CAPS, TRAPS und Co.

Seltene Autoinflammatorische Erkrankungen (AID) – Periodische Fiebersyndrome

Trillium Diagnostik 2018; 16(4): 278-281

Autoinflammatorische Erkrankungen, wie z. B. das familiäre Mittelmeerfieber oder das Cryopyrin-assoziierte periodische Syndrom, können durch eine gestörte Aktivierung des angeborenen Immunsystems zu einer überschießenden Entzündungsreaktion führen. Mutationen im Erbgut führen zu veränderten Genprodukten, und diese wiederum zur Produktion pro-inflammatorischer Zytokine. Durch Fortschritte in der Genetik konnten neue hocheffektive Therapien für bisher kaum behandelbare Erkrankungen gefunden werden.  

Schlüsselwörter: Inflammasom, Pyrin, Cryopyrin, CAPS, TRAPS, MKD, PAPA-Syndrom

Unter dem Begriff Autoinflammatorische Syndrome (autoinflammatory diseases, AID) werden eine Reihe von erblichen und nicht-erblichen Erkrankungen zusammengefasst, die sich pathophysiologisch v. a. durch eine gestörte Aktivierung des Immunsystems und einer damit verbundenen überschießenden Entzündungsreaktion auszeichnen. Sie manifestieren sich meist bereits im Kindesalter. Ursache ist z. B. eine gesteigerte Ausschüttung von pro-inflammatorischen Zytokinen wie IL-1. Klinisch treten häufig rezidivierende Fieberschübe und ausgeprägte serologische Entzündungszeichen, die u. a. zu Symptomen an Haut, serösen Häuten, Schleimhäuten und Gelenken führen, auf. Daher spielen diese Erkrankungen in der Differenzialdiagnose des Fiebers unklarer Genese eine wichtige Rolle – insbesondere, wenn es sich um rezidivierende Fieberschübe handelt. 

Das („unspezifische“) Immunsystem bietet einen sofortigen Schutz gegen sogenannte Gefahrensignale („danger signals“). Eine Vielzahl von Rezeptoren erkennt die Erreger anhand von hoch konservierten Strukturen ihrer Zellmembran, welche man als PAMPs („pathogen-associated molecular pattern“) bezeichnet. Auch endogene Gefahrensignale (sog. Alarmine), z. B. fehlerhaft gefaltete Proteine, sind erkennbar. Unter dem übergeordneten Begriff „damage-associated molecular patterns“ (DAMPs) fasst man alle diese Trigger zusammen, die durch die Bindung an spezielle Rezeptoren beispielsweise zur Zytokinsekretion oder zum Zelluntergang (Apoptose) führen.

Die Rezeptoren sind als „Toll-like Rezeptoren“ (TLR) in der Zellmembran oder wie z. B. die sog. NLR („nucleotide-binding domain, leucine-rich family“) auch intrazellulär lokalisiert. Zu diesen gehören eine Reihe von Proteinen wie NOD („nucleotide bind­ing and oligorimerisation domain“) und NTPasen (Nukleosid-Triphosphatasen). 

Zytoplasmatische Komplexe, die meist aus vielen dieser Proteine aufgebaut sind und eine wichtige Rolle in der Entzündungsreaktion spielen, werden als „Inflammasom“ bezeichnet (Abb. 1). Ein typisches Inflammasom besteht aus einem Rezeptor, mehreren Adapterproteinen und einem oder mehreren inflammatorischen Proteasen (Caspasen). Das Inflammasom kann durch exogene und endogene Schadstoffe aktiviert werden, beispielsweise durch Endotoxin bei bakteriellen Infektionen oder Harnsäurekristalle bei Gichtpatienten. 

Viele AID werden durch Mutationen in Genen von Proteinen, die am Aufbau von Inflammasomen beteiligt sind, verursacht. Die mutierten Proteine führen dabei oft zu einer Autoaktivierung des Inflammasoms und zu einer Überproduktion von IL (Interleukin)-1β (Tab. 1) [1, 2].

FMF

Die mit Abstand häufigste AID mit primärer Dysfunktion des Inflammasoms ist das Familiäre Mittelmeerfieber (FMF). Es wird autosomal-rezessiv vererbt und betrifft überwiegend Menschen aus dem Mittelmeerraum. Die Prävalenz in diesen Gruppen wird mit 1/200 bis 1/1.000 angegeben. Es finden sich verschiedene Mutationen im MEFV-Gen. Einige dieser Mutationen führen zu einem frühen Krankheitsbeginn und sind mit einem hohen Risiko einer renalen Amyloidose assoziiert. Allerdings wird für deren Entstehung auch Umwelteinflüssen eine große Bedeutung beigemessen. Das vom MEFV-Gen kodierte Protein Pyrin konkurriert im Inflammasom u. a. mit Cryopyrin um die Bindung an ein weiteres Protein und unterdrückt dadurch die Umwandlung von pro-IL-1β zu IL-1β. Beim mutierten Pyrin ist diese Bindung vermindert oder aufgehoben, sodass es zu einer gesteigerten IL-1β-Produktion kommt.

Zu den ersten Krankheitsmanifestatio­nen kommt es meist im vierten Lebensjahr. Typisch sind rekurrierende, selbstlimitierende Fieberschübe über drei bis vier Tage, Serositis mit abdominellen oder pleuritischen Schmerzen, Arthritis und Hautausschlägen. Das fieberfreie Intervall variiert zwischen einer Woche und drei bis vier Monaten. Die abdominelle Symptomatik kann klinisch als akutes Abdomen oder eine Appendizitis imponieren: Bei älteren Patienten wurde häufig schon eine Appendektomie durchgeführt, ohne dass die wirkliche Ursache für die Beschwerden gefunden werden konnte. Viele gängige diagnostischen Methoden erfassen nicht alle Mutationen, die das FMF auslösen können. Ein fehlender Mutationsnachweis kann daher die Erkrankung nicht immer sicher ausschließen.

CAPS

Das Cryopyrin-assoziierte periodische Syndrom wird durch Mutationen im CIAS-1-(„cold-induced autoinflammatory syndrome-1“)-Gen verursacht, welches für Cryopyrin kodiert. Cryopyrin ist Teil eines Inflammasoms und hemmt, ebenso wie Pyrin, die Synthese von IL-1β. Die Mutationen des Cryopyrins führen zu einer Autoaktivierung des Inflammasoms in Abwesenheit exogener Stimuli und zu einer verstärkten Synthese von IL-1β. In Tab. 1 sind unter CAPS zusätzliche drei sehr seltene hereditäre Sonderformen aufgeführt.

MKD

Beim Mevalonatkinasemangel (MKD), auch als Hyper-IgD-Syndrom bezeichnet, kommt es zu einer sekundären IL-1-Dysregulation. Neben den plötzlich einsetzenden Fieberschüben kann die Krankheit u. a. mit einer Lymphadenopathie, abdominellen Schmerzen, Durchfall und Erbrechen, Arthralgien und einem morbilliformen Exanthem einhergehen. Die Krankheitsschübe treten oft schon in den ersten Wochen nach der Geburt auf, dauern etwa drei bis sieben Tage und wiederholen sich meist alle vier bis acht Wochen. 

Die Diagnose kann bei einem mindes­tens zweimaligen Nachweis erhöhter Serum-IgD-Spiegel (> 100 E/ml) im Abstand von vier Wochen vermutet und durch den Nachweis einer erniedrigten MVK-Aktivität bestätigt werden. Man muss aber beachten, dass im Einzelfall die IgD-Spiegel, v. a. bei Kleinkindern, im Referenzbereich liegen können. In 80% der Fälle ist IgA ebenfalls erhöht.

TRAPS

Beim TNFR-assoziierten periodischen Syndrom (TRAPS) liegt eine Mutation im TNFRSF1A-Gen vor, das für den extrazellulären Teil des Tumor-Nekrose-Faktor-Rezeptors (TNFR-p55) kodiert. Das TNFR1-Protein ist ein membrangebundener Rezeptor, der von vielen Zellen durch sogenanntes „shedding“ abgelöst werden kann und überschießende Entzündungsvorgänge durch TNF-α-Blockade eindämmt. Aufgrund der Wirksamkeit von IL-1-Rezeptorantagonisten bei der Erkrankung erscheint eine Beteiligung von IL-1β wahrscheinlich. 

TRAPS beginnt schon in der frühen Kindheit mit Fieberschüben über Zeiträume von ein bis vier Wochen mit lokalen und systemischen Entzündungszeichen. Meist kommt es zu einem ödematösen Erythem am Stamm und den Extremitäten mit ausgedehnten Hautläsionen. In der Histologie findet man ein perivaskuläres Infiltrat mononukleärer Zellen. Weitere Krankheitssymptome sind u. a. eine Fasziitis und Myalgien, Arthralgien, kolikartige abdominelle Schmerzen, Konjunktivitis und Lymphadenopathie. 

PAPA

PAPA steht für „Pyogene sterile Arthritis, Pyoderma gangraenosum, Akne“. Mutationen im PSTPIP1-Gen führen zu einem komplexen Krankheitsbild, bei dem die Bindung des PSTPIP1-Proteins an Pyrin stark erhöht und somit der inhibitorische Effekt des Pyrins auf die Produktion von IL-1β vermindert ist. Meist im frühen Erwachsenenalter tritt eine schwere, zystische Akne auf, oft begleitet von einer granulozytären, sterilen Oligoarthritis, die destruierend verlaufen kann. Zusätzlich können eine Pyoderma gangraenosum und sterile Abszesse an Injektionsstellen auftreten.

Blau-Syndrom

Das Blau-Syndrom wird durch eine Mutation der CARD 15 („caspase recruitment domain“) bzw. NOD2 („nucleotide-binding oligomerization domain containing 2“) Gen verursacht. Diese Mutation findet sich auch bei einem Teil der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und bei der Sarkoidose im Kindesalter. Klinische Symptome treten vor dem 10. Lebensjahr auf: Es finden sich granulomatöse Entzündungen der Haut, Augen und Gelenke.

Polygenetische Syndrome

Neben den sehr seltenen, aber meist genetisch über spezifische Mutationen gut definierten Fiebersyndromen gibt es eine Reihe polygenetischer Syndrome, die pathophysiologische Gemeinsamkeiten wie Autoinflammation aufweisen. Dazu zählen z. B. die Gicht, SJIA (systemische juvenile idiopathische Arthritis) und der M. Behcet. Hier wird es in Zukunft sicher noch interessante Entwicklungen und Fortschritte in der Therapie geben, wenn die Puzzlesteine zwischen Mutationen und klinischer Manifestation ein schärferes Bild ergeben [3].

Diagnostik

Für die Einschätzung, ob bei einem Patienten mit periodischem Fieber eine genetische Ursache zugrunde liegen könnte, hat sich ein diagnostischer Score der „Pediatric Rheumatology International Trials Organisation“ (PRINTO) als hilfreich erwiesen (Tab. 2). Er bezieht sich auf Kinder mit periodischem Fieber, ist aber teilweise auch auf Erwachsene anwendbar. Er beinhaltet die Familienanamnese und Symptome wie abdominelle Schmerzen, Thoraxschmerzen, Diarrhö sowie orale Aphthose. Einen Leitfaden zur weiteren Aufklärung gibt ein Algorithmus zum dia­gnostischen Vorgehen bei Verdacht auf monogene periodische Fiebersyndrome (Abb. 2) [5].

Therapie 

Durch die Therapie versucht man primär die überschießende Entzündung zu hemmen. Daher kommen hier immunsuppressive und antientzündliche Medikamente zum Einsatz, insbesondere Nicht-Steroidale-Anti-Rheumatika wie Diclofenac, Ibuprofen und ASS sowie Steroide. In einigen Fällen, z. B. beim FMF, wirkt Colchicin sehr gut. 

Fortschritte in der Genetik über Erkenntnisse zur Pathophysiologie, Diagnostik und Klassifikation dieser Erkrankungen führten aber in den letzten Jahren zum erfolgreichen Einsatz von hocheffektiven, gezielten, neuen Therapien. Der klinische Einsatz von TNF- und IL-1-Antagonisten ist ein gutes Beispiel dafür, wie die zuvor oft schwer behandelbaren autoinflammatorischen Systemerkrankungen beherrschbar werden und schwerste Folgeschäden wie z. B. syste­mische AA-(Amyloid A)-Amyloidosen verhindert werden können.     

Autor
Prof. Dr. med. Rudolf Gruber
Mitglied der Redaktion
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