Spezifische Tests verbessern die Diagnostik

CME Beitrag: Autoimmune Lebererkrankungen

Die Primären Autoimmunerkrankungen der Leber sind die Autoimmunhepatitis (AIH), die Primär Biliäre Cholangitis (PBC) und die Primär Sklerosierende Cholangitis (PSC). Für die Differenzialdiagnostik stehen neben interventionellen Diagnosemöglichkeiten (Histologie, Radiologie) Tests zur Bestimmung sehr spezifischer Autoantikörper zur Verfügung.

Schlüsselwörter: Autoimmunhepatitis, Cholangitis, AMA, LKM, ANCA

Die Diagnose einer autoimmunen Lebererkrankung ist für die Betroffenen oft ein schwerwiegender Einschnitt im Leben, der eine lebenslange Therapie und im Extremfall eine Lebertrans- plantation in Aussicht stellt. Wie der Name vermuten lässt, gibt es wissen- schaftlich fundierte Hinweise auf eine ätiopathogenetische Beteiligung des Immunsystems; dennoch sind Forscher der genauen Ursache immer noch auf der Spur.

Die Symptomatik bei der Primärvor- stellung des Patienten ist oft unspezifisch. Sie reicht von Müdigkeit und Abgeschla- genheit bis zu Ikterus und Fieberschüben und bietet viele differenzialdiagnostische

Möglichkeiten. Doch viel Zeit für Speku- lationen bleibt nicht, denn die Diagnose muss rasch gestellt werde, um vermeid- bare, irreversible, Schäden und Folgeer- krankungen zu vermeiden. Wegweisend ist dabei stets der Nachweis von Autoan- tikörpern (Abb. 1).

Einteilung

Die drei Hauptformen primär autoimmuner Lebererkrankungen (Autoimmune liver diseases – AILD) sind die

  • Autoimmunhepatitis (AIH)
  • primär biliäre Cholangitis (PBC)
  • primär sklerosierende Cholangitis (PSC)

Selten finden sich auch Überlappungssyndrome (overlap syndromes) der Erkrankungen. So weisen 10% der Patienten mit AIH Ähnlichkeiten mit PBC oder PSC auf, letzteres vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Über die Überlappung von PSC/PBC liegen hingegen nur einzelne Fallberichte vor.
Die Erkennung von Überlappungssyndromen aufgrund klinischer Zeichen ist schwierig bis unmöglich. Identifiziert werden Überlappungssyndrome v. a. über den Nachweis der weiter unten im Detail vorgestellten Autoantikörper sowie die Histologie.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Bildung hepatischer Autoantikörper auch sekundär ausgelöst werden kann. Ursache sind insbesondere extrahepatische oder sys­temische Autoimmunerkrankungen, beispielsweise der systemische Lupus erythematodes [1]. Auch bei viralen Hepatitiden, etwa der Hepatitis C, wird eine sekundäre Autoantikörperbildung beobachtet [2].

Klinik

Ganz generell findet sich bei Auto­immunerkrankungen oft die typische Trias weibliches Geschlecht, deutliche Autoantikörpertiter und gutes Ansprechen auf eine immunsuppressive Therapie. Diese drei Merkmale werden allerdings nur bei der AIH, nicht aber bei den anderen beiden hepatischen Immunerkrankungen in vollem Umfang erfüllt.
Je nach dem Zielantigen der nachgewiesenen Autoantikörper wird die AIH in den häufigeren Typ 1 und den selteneren Typ 2 eingeteilt. Bei beiden Typen überwiegt das weibliche Geschlecht deutlich. Typ 1 beginnt früh, hat einen schweren Verlauf und spricht gut auf Immunsuppression an. Etwa 20% der Patienten haben einen der Virushepatitis vergleichbaren akuten Beginn.
Die AIH Typ 2 beginnt oft schon im Kindesalter, hat aber ansonsten einen Häufigkeitsgipfel im Bereich von 35 bis 65 Jahren. Der Krankheitsverlauf ist schwerer als beim Typ 1, bei der Hälfte der Patienten liegt bei der Diagnosestellung schon eine Leberzirrhose vor. Der Typ 2 hat gegenüber dem Typ 1 häufiger die Assoziation mit extrahepatischen Autoimmunsyndromen wie Thyreoiditis, Arthritis, Neuropathie oder perniziöser Anämie.
Die PBC hat ebenfalls eine hohe Prädominanz des weiblichen Geschlechts. Mittlerweile werden mehr als 60% der PBC-Fälle bereits im noch asymptomatischen Stadium entdeckt. Patienten mit klinisch manifester Erkrankung sprechen aber nur schlecht bis gar nicht auf eine immunsuppressive Therapie an.
Im Gegensatz zur AIH und der PBC, tritt eine PSC vor allem bei männlichen Patienten auf. Ihr klinisches Bild ist sehr heterogen. Anfangs sind die Patienten beschwerdefrei, mit zunehmender Dauer kommt es zu Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Pruritus und rezidivierenden Fieberschüben, welche durch eine akute Cholangitis ausgelöst werden. 

Erste diagnostische Schritte

Aufgrund der Heterogenität der auto­immunen Lebererkrankungen muss bei jedem Patienten mit erhöhten Trans­aminasen und Cholestaseparametern eine autoimmune Hepatopathie differenzial­diagnostisch in Erwägung gezogen werden. Zur Abklärung nicht-autoimmuner Ursachen einer Hepatopathie sollten abhängig von der Wahrscheinlichkeit andere Ursachen vorab ausgeschlossen werden.
Zuerst erfolgt die Bewertung klinischer Befunde wie Alkohol- und Medikamentenanamnese sowie der Konstellation der Leberwerte. Anschließend sollte die Abklärung einer chronisch viralen Hepatitis – zunächst HBsAg, Anti-HCV – erfolgen. Wenn die Befunde keine eindeutige Diagnose zulassen, sollte an eine AILD gedacht werden. Seltene Ursachen von Hepatitiden, wie etwa die Hämochromatose, der M. Wilson oder ein α1-Antitrypsinmangel, lassen sich ebenfalls durch Laboranalysen gut abklären.
Die Resultate der Serumelektrophorese sowie die Titer der Immunglobuline können erste Hinweise auf das Vorliegen einer autoimmunen Lebererkrankung liefern. Typisch ist eine elektrophoretisch nachweisbare polyklonale Hypergammaglobulin­ämie. Diese ist insbesondere bei der AIH deutlich, kann aber bei Vorliegen einer PBC weniger deutlich ausgeprägt sein und fehlt in der Regel bei der PSC. Auch die quantitative Bestimmung der Immunglobuline sollte angefordert werden und kann wertvolle Zusatzinformationen bringen. Eine selektive IgG-Erhöhung auf das mehr als 1,5-Fache der oberen Referenzgrenze ist typisch für die AIH. Eine selektive IgM-Erhöhung liegt bei den cholestatischen autoimmunen Lebererkrankungen (PBC und PSC) vor, ist bei der PBC aber stärker ausgeprägt als bei der PSC. Eine kombinierte Erhöhung von IgG und IgM wird bei Overlap-Patienten (AIH/PBC und AIH/PSC) gefunden. Eine selektive IgA-Erhöhung hingegen ist ein Hinweis auf eine toxische Leberschädigung (Alkohol, Arzneimittel, nicht-alkoholische Fettleberhepatitis).

Spezifische Autoantikörper

Insbesondere zur Diagnose von AIH und PBC wird der Nachweis spezifischer Autoantikörper herangezogen (Abb. 1). Bei bis zu 80% der PSC-Patienten werden zwar atypische Anti-Neutrophile zytoplasmatische Antikörper (aANCA) nachgewiesen; diese sind aber nicht krankheitsspezifisch und somit für die Diagnosestellung weniger relevant.  
Obwohl in den letzten Jahrzehnten viele spezifische Zielantigene für AILD-spezifische Autoantikörper beschrieben wurden, ist das in der aktuellen S2k-Leitlinie „Autoimmune Lebererkrankungen“ aus dem Jahr 2017 [3] vorgeschlagene Vorgehen praktisch unverändert gegenüber dem 1954 von Weller und Coons eingeführten Ansatz [4].
Wichtigstes primäres Untersuchungsverfahren ist der Immunfluoreszenztest (IFT) auf Gewebeschnitten, meist von Ratten (Leber, Niere, Magen) und humanen Epitheliomzellen Typ 2 (HEp-2-Zellen). Der IFT ermöglicht den Nachweis von ANA, ASMA, Anti-LKM-1 und AMA. Dabei sind keine extremen Titer zu erwarten. Bei jungen Erwachsenen muss bereits ein Titer von 1 : 80 bzw. 1 : 100 als schwach positiv eingestuft werden. Bei Kindern können sogar Titer von 1 : 40 eine Autoimmunerkrankung anzeigen. Ab einem Alter von 50 Jahren werden aber auch Titer über 1 : 320 ohne Krankheitskorrelat gefunden.
Je nach Testhersteller werden unterschiedliche Serumverdünnungen für den IFT eingesetzt, wobei Titer von 1 : 80 und 1 : 100 praktisch als identische Verdünnungen einzustufen sind. Änderungen von lediglich einer Titerstufe sind angesichts methodischer Schwankungen als nicht signifikant zu betrachten.
Aufgrund der häufig unklaren Klinik, dem Vorkommen von Overlap-Syndromen, der Schwere der Erkrankung und der therapeutischen Konsequenzen sollte für die Erstdiagnose ein breiteres Basis­programm angefordert werden (ANA, ASMA, Anti-LKM-1 und AMA). Zusätzlich ist auch ein spezifischer Immunoassay zum Nachweis von Anti-SLA/LP-Antikörpern indiziert, da diese Antikörper im Screening mittels IFT nicht nachgewiesen werden können.

Autoimmunhepatitis (AIH)

Die AIH Typ 1 zeichnet sich durch das Vorhandensein von ANA, ASMA und/oder Anti-SLA/LP-Antikörpern aus. Bei Typ 2 können stattdessen Anti-LKM-1-Antikörper nachgewiesen werden. Sind diese Autoantikörper nicht nachweisbar, so sollte die Bestimmung der Anti-LC1-Antikörper erfolgen. Diese finden sich zwar meist zusammen mit Anti-LKM-1, können in einigen Fällen aber auch als einziger Antikörper auftreten, v. a. bei Kindern mit AIH Typ 2.
Jeder Verdacht auf Anti-LKM-1-Antikörper im IFT sollte durch die Bestimmung von Anti-LKM-1 und in spezifischen Immunoassays weiter abgeklärt werden. Hier sind verschiedene Bestätigungstests kommerziell erhältlich, z. B. als Line-Blot oder ELISA (Tab. 1).
Im Einzelfall bei entsprechendem klinischem Verdacht kann auch bei negativem Ergebnis im Screening im IFT-Test ein Immunoassay auf Anti-LKM-1 sinnvoll sein, da diese Tests nicht nur spezifischer, sondern auch sensitiver als der IFT sind.

PBC

Die drei Diagnosekriterien einer PBC sind erhöhte Cholestaseparameter (AP länger als sechs Monate erhöht), Nachweis von AMA und charakteristische Histologie. Ein Experten-Konsens empfiehlt die Diagnose PBC, wenn zwei dieser drei Kriterien erfüllt sind. Da AMA der klinischen Manifesta­tion auch Jahre bis Jahrzehnte vorausgehen können, werden mittlerweile mehr als 60% der PBC-Fälle bereits im noch asymptomatischen Stadium entdeckt. In einer Kohorte von 1965 bis 1972 hingegen waren lediglich 4% der Patienten bei der Erstdiagnose klinisch asymptomatisch. Dies bedeutet aber wiederum, dass auch ein Zufalls­befund „AMA positiv“ dazu führen sollte, den Patienten regelmäßig auf eine Leberentzündung zu kontrollieren [5]. Wie bei der AIH sollte bei einem positiven Ergebnis für AMA im IFT das Vorhandensein durch einem spezifischen Immunoassay überprüft werden. Auch bei negativem AMA im IFT kann der sensitivere Immunoassay positive Ergebnisse liefern und somit einen Verdacht bestätigen.
Die Labordiagnostik der PBC hat mit der Entdeckung und Klonierung der Antimitochondrialen Autoantikörper enor­me Fortschritte gemacht. Anhand von Reaktivitäten im Immunoblot wurden ursprünglich neun verschiedene AMA-Subtypen beschrieben, von denen aber für die Labordiagnostik der PBC aktuell vor allem die hochspezifischen, fast pathognomonischen AMA-M2 untersucht werden. AMA-M2-Antikörper können sich gegen drei Haupt-Autoantigene richten, nämlich Pyruvat-Dehydrogenase (PDH), Branched chain alpha-ketoacid dehydrogenase (BCKD) und Oxoglutarat Dehydrogenase (OCKD) [6].
Bei negativem Ergebnis des IFT auf AMA und dringendem klinischem Verdacht sollte die Bestimmung von ANA auf der HEp2-Zelle erfolgen. ANA gegen das Antigen SP100 imponieren im IFT als sog. nukleäre Dots. Antikörper gegen gp210 führen zu einer Anfärbung der Kernmembran. Hier können insbesondere die PBC-spezifischen ANA wie Anti-Zentromer, Anti-SP100 und Anti-Kernmembran (gp210, LMA) nachgewiesen werden.
Diese ANA können jeweils als alleinige Autoantikörper, aber auch in Kombination mit AMA gefunden werden.
AMA sind bei 90–95% der PBC-Patien­ten nachweisbar, wenn man mehrere Methoden mit allen bekannten Autoantigenen verwendet. Bei den AMA-negativen Patienten sind in ca. 50% PBC-spezifische ANA nachweisbar, sodass letztendlich nur 2–5% der PBC-Patienten nicht eindeutig über die Autoantikörper diagnostiziert werden können. Das Krankheitsbild der AMA-negativen PBC wird auch als Auto­immuncholangitis (AIC) bezeichnet.

PSC

Die spezifische Diagnose der PSC wird im Gegensatz zur AIH und PBC durch das charakteristische Bild der endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) gestellt und vom Labor nur wenig unterstützt. Als hilfreich für die Diagnostik erwies sich der Nachweis von Anti-Neutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) mit perinukleärer Betonung. Bei der PSC können wie bei der Colitis ulcerosa diese ANCA in bis zu 80% der Patienten nachgewiesen werden. Im Gegensatz zu  vaskulitisassoziierten pANCA handelt es sich meist um atypische ANCA, die auf formalinfixierten Granulozyten keine granulär zytoplasmatische Färbung aufweisen, sondern nur eine uncharakteristisch strähnige oder sogar gar keine Fluo­reszenz und als Zielantigen weder MPO noch PR3 nachweisbar ist. Diese ANCA sollten deshalb nicht als pANCA, sondern als aANCA (atypische ANCA) bezeichnet werden, um keine Assoziation zur Vaskulitis zu implizieren.
Interessanterweise werden seit der größeren Verbreitung der spezifischen Anti-MPO und Anti-PR3-Immunoassays auch mehr Patienten mit PSC gefunden, bei denen diese eigentlich vaskulitisspezifischen Antikörper nachweisbar sind [7].
Differenzialdiagnostisch muss von der klassischen PSC die IgG4-assoziierte Cholangitis (IAC) abgegrenzt werden. Die IgG4-assoziierte PSC kann sich klinisch und histologisch wie eine PSC darstellen. Die Abgrenzung ist sehr wichtig, da die IAC im Gegensatz zur PSC sehr gut auf Steroidtherapie anspricht und damit für diese Patienten eine gute Therapieoption zur Verfügung steht.

Ausblick

Der „gute alte Immunfluoreszenztest“, der bereits 1954 für die Diagnostik der AILD beschrieben wurde, hat auch in der aktuellen Leitlinie von 2017 noch einmal Einzug gehalten. Obwohl die neuen antigenspezifischen Immunoassays wie ELISA oder Line-Blot dem IFT in Spezifität aber auch in Sensitivität deutlich überlegen sind, ist für viele Patienten der pragmatische Ansatz mit dem IFT auf drei Geweben als Screeningtest weiterhin geeignet. Man darf aber nicht vergessen, dass bei einem positiven Ergebnis im IFT ein spezifischer Immunoassay angeschlossen werden sollte. Im Einzelfall gilt das bei entsprechender Klinik auch bei einem negativen Ergebnis im IFT. So ist durch den Nachweis spezifischer Autoantikörper aus der ehemaligen „Ausschlussdiagnose“ einer autoimmunen Lebererkrankung nun in über 90% eine aktive Bestätigung einer AIH und PBC möglich.