Die klinische Nierentransplantation (NTX) ist seit ihrer Geburtsstunde eine in der Medizin herausragende Erfolgsgeschichte. Joseph Murray (Boston, USA) verpflanzte 1954 erstmalig erfolgreich eine Niere zwischen eineiigen Zwillingen und umging somit die immunologische Barriere der humanen Leukozytenantigene (HLA). Die kurz zuvor durch Dausset 1952 entdeckten HLA-Antigene sind z. T. ubiquitär auf allen kernhaltigen Zellen exprimiert und erfüllen eine zentrale Rolle beim Erkennen von Pathogenen und Tumoren durch das Immunsystem. Sie zeichnen sich durch einen ausgeprägten Polymorphismus mit aktuell mehr als 26.000 Genvarianten (Allelen) aus. Jede Konfrontation mit HLA im Rahmen von Schwangerschaften, Transfusionen und Transplantationen stellt einen potenziellen Trigger für eine zelluläre und/oder humorale Immunantwort gegen die nicht kompatiblen HLA-Merkmale dar und kann bei Transplantaten zur Abstoßung führen. Das Risiko einer Immunantwort ist dabei proportional zur Anzahl an Inkompatibilitäten [1]. Der Nachweis vor der Transplantation, und folglich das Vermeiden einer HLA-spezifischen Immunisierung, stellen signifikante Meilensteine in der Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeiten nach einer Transplantation dar.
Lymphozytotoxizitätstest
Patel und Terasaki konzipierten einen Verträglichkeitstest (Kreuztest) auf der Basis des Lymphozytotoxizitätstests (LCT), der einen herausragenden Prädiktionswert für die hyperakute Abstoßung lieferte. Der LCT entwickelte sich daher zum obligatorischen Goldstandard für die Entscheidungsfindung zur Transplantation. Er ist ein zellbasierter Funktionsassay, der ausschließlich komplementbindende, lymphozytäre Antikörper detektiert. Der Test ist nicht spezifisch für HLA-Antikörper und setzt zwingend vitale Spenderlymphozyten voraus. Non-HLA-Antikörper, die u. U. zu einem positiven LCT-Kreuztest (LCT-XM) führen können, sind nicht zwangsläufig mit verringertem Transplantatüberleben assoziiert. Therapeutische Antikörper interferieren zudem signifikant mit dem LCT-Testprinzip und führen beispielsweise im Fall des anti-CD20-monoklonalen Antikörpers Rituximab zu falsch-positiven Kreuztestergebnissen.
Festphasenassays
Um die genannten Nachteile des LCT zu eliminieren wurden ab den 1990ern Festphasenassays (Solid Phase Assays, SPA) entwickelt, bei denen HLA-Moleküle auf Mikrotiterplatten oder Mikrokügelchen aufgetragen wurden [2]. Heutzutage finden SPA auf Basis von Mikrokügelchen sog. Single Antigen Beads (SAB), die eine höhere Sensitivität und Spezifität im Nachweis von HLA-Antikörpern aufweisen als der LCT, breite Anwendung. HLA-Antikörper können mittels SAB entsprechend ihrer allelischen Antigenspezifität (z. B. HLA-B*27:05), dem Isotyp bzw. Subtyp (z. B. IgM, IgG1) und der Effektorwirkung (z. B. Komplementbindung) charakterisiert werden. Aber auch wenn die genannten Charakteristika detektierbarer HLA-Antikörper einbezogen wurden, konnte bis heute jedoch noch keine eindeutige Signatur transplantationsrelevanter Antikörper identifiziert werden. Trotz ihrer vielen Vorteile sind SAB also nicht frei von Fehlern [3] – insbesondere in Bezug auf die richtige Antigenkonformation auf den Mikrokügelchen und die Interferenz durch Komplement. Durch die rekombinante Expression und das Aufbringen der Antigene auf die Mikrokügelchen kommt es teilweise zu einer Konformationsänderung der HLA-Moleküle, die direkt die Bindungsfähigkeit von Antikörpern beeinflusst. Die Komplementinterferenz führt dazu, dass die Detektion von HLA-Antikörpern durch Komplementprodukte verhindert wird. Es existieren jedoch bereits etablierte Methoden, um beispielsweise durch Zugabe von EDTA die Aktivierung von Komplement während des Testansatzes zu verhindern. Aufgrund ihrer signifikanten Vorteile haben die SAB dennoch unser Verständnis von HLA-Antikörpern vor und auch nach NTX sowie deren Einfluss auf das Transplantatüberleben revolutioniert [4]. Die immunologische Nachsorge durch routinemäßiges Posttransplant-Monitoring von HLA-Antikörpern gehört in vielen Transplantationseinheiten heutzutage zum Standard, um De-novo-HLA-Antikörper gegen das Spenderorgan, die zu vermindertem Transplantatüberleben führen können, zu detektieren [5].
Typisierung
Nicht nur Methoden zum HLA-Antikörpernachweis, sondern auch Methoden zur Antigenbestimmung (Typisierung) haben sich in den vergangenen Jahren signifikant gewandelt. Serologische Typisierungsmethoden sind inzwischen molekulargenetischen gewichen, wodurch gering exprimierte, serologisch nicht erfassbare HLA-Merkmale ins Interesse der Immungenetiker rückten. Das Verständnis über die vormals als nicht transplantationsrelevant erachteten Antigene der Genorte (Loci) HLA-C und -DPB1 wuchs gleichermaßen. Heutzutage werden Antigene der elf Genorte HLA-A, -B, -C, -DRB1, -DRB3, -DRB4, -DRB5, -DQA1, -DQB1, -DPA1 und -DPB1 für klinisch relevant befunden, sodass Spender und Empfänger von Nierentransplantaten zukünftig für alle genannten Loci typisiert werden müssen. Dazu steht aktuell ein ausgereiftes Portfolio an molekulargenetischen Methoden zur Verfügung. Insbesondere die Sequenzierung mittels Next Generation Sequencing (NGS) ermöglicht es, allelische Genvarianten aller elf Loci mit hohem Durchsatz und verbesserter Präzision zu bestimmen. Derzeit muss noch mit einer (zu langen) Bearbeitungszeit von ca. 24 bis 36 Stunden für die HLA-Typisierung mittels NGS gerechnet werden, aber es wird mit Nachdruck daran gearbeitet, diese zu reduzieren. In Zukunft wird es wahrscheinlich möglich sein, verstorbene Organspender in einem Zeitfenster von vier Stunden zu typisieren. Derzeit steht hierfür lediglich die Echtzeit-Polymerasekettenreaktion (Real-time PCR) zur Verfügung.
Wieviel Aufwand muss jedoch betrieben werden, um die HLA-Antigene zu bestimmen? Aufgrund der oben beschriebenen Entwicklungen bei der Bestimmung der HLA-Antikörper hin zu allelischen Spezifitäten ist es unabdingbar, dass auch die HLA-Typisierung Ergebnisse auf einem vergleichbaren Niveau liefert. Zumal die Aminosäuresequenz des Antigens, d. h. das Immunogen, erst durch die hochauflösende HLA-Typisierung mittels Sequenzierung beschrieben werden kann.
Epitope
Bei der Antigen-Antikörper-Reaktion erkennt der Antikörper das Antigen an einem räumlich definierten Teilbereich (Epitop). Das bedeutet, dass Antikörper lediglich mit wenigen Aminosäuren in ihrer quartären Struktur interagieren und die Spezifität bestimmen. Die umgebenden Aminosäuren stabilisieren hierbei den Antigen-Antikörper-Komplex. Der ausgeprägte Polymorphismus der HLA-Moleküle ist das Resultat zahlreicher Einzelnukleotid-Mutationen: HLA-Moleküle unterscheiden sich untereinander in Teilbereichen und weisen in anderen Bereichen Homologien auf. Somit erklärt sich, warum HLA-Antikörper i. d. R. nicht gegen ein einzelnes Antigen, sondern eine variable Anzahl an Antigenen gerichtet sind, die ein gemeinsames Epitop aufweisen (Abb. 1).