansatz zum Nachweis pathogener Darmbakterien inkl. Salmonellen

Urin

NAAT

Leptospiren

Kultur

Standard-Kulturansatz zum Nachweis von Bakterien

Toxikologie

in Abhängigkeit von Anamnese und lokalen Gegebenheiten Bestimmung hepatotoxischer Medikamente oder Umweltgifte

Lebergewebe

(falls z. B. aufgrund von erforderlicher Transplan­tation verfügbar)

Sequenzierung & Metagenomics

ungezielter Nachweis bakterieller und viraler Infektionserreger

Vergleichbare Empfehlungen existieren auch vom „European Centre for Disease Prevention and Control“ (ECDC). Entwickelt wurden beide Dokumente als Reaktion auf ein zunächst im Vereinigten Königreich beobachtetes Ausbruchsgeschehen akuter, teils schwer verlaufender Hepatitiden unklarer Ätiologie bei Kindern (meist unter fünf Jahren).

Wenig später wurden Häufungen ähnlicher Fälle aus mindestens 35 weiteren Ländern gemeldet. Ein Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Impfung oder eine Exposition gegen Toxine wurde nicht gefunden, ebenso blieb die Diagnostik auf Hepatitisviren negativ. Nach Daten des ECDC erbrachte die erweiterte infektiologische Abklärung in 54 % der getesteten Fälle den Nachweis von humanem Adenovirus (HAdV); aus den USA wurden 44,6 % berichtet. Insbesondere der Subtyp 41F trat gehäuft auf [6, 8]. HAdV-41F verursacht typischerweise selbstlimitierenden Gastro­enteritiden bei Kindern und war zuvor als Erreger einer Virushepatitis nicht in Erscheinung getreten. Auch wurden in vielen Fällen Koinfektionen mit weiteren, im Kindesalter häufig nachgewiesenen Viren (Rhino-, Entero- und Influenza-Viren sowie SARS-CoV-2) berichtet, was die Beurteilung der HAdV-41F-spezifischen Relevanz für das Krankheitsbild erschwerte. Andere Kohorten zeigten eine deutlich niedrigere Rate an Adenovirus-Nachweisen, in Japan beispielsweise nur 9 %. Aufgrund der bislang heterogenen Datenlage kann ein kausaler Zusammenhang zwischen einem HAdV-41F-Nachweis und dem vermehrten Auftreten akuter, schwer verlaufender Hepatitiden bei Kindern nicht abschließend beurteilt werden.

Deutlich wird, dass die Abklärung einer ätiologisch unklaren Hepatitis eine breit gefächerte Diagnostik erforderlich machen kann. Perspektivisch werden neben den aktuell eingesetzten, meist auf einen spezifischen Erreger ausgerichteten Nachweisverfahren der zunehmende Einsatz von Genomsequenzierung in Kombination mit metagenomischen Analysen die Identifizierung unbekannter oder nicht vermuteter Erreger ermöglichen.