Nephropathologie - Aufgabe für Spezialisten

In der Nephropathologie kommen zahlreiche Färbemethoden sowie auch die Elektronenmikroskopie zum Einsatz. Einheitliche Terminologie und Klassifikation ermöglichen es, ein Histologie-basiertes prognostisches System zu entwickeln, internationale Studienergebnisse zu vergleichen und eine verbesserte Risikostratifizierung vorzunehmen.

Schlüsselwörter: Triple-Diagnostik, Immunhistologie, BANFF, RPS, Oxford, Glomerulonephritis, Nierentumoren

Die Nephropathologie hat sich in den letzten 40 bis 50 Jahren als Subdisziplin der Pathologie entwickelt: Da sie spezielles Fachwissen sowie auch eine besondere technische Ausstattung erfordert, wird sie nicht an allen pathologischen Instituten vorgehalten. Die Geschichte der Nephropathologie bzw. im engeren Sinne der spezialisierten histopathologischen Untersuchung von Nierenbiopsien beginnt mit der erstmaligen Anwendung bzw. Durchführung einer Nierenbiopsie im Jahre 1958 [1]. Sie löste damit die ​
– seit dem Mittelalter gängige – Praxis der Harnschau als diagnostisches Instrument für Nierenerkrankungen ab. Zur Beurteilung der spezifischen Nierenveränderungen sind spezielle Techniken wie die Immunfluoreszenz oder Immunhisto­logie und die Elektronenmikroskopie  notwendig, für welche die Untersuchung von Nierenbiopsien heutzutage eine der wenigen verbliebenen routinemäßigen Anwendungen darstellt. In Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum entwickelte sich das Fach durch die entsprechenden Persönlichkeiten (Professoren Zollinger und Bohle bzw. ihre Schüler, die Professoren Mihatsch und Helmchen), die sich vorwiegend mit dieser Disziplin beschäftigten und in ihren Laboren die entsprechenden technischen und personellen Voraussetzungen für eine professionelle und effiziente nephropathologische Diagnostik schufen.

Triple-Diagnostik

 

Standardisierte Aufarbeitung von Eigennierenbiopsien

Die standardisierte routinemäßige Aufarbeitung [2, 3] von in Formalin (oder seltener frisch) eingesandtem Nierenbiopsiematerial beginnt mit der sorgfältigen Inspektion des Gewebezylinders unter dem Durchlichtmikroskop. Hier wird die  Frage der Größe und Repräsentativität des Stanzzylinders – also ob genügend Glomeruli erfasst sind – beantwortet. Ist dies der Fall, so wird ein kleiner Anteil des Zylinders für elektronenmikroskopische Untersuchungen abgetrennt und in Glutaraldehyd weiterfixiert. Das restliche Material wird in Paraffin eingebettet und es werden, je nach Protokoll, unterschiedlich viele Schnittstufen für Standardfärbungen (HE, PAS, Abb. 1 A, D), Spezialfärbungen (SFOG, Silber, Siriusrot, EvG, Kongorot) und die immunhistologischen Standardfärbungen (IgA, IgG, IgM, C1q und C3c, Abb. 1 B, E) angefertigt. Die histologische Standardfärbung mit HE und PAS erfolgt in der Regel innerhalb von Stunden, während die ergänzenden immunhistologischen Färbungen am nächsten Tag, und die elektronenmikroskopischen Untersuchungen (Abb. 1C, F) in den nächsten Tagen abgeschlossen werden. Am Ende steht eine Diagnose, die die Gesamtheit der licht- und immunhistologischen Befunde sowie der Elektronenmikroskopie(EM)-Ergebnisse berücksichtigt.

Besonderheiten der Aufarbeitung von Nierentransplantatbiopsien

Die Aufarbeitung von Biopsien aus Nierentransplantaten folgt im Prinzip nach dem gleichen Schema, wobei nur unter bestimmten Bedingungen (klinische Angabe einer relevanten Proteinurie, V. a. humorale Abstoßung oder Rezidiv der Grunderkrankung, oder Standortbestimmung nach mehreren Jahren) primär Material für die EM entnommen wird. Auch werden nicht in jedem Fall die o. g. immunhistologischen Untersuchungen durchgeführt, aber jede Transplantatnierenbiopsie wird mit Antiköpern gegen C4d (Marker der humoralen Abstoßung) und SV40 (Marker einer Polyomavirus-Nephropathie) gefärbt.

Klassifikationen in der Nephropathologie

Aus anderen Bereichen der Pathologie sind Klassifikationssysteme schon lange als wichtige Bestandteile zur Abschätzung der Prognose, zur Therapiestratifikation und -adaptation und v. a. auch zur Standardisierung der Befunde zwischen verschiedenen Zentren bekannt. Vergleichbare Entwicklungen gab es in den letzten Jahren auch in der Nephropathologie, wobei hier insbesondere die bereits 1997 offiziell begründete BANFF-Klassifikation der Nierentransplantatabstoßung [4, 5] und in den letzten 10 Jahren auch die sogenannte Oxford-Klassifikation der IgA-Nephropathie [6] Vorreiterrollen eingenommen und große klinische Bedeutung gewonnen haben. Auch in der Renal Pathology Society (RPS) und der Nephropathology Working Group der European Society of Pathology (ESP) beschäftigen sich derzeit diverse Arbeitsgruppen mit der Definition der verschiedenen renalen Läsionen und der Standardisierung nephropathologischer Befunde. Einige dieser Aspekte wurden als sog. Mayo-Klinik/Renal Pathology Society (RPS) Consensus Report veröffentlicht [7]. Weitere Empfehlungen für die Aufarbeitung und Auswertung renaler Biopsien stammen von einer Kommission der RPS, die bereits 2004 ins Leben gerufen wurde [8]. Sie enthalten detaillierte Angaben zur Fixierung und Aufarbeitung von Nierenbiopsien und empfehlen deren Untersuchung mittels Lichtmikroskopie (LM), Immunfluoreszenz (IF) bzw. Immunhistologie (IH) sowie Elektronenmikroskopie durch einen erfahrenen Pathologen. Empfehlungen bezüglich der genauen Formulierung der Diagnosen und weiteren notwendigen Elementen, die ein nephropathologisches Gutachten enthalten sollte, fehlten aber. Daher versuchte eine weitere Kommission der RPS im Jahr 2012 einen Minimalstandard für das Erstellen von Nierenbiopsiebefunden zu erarbeiten [9]. Diese sollten neben den klinischen Daten und der Makroskopie eine detaillierte Beschreibung der glomerulären, tubulointerstitiellen und vaskulären Läsionen in der LM und EM sowie Intensität, Lokalisation und Färbemuster für jeden Antikörper in der IF/IH enthalten. Im Jahr 2016 folgte dann die o. g. Empfehlung zur Klassifikation und Berichterstattung von Glomerulonephritiden (GN) [7]. Diese legt Wert auf eine Pathogenese-basierte GN-Klassifikation und sollte so eine bessere Hilfestellung bei Therapie und Management der Patienten bieten. Die vorgeschlagene Struktur des nephropathologischen Gutachtens enthält die folgenden Elemente: Probentyp, Diagnose, Kommentar, klinische Angaben, makroskopische Beschreibung, LM-/IF-/EM-Beschreibung und einen Anhang für spezielle Untersuchungen. Zusätzliche Merkmale wie z. B. der Anteil an global sklerosierten Glomeruli (absolut oder in %), das Ausmaß der interstitiellen Fibrose und tubulären Atrophie (in %) und der vaskulären Läsionen (gering – mittel – schwer) sollen explizit erwähnt werden, da das Ausmaß dieser chronischen Läsionen eine wichtige Bedeutung bei der Einschätzung der Prognose und der Irreversibilität hat.
Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Empfehlung ist der Vorschlag, die Definitionen für glomeruläre Schädigungen von der Oxford-Klassifikation der IgA-Nephropathie [6] zu übernehmen und die Schädigungsmuster der GN wie in der ISN/RPS Lupus-Klassifikation zu definieren [10]. Dieser Ansatz, bereits existierende Klassifikationssysteme zu nutzen, vereinfacht die Verwendung einer einheitlichen und reproduzierbaren nephropathologischen Terminologie und Klassifikation und kann dazu beitragen, für bestimmte GN ein Histologie-basiertes prognostisches System zu entwickeln, internationale Studienergebnisse zu vergleichen und eine verbesserte Risikostratifizierung zu ermöglichen.

Diagnostik und Therapie ausgewählter Erkrankungen

IgG4-assoziierte Nierenerkrankungen: Immunglobulin-G4(IgG4)-assoziierte Erkrankungen verschiedener Organe rückten in den letzten Jahren zunehmend in den klinischen Fokus [11]. Es handelt sich hierbei um sog. fibroinflammatorische Multiorgan- bzw. Systemerkrankungen, die vorrangig eine autoimmune Genese besitzen und unter anderem auch die Niere in unterschiedlicher Ausprägung (interstitielle Nephritis, membranöse Glomerulonephritis) betreffen können [12]. Diagnostisch wegweisend sind hierbei eine deutlich vermehrte Anzahl IgG4-exprimierender Plasmazellen und eine erhöhte IgG4/IgG-Ratio bei storiformen Vernarbungen im Gewebe in Kombination mit u. a. signifikant erhöhten IgG4-Serumspiegeln und einer typischen Bildgebung. Die Erkrankungen zeigen üblicherweise ein sehr gutes Ansprechen auf Steroidgabe bzw. eine intensivierte Immunsuppression.

Nierenerkrankungen bei monoklonaler Gammopathie – monoklonale Gammopathie renaler Signifikanz (MGRS): Der 2012 neu eingeführte Begriff der „monoklonalen Gammopathie renaler Signifikanz (MGRS)“ [13] bildet den Überbegriff einer Vielzahl an unterschiedlichen Nierenerkrankungen, die mit monoklonalen Gammopathien (MG) assoziiert sein können ohne dass die diagnostischen Kriterien einer hämatologischen Neoplasie gegeben sind. Der neue Krankheitsbegriff stellt hierbei eine Brücke zwischen onkologischen und nephrologischen Aspekten einer MG dar, und erlaubt erstmals die Therapie von lediglich auf die Niere begrenzten Manifestationen einer klonalen B-Zell-/Plasmazellerkrankung. In der diesbezüglich grundlegenden Arbeit von Bridoux und Mitarbeitern [14] werden neben dem Spektrum der MGRS auch diagnostische und therapeutische Algorithmen vorgestellt und diskutiert.

Komplement-vermittelte Nierenerkrankungen: Neben der Nierenbeteiligung beim atypischen hämolytischen urämischen Syndrom (aHUS), dem Prototyp einer Erkrankung durch Überaktivierung des alternativen Komplementweges, wurden in den letzten Jahren mehrere andere Komplement-vermittelte Nierenerkrankungen identifiziert bzw. neu definiert. Zu diesen zählt beispielweise die C3-Glomerulopathie (C3-GP) als eine glomeruläre Erkrankung, die ebenfalls infolge einer Überaktivierung des alternativen Komplementweges entsteht und sich in zwei Subtypen gliedert: die früher als membranoproliferative Glomerulonephritis (MPGN) Typ 2 bekannte sog. Dense Deposit Disease (DDD, Abb. 3) und die neu definierte C3-Glomerulonephritis (C3-GN).

 

Klinisch wichtige Auswirkungen der Entdeckung und Definition neuartiger pathophysiologischer Konzepte sind neue therapeutische Ansätze, z. B. mit spezifischen Hemmern des Komplementsystems.
Nierentumoren: Eine enge Schnittstelle mit der Uropathologie stellt das Gebiet der Nierentumoren dar, welches sich in den letzten Jahren rasant entwickelt und zahlreiche neue Entitäten hervorgebracht hat [15]. Durch die verbesserte Einteilung der Nierentumoren, insbesondere auch im Hinblick auf ihr biologisches Verhalten und ihre Prognose, werden zunehmend von Urologen, Radiologen aber auch Nephrologen Nierentumorbiopsien im Vorfeld einer therapeutischen Entscheidung entnommen. Alternativ können Nierentumoren natürlich auch als Zufallsbefunde in einer aus anderen Gründen erfolgten Nierenbiopsie erfasst sein und bedürfen dann ebenfalls der weiteren Aufarbeitung.

Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

Digitale Pathologie: Die Analyse von Nierenbiopsien eignet sich hervorragend für die Technik der digitalen Pathologie, sodass es nicht verwundert, dass automatische Bildanalyse, Segmentierung, Deep Learning und Methoden der künstlichen Intelligenz sowie digitale Archivierung bereits an Nierenbioptaten erprobt und mittlerweile auch schon standardisiert werden.
Implementierung molekularer Methoden und Befunde: Wie in anderen Bereichen der Pathologie wird derzeit untersucht, inwieweit die etablierten morphologischen, immunhistologischen und elektronenmikroskopischen Befunde durch molekulare Untersuchungen ergänzt und verbessert werden können. Wegweisend ist hier die Aufnahme molekularer Parameter in den Algorithmus zur Diagnose Antikörper-vermittelter Nierenabstoßungen in der Banff-Klassifikation [16].

Fazit

Die Nephropathologie hat sich in den letzten 50 Jahren zu einer Subspezialisation in der Pathologie entwickelt, die in ihrer Breite ein fundiertes klinisches Wissen zu Nierenerkrankungen, profunde Kenntnisse der Nierenanatomie und -physiologie und eine spezielle technische Ausrüstung inkl. der Elektronenmikroskopie erfordert. Diese Erfordernisse hatten zur Folge, dass sich in Deutschland an einigen pathologischen Instituten spezialisierte Zentren für Nephropathologie entwickelten, die einen Großteil der Nierenbiopsien bearbeiten und auch für konsiliarpathologische Fragestellungen im Bereich der Nephropathologie zur Verfügung stehen.

Autor
Prof. Dr. Kerstin Amann
Abt. Nierenpathologie, Patholog. Institut
Krankenhausstr. 8–10, 91054 Erlangen
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