Klassik trifft Pop

Lebererkrankungen

Fast alle Auslöser chronischer Leber­erkrankungen vom Alkoholmissbrauch über Virusinfektionen bis zu Autoantikörpern führen bei langem Verlauf zum selben klinischen Endstadium: der Leberzirrhose. Sie ist, wie im Bild unschwer zu erkennen, durch eine massiv gestörte Gewebestruktur mit übermäßiger Bindegewebsbildung (Fibrose) und narbigen Knoten gekennzeichnet. Und ohne Organtransplantation führt sie zum Tod im Leberversagen.
Allein aus dieser kurzen Beschreibung wird verständlich, warum das Hintergrundbild auch fast alle Themen unseres Heftschwerpunkts „Lebererkrankungen“ adressiert – von den Laborwerten, die den Übergang in die Fibrose und Zirrhose kennzeichnen (S. 122), über die häufige B-Hepatitis (S. 130) und die seltene Auto­immunhepatitis (S. 125) bis zur fairen Zuteilung von Spenderorganen bei der Lebertransplantation (S. 133).

Der Reiz der Gegensätze

Die Überschrift „Klassik trifft Pop“ stammt aus einer völlig anderen Welt: Unter diesem Titel firmiert eine erfolgreiche Konzertserie, deren Programm „vermeintlich Gegensätzliches aus verschiedenen Jahrhunderten vermischt“ und aus dieser Bandbreite ihren besonderen Reiz bezieht (www.classicmeetspop.de).
Doch das Motto charakterisiert auch die aktuelle Situation der „Leberdiagnostik“. Dieses Wort klingt nach letztem Jahrhundert, nach Grundkurs Klinische Chemie und Auswendiglernen von Stoffwechselwegen. Das stimmt auch: Mitte des letzten Jahrhunderts läuteten die Transaminasen den Aufstieg der Klinischen Chemie als eigenständiges Fachgebiet ein, weil sie klinisch stumme Erkrankungen anzeigten, lange bevor die tastende Hand des Arztes den harten Leberrand spürte. Und heute? Sind im 21. Jahrhundert zu dieser Thematik noch irgendwelche Fragen offen?

Von Nekroptose bis Data Mining

In der neuen S2k-Leitlinie Autoimmune Lebererkrankungen (AILD) von 2017 hat sich jedenfalls gegenüber den Empfehlungen von 1954 zur Diagnostik und Therapiekontrolle bei der Autoimmunhepatitis (AIH) wenig geändert (S. 125). Aber im Laufe der Jahre wurden immer mehr Zielantigene entdeckt, und die bislang unterschätzte Beteiligung von T-Zellen an der Pathogenese der AIH wird neu gewichtet.
Dendritische Zellen, CD8+-T-Zellen, hypermutierende B-Zellen, IFN-γ, TNF-α und andere Klassiker der Immunologie konzertieren heute gemeinsam  mit jungen Spielern wie etwa MLKL (mixed lineage kinase domain-like protein) und PGAM5 (eine mitochondriale Phosphoglycerat-Mutase), um den geschädigten Leberzellen das „Lied vom Tod“ – in der Fachsprache programmed necrosis oder Nekroptose – zu spielen [1,2]. Noch passen solch „poppige“ Biomarker nicht zum CME-Fragebogen auf S. 129, aber das könnte sich ändern.
Ein bisschen Pop bieten wir sogar beim scheinbar abgestandenen Klassiker der Referenz­intervalle (S. 122). Jeder weiß, dass das Labor die Grenzwerte nicht einfach aus dem Beipackzettel abschreiben darf, sondern an gesunden Kontrollpersonen überprüfen muss – und so gut wie niemand hält sich daran. Es ist einfach zu umständlich und zu teuer.
Nun hat eine IFCC-Empfehlung vom April 2018 endlich die Tür für eine zeitgemäße Lösung geöffnet. Das Stichwort heißt „Data Mining“, und der Vorteil ist, dass man anstelle von Blutspendern, MTAs oder anderen Freiwilligen nur noch die richtigen Algorithmen benötigt. Wer mehr darüber wissen möchte, dem empfehlen wir die auf S. 124 beschriebene Workshop-Reihe.

Autor
Mitglieder der Redaktion: Prof. Dr. med. Georg Hoffmann
Dr. med. vet. Sabine Ramspott
Prof. Dr. med. Rudolf Gruber
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