Die Entwicklung von Robotiklösungen für den Einsatz in medizinischen Laboren hat in letzter Zeit viele Fortschritte gemacht und trifft auf großes Interesse und eine hohe Nachfrage. Getrieben vom Fachkräftemangel müssen viele Labore innovative Konzepte für Laborsettings etablieren, die bisher nicht im Fokus der Laborautomation standen. Im Mittelpunkt stehen dabei unter anderem kleinere Krankenhauslabore im ländlichen Raum mit begrenztem Probenaufkommen. Diese Labore sind bisher oft noch gekennzeichnet durch eine Vielzahl von manuellen Laborprozessschritten: Mitarbeitende übernehmen die Probensortierung, die Auftragserfassung bzw. die Aktivierung von Order-Entry-Proben im Laborinformationssystem, die präanalytische Bearbeitung (z. B. Zentrifugation) und die Verteilung auf die unterschiedlichen Laborgeräte. Nach der Analytik erfolgt das manuelle Entladen der Proben aus den Laborgeräten und deren Archivierung. Alle diese Tätigkeiten stellen repetitive, automationsfähige Prozesse dar, für die sich Robotiklösungen anbieten.
Über ihre Erfahrungen mit einem Gelenkroboter für den Bereich der Präanalytik haben Julian Gebauer und Boris Rolinski 2023 im Sonderheft „Automation und Robotik“ von Trillium Diagnostik 2023 berichtet [1]. Für ein kleines Krankenhauslabor war bereits Ende 2021 über die Etablierung eines Laborroboter-Gesamtkonzepts berichtet worden [2], aber auch über den Einsatz von unterstützenden Robotiklösungen in Forschungslaboren und über kleine Tischroboter ist zu lesen [3]. Die bisher im Krankenhauslabor etablierten Robotiklösungen finden ihre Beschränkung im Funktionsumfang (Limitierung auf die Präanalytik) sowie in der Notwendigkeit zusätzlicher (POCT-)Backup-Konzepte bzw. über die Geräteredundanz. Nachteilig können zudem eine Vollinvestition mit Geräteherstellerbindung im Rahmen eines Gesamtkonzepts sowie die bisher teils aufwendigen Umrüstzeiten und -prozesse vom Betrieb durch Medizinische Technolog:innen für Laboratoriumsmedizin (MTL) hin zum Roboterbetrieb bewertet werden.
Für die Reorganisation eines LADR Krankenhauslabors wurde Ende 2022 das Projektziel formuliert, eine Laborrobotiklösung zu implementieren, deren Einsatzspektrum – über bisher bestehende Laborrobotikkonzepte hinaus – die Probenprozessierung mit den vorhandenen, im Routinebetrieb eingesetzten Laborgeräten für zwei Haupteinsatzszenarien automatisiert: zum einen den vollständig autonomen Nachtbetrieb und zum anderen den MTL-unterstützenden/hybriden Tagesbetrieb.
Die Turn-around-Zeit und die Zuverlässigkeit sollten eine vergleichbare Qualität wie bei der manueller MTL-Abarbeitung erreichen. Im Tageshybridmodus sollte durch die Erhöhung der Walk-away-Zeit für die angebundenen Laborgeräte eine Personalentlastung erreicht werden. Auf das Vorhalten kostenintensiver, paralleler (POCT-)-Backup-Lösungen oder den Parallelbetrieb ressourcenbindender Zweitlaborgeräte vor Ort sollte zukünftig verzichtet werden können.
Projektverlauf
Zusammen mit einer Laborroboterfirma, die bereits erste vergleichbare Projekte durchgeführt hatte, erfolgte die Evaluation der vorhandenen Laborgeräte, der räumlichen Gegebenheiten und der aktuellen Laborprozesse. Erstmals wurde eine Laborrobotiklösung konzipiert, die einen auf einer Schiene fahrbaren Gelenkarmroboter integriert. Dieser innovative Konzeptvorschlag sollte der gestellten Anforderung an einen Tageshybridbetrieb Genüge leisten: Die gewonnene, zusätzliche Bewegungsfreiheit – gegenüber bisherigen, räumlich beengten Laborroboterlösungen – sollte ein arbeitsergonomisches Laborsetting schaffen, das einen jederzeitigen Switch zwischen manuellem MTL-Laborgerätebetrieb und Roboterbetrieb des Labors mit minimaler Umrüstzeit und minimalem Aufwand ermöglicht.
In einer mehrmonatigen Umsetzungsphase erfolgten 2023 die Installation, die Programmierung/das Teaching sowie die stetige begleitende Verbesserung des Laborroboters. Der Projektfortschritt war dabei in hohem Maße gekennzeichnet durch Innovationsstreben und -notwendigkeit, da sich bestehende Erfahrungen aus anderen Laborroboterinstallationen nur eingeschränkt auf die standortspezifischen Gegebenheiten übertragen ließen. Viele Verbesserungen zwischenzeitlich nachfolgender Laborrobotikinstallationen basieren auf den in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnissen.
Arbeits- und Betriebskonzept
Der Laborroboter automatisiert mit hoher Zuverlässigkeit die wichtigsten und häufigsten Laborprozessschritte im Krankenhauslabor. Probenanalyseprozesse werden selbstständig durch den Laborroboter gestartet: Er übernimmt die Probenannahme, die Probenaktivierung im Laborinformationssystem, die Zentrifugation, das Proben-Decapping, die Probenrackplatzierung wie auch die Übergabe von verschiedenen Probentypen (EDTA, Lithium-Heparin, Serum, Citrat) an die Laborgeräte (Hämatologie-, Gerinnungs- und klinisch-/immunchemischer Analyzer). Zentrifuge und Gerinnungsgerät werden direkt durch den Laborroboter gesteuert, während der Hämatologie- und der klinisch-/immunchemische Analyzer indirekt durch Rackplatzierung gestartet werden. Die Entladung der Laborgeräte erfolgt in ein Archiv für EDTA- und Citrat-Proben. Serum- und Lithium-Heparin-Proben werden rackweise vom klinisch-/immunchemischen Analyzer entladen und separat archiviert. In der Zeit von 10 bis 18 Uhr arbeitet der Laborroboter im Tageshybridmodus die Routineproben vollständig autonom ab. Notfallproben, Nachforderungen und Massenprobenaufkommen können durch Pausierung des Roboters jederzeit und ohne Umrüstzeitverlust durch MTL manuell/priorisiert auf den Geräten abgearbeitet werden. Von 6 bis 10 Uhr übersteigt das Probenaufkommen die Leistungsfähigkeit des Laborroboters. In dieser Zeit werden neben der batchweisen Abarbeitung der Stationsroutineanalytik durch die MTL Wartungen, Gerätevorbereitungen sowie Kalibrations- und Kontrollmessungen durchgeführt. Von 18 bis 6 Uhr arbeitet der Laborroboter im autonomen Nachtbetrieb ohne MTL-Präsenz. Hier sind keine Priorisierungen möglich – aber aufgrund des geringen Probenaufkommens auch nicht notwendig, da alle Proben mit schnellstmöglicher Turn-around-Zeit prozessiert werden. Die Validation der Messergebnisse erfolgt telemedizinisch im nächstgelegenen LADR Krankenhauslabor, das 24/7 MTL-besetzt ist und als Notfall-Backup-Labor dient.