Vom Status quo zur Vision des digitalen Pathologielabors
Aktuell erreichen Untersuchungsproben das Pathologielabor noch mit Informationen, die zum größten Teil auf Einsendescheinen händisch vermerkt werden. Schreibkräfte übertragen sie in das Laborinformationssystem. In diesem Kontext stellt die Harmonisierung mit anderen entscheidenden klinischen Daten weiterhin eine Herausforderung dar [1]. Medizinisch-technische Fachkräfte arbeiten nach der makroskopischen Begutachtung durch Patholog:innen die entnommenen Proben auf. In mehreren Arbeitsschritten – zum Teil unter erheblichem manuellem Aufwand – entstehen aus den fixierten Gewebeproben Paraffinblöcke und Schnittpräparate, die mit verschiedenen histochemischen und immunhistologischen Techniken abhängig von der klinischen Fragestellung gefärbt werden. Die Schnittpräparate werden schließlich per Hand aus dem Eindeckautomat entnommen, in Mappen für die folgende mikroskopische Untersuchung einsortiert und den Patholog:innen zur Befundung am Mikroskop vorgelegt. Für Forschungsprojekte, im Rahmen des Biobankings, für Ringversuche und für die Lehre werden Scanner per Hand mit Schnittpräparaten beladen, dort ebenfalls manuell registriert und anschließend digitalisiert, wobei bereits Plattformen für die interaktive Nutzung der digitalen Schnittpräparate existieren [2, 3]. Eine Qualitätskontrolle der Schnittpräparate wird meist erst bei der Analyse des bereits digitalisierten Schnittes oder während der Befundung durchgeführt. Sind Qualitätsmängel vorhanden, muss der Schnitt neu hergestellt und erneut eingescannt bzw. befundet werden. Auf diese Weise entsteht ein signifikanter Zeitverlust in der Diagnostik bzw. Auswertung. Die Untersuchungsergebnisse der Pathologie werden als Befundtext im Laborinformationssystem abgelegt, die Proben danach wieder in den Mappen verstaut und schließlich im Archiv einsortiert. Diese Abläufe beinhalten viele manuelle, partiell kleinteilige Arbeitsschritte mit zahlreichen Fehlerquellen, die ein aufwendiges Controlling notwendig machen.
Die Vision eines volldigitalisierten Pathologielabors sieht hingegen das auto-matische Einscannen großer Mengen von Schnittpräparaten und die digitale Bereitstellung zur Diagnostik in Verbindung mit klinischen Daten sowie die digitale Befundtextgenerierung vor. Ein solches System ist weiterhin in der Lage, Aufträge unmittelbar nach der Registrierung des Probeneingangs entsprechend der klinischen Angaben zu priorisieren und sofort abzuarbeiten. Zudem führt das System selbstständig eine Qualitätskontrolle der Schnitte und Objektträger durch, sodass mangelhafte Objektträger ersetzt werden können, bevor sie der Diagnostik bzw. der wissenschaftlichen Auswertung zugeführt werden. Darüber hinaus ermöglicht das volldigitalisierte Labor zukünftig die Nutzung von künstlicher Intelligenz zur Unterstützung der histopathologischen Diagnostik [4, 5, 6]. Schließlich eröffnet das volldigitalisierte Pathologielabor die Einbettung der integrativen Analyse von Bilddaten, aber auch von molekularen Informationen – wie Genomdaten – in die Arbeitsabläufe [6].
Voraussetzungen für die digitale Transformation
Um den Laboralltag zu digitalisieren, ist die Prozessanalyse des gesamten Workflows vom Probeneingang bis zur pathologischen Begutachtung der Schnittpräparate und der anschließenden Archivierung eine grundlegende Voraussetzung. Wichtig ist nicht nur, geeignete Geräte und Software für die vorher definierten Anforderungen zu identifizieren, sondern auch die interaktive Einbindung dieser Veränderungen in den gesamten Arbeitsablauf des Labors voranzutreiben. Es bedarf einer genauen Dokumentation und Analyse aller Prozesse, von der Probenaufnahme, über die Prozessierung bis zum Abschluss der histologischen Diagnostik. Darüber hinaus muss erhoben werden, wie die unterschiedlichen Schritte im Workflow miteinander verbunden, und wie bereits teildigitalisierte Arbeitsschritte des Labors eingebunden werden können.
Ein holistischer Ansatz der digitalen Transformation
Im Zusammenhang mit der Volldigitalisierung des Pathologielabors sind neben der gerätetechnischen auch organisatorische und personelle Aspekte zu beachten, die entscheidend den Erfolg der digitalen Transformation beeinflussen. Denn natürlich bringen technische Setups, die intuitiv zu bedienen sind und trotzdem hochwertige Ergebnisse liefern, eine Verbesserung. Die echte Transformation beinhaltet allerdings erst die IT-gesteuerte Einbindung aller Geräte in den Workflow und dessen gesamte Digitalisierung. Die Einführung der neuen Techniken bedingt die Umstellung der Abläufe und erfordert deren digitale Verknüpfung, auch im Hinblick auf Sonderverfahren wie die Schnellschnittdiagnostik oder die Zytologie sowie die weiterführenden diagnostischen Methoden der Immunhistologie und der Molekularpathologie.
Entscheidend für eine erfolgreiche Transformation ist die Beteiligung aller in einer Pathologie tätigen Personen an diesem Prozess, von den Schreibkräften, über das Medizinisch-technische Personal bis zu den Ärztinnen und Ärzten. Aktive Mitarbeit im Transformationsprozess und optimale Fortbildungs- und Trainingsmaßnahmen sind unerlässlich, da die Umstellung ansonsten zur Generierung von Drucksituationen und zu Unzufriedenheit und somit letztlich zu einer Personalfluktuation führen kann.
Das Projekt PathoScan
Wie die Umsetzung dieser Vision der digitalen Transformation in der Pathologie aussehen kann, zeigt exemplarisch das bereits oben genannte Projekt PathoScan (FKZ ESB074/005), das seit 2019 über den Projektträger VDI|VDE|IT durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gefördert wird. Im Kontext dieses Projektes entwickelt das Institut für Pathologie der Universität Regensburg zusammen mit dem Institut für Pathologie der Technischen Universität München und dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS gemeinsam mit zwei Industriepartnern ein System, das die Arbeitsabläufe in der Pathologie mittels eines Multi-Mikroskop-Probenladesystems digitalisiert und in den Workflow des Labors integriert.
Die digitale Mikroskopie ist dabei eine entscheidende Komponente auf dem Weg zum digitalen Labor, die mit zahlreichen Arbeitsabläufen eng verbunden werden muss. Daher stellt das Projekt PathoScan die digitale Mikroskopie ins Zentrum, um von diesem Ausgangspunkt weitere Digitalisierungsschritte zu definieren. Darüber hinaus beinhaltet das Projekt Elemente künstlicher Intelligenz, in den Bereichen Priorisierung von eingegangenen Fällen und automatisierter Qualitätskontrolle der Schnittpräparate vor der Digitalisierung.
Ein entscheidendes Ziel von PathoScan ist die angepasste Umsetzung der Digitalisierung an bestehende Strukturen vor Ort und die Ermöglichung der digitalen Transformation im laufenden Labor- und Diagnostikbetrieb. Bei der initialen Prozessanalyse in beiden Instituten für Pathologie wurde ein umfassender Ansatz gewählt, bei dem sämtliche Abläufe in den Laboren selbst und in der Interaktion mit dem Schreibbüro und der Diagnostik in einzelne Prozesse untergliedert, dokumentiert und visualisiert wurden. Bei der Erfassung und Beschreibung aller Einzelprozesse wurden sämtliche Beteiligten integriert. Dadurch konnten nicht nur der Kenntnisstand zu Digitalisierungstechniken und die Bereitschaft für die Transformation beim Personal erfasst, sondern auch Anregungen für eine künftige Prozessoptimierung mit aufgenommen werden. Auf Basis der Prozessanalysen wurde schließlich der Digitalisierungsgrad der Laborabläufe festgelegt (Abb. 1).