Neue Studiendaten aus der Hämatologie

Die Hämatologie war bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology früher stark unterrepräsentiert, aber das hat sich in den letzten Jahren deutlich geändert: In drei großen „Oral Abstracts Sessions“ werden jeweils interessante neue Resultate vor allem zu Leukämien, Lymphomen und Multiplem Myelom präsentiert, und manche dieser Daten kommen ein bis zwei Wochen später beim Kongress der European Hematology Association (EHA) noch einmal zur Sprache. Auch in Zeiten der virtuellen Kongresse hat sich daran nichts geändert – wir bringen einen vielfältigen, nicht unbedingt repräsentativen Querschnitt durch diese drei Gruppen von Krankheiten.

Schlüsselwörter: AML, CLL, ALL, BTK-Inhibitor, MRD, indolente und aggressive Non-Hodgkin-Lymphome, Multiples Myelom, Blinatumomab, Carfilzomib, Ponatinib, Venetoclax, Azacitidin, Ibrutinib, Daratumumab, Acalabrutinib, Lenalidomid, Obinutuzumab, Atezolizumab, Rituximab, Olutasidenib, Ivosidenib

Akute myeloische Leukämie

Hohe Ansprechraten bei AML mit IDH1-Mutationen

Die akute myeloische Leukämie (AML) weist eine ausgesprochene molekulare Heterogenität auf [6]; so tragen bei rund 20 % der Patienten die Blasten Mutationen in den Genen für die Isocitrat-Dehydrogenasen 1 oder 2 (IDH1/2).
Durch die mutierten Enzyme wird anstelle von α-Ketoglutarat 2-Hydroxyglutarat synthetisiert, wodurch sich die Methylierungs-Muster von DNA und Histonen in den betroffenen Zellen verändern und es in letzter Konsequenz zu De-Differenzierung und Transformation der myeloischen Zellen kommt [7]. Folge dieser Befunde war in den letzten Jahren die Entwicklung verschiedener Inhibitoren für die mutierten IDH-Enzyme: Bei IDH1 etwa, die in bis zu 9,3 % der AML-Fälle mutiert ist, findet man nur eine Punktmutation an der Position R132 mit dem Austausch des Arginin-Rests gegen Histidin, Cystein, Serin, Lysin, Glycin oder Prolin (R132X; [8]). Zwei verschiedene Inhibitoren des IDH1-Enzyms werden in Phase-II-Studien getestet, zu denen beim virtuellen ASCO-Kongress Ergebnisse vorgestellt wurden:

  • In einer globalen Studie hatten insgesamt 153 Patienten mit rezidivierter oder refraktärer AML und der R132X-Mutation den IDH1-Hemmstoff Olutasidenib (FT-2102) in Monotherapie 150 mg zweimal täglich erhalten, wie Stéphane de Botton, Paris, Frankreich, berichtete [9]. Primärer Endpunkt war der Anteil an Patienten mit kompletter Remission mit (CR) oder ohne vollständige hämatologische Erholung (CRh) entsprechend den Kriterien der International Working Group von 2003 [10]. Nach median fünfeinhalb Monaten lag dieser Anteil bei 33 %, von denen fast alle (30 %) auch eine hämatologische Erholung aufwiesen (CR). Die mediane Dauer dieser Remissionen war noch nicht erreicht; wurde eine allogene Stammzelltransplantation oder ein Rezidiv als Ende der Remission gewertet, betrug sie 13,8 Monate. Alle Patienten mit CR/CRh wurden unabhängig von Thrombozyten-Gaben, 83 % von Erythrozyten-Transfusionen; bei den Patienten mit schlechterem Ansprechen war es nur ungefähr die Hälfte. Der Anteil überlebender Patienten mit kompletten Remissionen lag nach 18 Monaten bei 87 %, d. h. der Medianwert des Gesamtüberlebens war bei ihnen noch nicht erreicht. Olutasidenib war laut de Botton gut verträglich: Die häufigsten Grad-3/4-Nebenwirkungen waren febrile Neutropenien (20 %), Anämien (19 %), Thrombozytopenien (16 %) und Neutropenien (13 %). 14 % der Patienten entwickelten IDH1-Differenzierungssyndrome aller Schweregrade; in einem Fall verlief dieses letal, ansonsten sprach es auf entsprechende Behandlung an.
  • IDH1-Mutationen verleihen den AML-Blasten auch eine erhöhte Abhängigkeit von dem anti-apoptotischen Protein BCL-2, weshalb in einer weiteren Phase-Ib/II-Studie Patienten mit neu diagnostizierter oder rezidivierter/refraktärer IDH1-mutierter AML oder myelodysplastischem Syndrom den IDH1-Inhibitor Ivosidenib erhielten und dazu 400 oder 800 mg des BCL-2-Inhibitors Venetoclax, zum Teil auch noch die hypomethylierende Substanz Azacitidin. Die Interimsanalyse ergab laut Curtis Lachowiez, Houston, Texas, USA [11] Ansprechraten von insgesamt 92 %, mit der hohen Venetoclax-Dosis und der Azacitidin-Kombination sogar von 100 %. Komplettremissionen wurden in diesen drei Strata von 84 % bzw. 100 % (mit 800 mg Venetoclax) bzw. 85 % (mit Azacitidin) erreicht. Trotz der niedrigen Patientenzahlen beeindrucken diese Zahlen, ebenso wie die gute Verträglichkeit: 28 % der Patienten entwickelten febrile Neutropenien und 24 % Pneumonien vom Grad 3/4, während zwei Tumorlyse- und vier Differenzierungs-Syndrome unter medikamentöser Therapie nur transient waren. Medikamente dieser Art dürften in der Therapie myeloischer Erkrankungen mit IDH1-Mutationen künftig eine wichtige Rolle spielen, auch wenn bislang noch keine zugelassen ist.

MRD-Status prädiktiv für das Überleben

Die Kombination aus dem BCL-2-Inhibitor Venetoclax und der hypomethylierenden Substanz Azacitidin hat bei der AML in der Phase-III-Studie VIALE-A gegenüber einer Monotherapie mit Azacitidin mehr tiefe Remissionen und vor allem bei mehr Patienten einen Abfall der minimalen Resterkrankung (MRD) auf ein Niveau von < 10-3 bewirkt (23,4 % versus 7,6 % der Patienten; p < 0,001; [12]). Diese Daten hatten zur Zulassung von Venetoclax in Kombination mit einer hypomethylierenden Substanz bei neu diagnostizierter AML geführt, wenn die Patienten nicht für eine intensive Chemotherapie geeignet sind.
Der MRD-Status und seine Rolle für die Prognose der AML war Gegenstand einer separaten Auswertung, die Keith Pratz, Philadelphia, Pennsylvania, USA, beim ASCO-Kongress vorstellte [13]. Von den insgesamt 286 Patienten im Venetoclax/Azacitidin-Arm waren etwa drei Viertel (n = 211) bezüglich des MRD-Status auswertbar. Von ihnen erzielte ein gutes Drittel (n = 78; 37 %) einen MRD-Wert von < 10-3, bei den übrigen lag er höher. Die Patienten mit niedriger MRD hatten im Median etwa doppelt so viele Zyklen Venetoclax/Azacitidin erhalten wie die übrigen (14,5 vs. 7,0 Zyklen). Vor allem aber betrug für die Patienten mit Komplettremission und MRD < 10-3 nach einem Jahr die rezidivfreie Überlebensrate 81,2 %, die ereignisfreie Rate 83,2 % und die Gesamtüberlebensrate 94,0 %, während es bei den Patienten mit einem höheren MRD-Niveau 46,6 %, 45,4 % bzw. 67,9 % waren. Die mediane Dauer dieser drei Parameter war bei den Patienten mit niedriger MRD nach zwölf Monaten noch gar nicht erreicht, bei denen mit höherer MRD lag sie bei 9,7 bzw. 10,6 bzw. 18,7 Monaten.
An Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 wurden auch hier vor allem febrile Neutropenien, Neutropenien und Thrombozytopenien registriert. Eine Reduktion der MRD auf unter 10-3 ist also wie auch bei anderen AML-Therapieprotokollen immer anzustreben, weil sich damit die Dauer des Ansprechens sowie ereignisfreies und Gesamtüberleben verlängern lassen.

Chronische lymphatische Leukämie

Erster Head-to-Head-Vergleich von zwei BTK-Inhibitoren bei der CLL

Der erste zugelassene Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase (BTK), Ibrutinib, hat vor allem die Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) stark verändert, wird aber auch beim vorbehandelten Mantelzell-Lymphom und beim Morbus Waldenström eingesetzt. Die Substanz besitzt aber auch Nebenwirkungen insbesondere kardiovaskulärer Natur, die Nachfolgesubstanzen bei mindestens vergleichbarer Wirksamkeit vermeiden sollten.
Ein erster randomisierter Head-to-Head-Vergleich zwischen Ibrutinib und dem Zweitgenerations-BTK-Inhibitor Acalabrutinib, der ebenfalls bereits für die Erstlinientherapie der CLL zugelassen ist, wurde nun beim ASCO-Kongress präsentiert.
Acalabrutinib ist zumindest in vitro selektiver für die BTK als Ibrutinib. Die amerikanisch-europäisch-australische Phase-III-Studie ELEVATE-RR verglich beide Substanzen bei insgesamt 533 vorbehandelten Patienten mit CLL und zytogenetischen Hochrisiko-Anomalien wie 17p- und 11q-Deletion direkt miteinander. Sie erhielten randomisiert entweder 100 mg Acalabrutinib zweimal oder 420 mg Ibrutinib einmal täglich, so John Byrd, Columbus, Ohio, USA, der die Ergebnisse beim ASCO-Kongress vorstellte [14].
Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben, und nach median 40,9 Monaten schnitten beide Arme hier mit median 38,4 Monaten exakt gleich ab (HR 1,00; 95%-KI 0,79–1,27); das galt mehr oder weniger für alle untersuchten Subgruppen. Statistisch signifikant überlegen war Acalabrutinib vor allem bei der Häufigkeit von Vorhofflimmern aller Schwergrade (9,4 % vs. 16,0 %; p = 0,023), auch bei Patienten, bei denen solche Ereignisse anamnestisch nicht dokumentiert waren (6,2 % vs. 14,9 %). Vorhofflimmern vom Grad ≥ 3 war unter Acalabrutinib mit 4,9 % versus 3,8 % etwas, aber nicht signifikant häufiger.
Die Ergebnisse bei anderen sekundären Endpunkten wie der Häufigkeit von Infektionen vom Grad ≥ 3 (30,8 % vs. 30,0 %) oder von Richter-Transformationen (3,8 % vs. 4,9 %) waren vergleichbar. Beim Gesamtüberleben ist der Medianwert in keiner der beiden Gruppen bisher erreicht: Unter Acalabrutinib sind 23,5 %, unter Ibrutinib 27,5 % der Patienten verstorben (HR 0,82; 95%-KI 0,59–1,15).
Bei einer Reihe weiterer Nebenwirkungen wie Hypertonus (9,4 % vs. 23,2 %), Arthralgien (15,8 % vs. 22,8 %) und Diarrhö (34,6 % vs. 46,0 %) zeigte sich Acalabrutinib überlegen, nicht hingegen bei Kopfschmerzen (34,6 % vs. 20,2 %) und Husten (28,9 % vs. 21,3 %). Bei 14,7 % der Patienten im Acalabrutinib- gegenüber 21,3 % im Ibrutinib-Arm führten Nebenwirkungen zum Abbruch der Behandlung. Blutungsereignisse, die bei Ibrutinib auch beachtet werden müssen, traten unter Acalabrutinib insgesamt seltener auf (38,0 % vs. 51,3 %), bei Ereignissen vom Grad ≥ 3 war allerdings kein Unterschied zu sehen (3,8 % vs. 4,6 %).
In diesem ersten direkten Vergleich zweier BTK-Inhibitoren bei der CLL war Acalabrutinib dem bisherigen Standard Ibrutinib – also beim progressionsfreien Überleben – nicht unterlegen, wies aber ein geringeres Risiko für kardiotoxische Nebenwirkungen auf; außerdem mussten weniger Patienten wegen Nebenwirkungen die Therapie mit Acalabrutinib abbrechen als die mit Ibrutinib.

Ibrutinib/Venetoclax: hohe Ansprechraten bei limitierter Dauer

Die Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) hat sich in den letzten Jahren hin zu Konzepten entwickelt, die ohne Chemotherapie und trotzdem zeitlich begrenzt gegeben werden können. Der orale BTK-Inhibitor Ibrutinib hat in randomisierten Studien signifikant das Überleben verlängert und ist genauso wie der BCL-2-Inhibitor Venetoclax in Kombination mit CD20-Antikörpern zur Erstlinientherapie der CLL zugelassen. Beide Substanzen wirken komplementär und auf unterschiedliche Subpopulationen von CLL-Zellen – Ibrutinib auf sich teilende, Venetoclax mehr auf ruhende Zellen [15]. Die Kombination beider Ansätze könnte möglicherweise synergistisch wirken und die minimale Resterkrankung (MRD) noch stärker reduzieren als die Einzelsubstanzen.
In einer nicht randomisierten Phase-II-Studie hatte diese Kombinationsstrategie mit einer limitierten Dauer von zwei Jahren bei drei Viertel von 80 Patienten mit CLL und mindestens einem Risikofaktor (Deletion 17p, TP53-Mutation, del11q, unmutiertes IGHV, Alter ≥ 65 Jahre) irgendwann im Verlauf MRD-Negativität erzielt. Nach drei Jahren waren 93 % der Patienten progressionsfrei am Leben, die Gesamtüberlebensrate betrug 96 % – und alles unabhängig von den einzelnen Risikofaktoren [16].
Zurzeit läuft eine Reihe großer Studien, darunter die Phase-III-Studie CLL17 der Deutschen CLL-Studiengruppe. In der Phase-II-Studie CAPTIVATE hatten bis zu 70-jährige Patienten mit unbehandelter CLL zunächst drei Zyklen Ibrutinib erhalten und danach zwölf weitere Zyklen der Kombination aus Ibrutinib und Venetoclax. MRD-negative Patienten in einer Kohorte wurden dann auf eine Erhaltungstherapie mit Ibrutinib oder Placebo randomisiert, diejenigen mit persistierender MRD bekamen entweder Ibrutinib alleine oder erneut in Kombination mit Venetoclax.
In dieser Kohorte waren nach den ersten zwölf Zyklen der Kombination 75 % der Patienten im peripheren Blut und 68 % im Knochenmark MRD-negativ; progressionsfrei am Leben waren nach 30 Monaten mehr als 95 %  [17].
In der zweiten Kohorte war die Behandlung nach den zwölf Zyklen Ibrutinib/Venetoclax beendet worden, und Paolo Ghia, Mailand, Italien, konnte nun beim ASCO-Kongress die ersten Ergebnisse vorstellen [18]:
Von 159 eingeschlossenen Patienten hatten 147 die Kombinationsbehandlung abgeschlossen. Der primäre Endpunkt einer Komplettremission war bei 55 % aller Patienten erreicht worden und damit deutlich mehr als die 40 % unter der Fludarabin/Cyclophosphamid/Rituximab-Immunchemotherapie in der deutschen CLL10-Studie [19]. Bei 89 % dieser Patienten dauerte die Komplettremission über mindestens zwölf Zyklen an, und die Raten an MRD-Negativität waren mit 77 % im peripheren Blut und etwa 60 % im Knochenmark vergleichbar mit denen der ersten Kohorte, so Ghia.
Diese zahlreichen tiefen und langanhaltenden Remissionen stützen die Verwendung eines solchen zeitlich limitierten und Chemotherapie-freien Protokolls zumindest bei unter 70-jährigen Patienten mit neu diagnostizierter CLL, bei denen es meist ambulant gegeben werden kann. In der Phase-III-Studie GLOW wird das Regime zurzeit auch bei älteren Patienten getestet.

Indolente Non-Hodgkin-Lymphome

Mantelzell-Lymphom: Chemotherapie-freie Dreierkombination

Junge bzw. fitte Patienten mit nicht vorbehandeltem Mantelzell-Lymphom erhalten in der Regel eine intensive Chemotherapie, häufig gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation; ältere bzw. weniger fitte Patienten bekommen weniger toxische Regimes wie Bendamustin oder CHOP (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison) – jeweils kombiniert mit dem CD20-Antikörper Rituximab.
In einer Phase-II-Studie erzielte eine Chemotherapie-freie Kombination aus Rituximab und dem Immunmodulator Lenalidomid (R2) kürzlich hohe Raten an Remissionen, von denen die Hälfte auch nach sieben Jahren noch anhielt [20]. In einer Phase-I-Studie hatten außerdem drei Viertel aller Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzell-Lymphom auf den oralen BCL-2-Inhibitor Venetoclax angesprochen [21]; präklinische Daten sprechen überdies für einen Synergismus von Lenalidomid und Venetoclax [22].

Eine weitere Phase-I-Studie, deren erste Resultate Tycel Phillipps, Ann Arbor, Michigan, USA, beim ASCO-Kongress vorstellen konnte, untersucht deshalb, ob die Kombination aller drei Substanzen (R2 + V = Rituximab, Lenalidomid, Venetoclax) sicher ist und vor allem die Effektivität weiter erhöht [23].
Bislang erhielten 28 Patienten mit neu diagnostiziertem Mantelzell-Lymphom die Dreierkombination zunächst als zwölfmonatige Induktionstherapie, anschließend eine Erhaltungstherapie mit Rituximab über drei Jahre (alle zwei Monate), Lenalidomid (10 mg/d für zwei Jahre) und Venetoclax über mindestens ein Jahr. Kein Patient wurde transplantiert. Parallel zum radiologischen Staging wurde regelmäßig die minimale Resterkrankung gemessen.
Nach median 278 Tagen werden 24 der 28 Patienten immer noch behandelt, und bei allen Patienten konnte Venetoclax ohne dosislimitierende Toxizitäten auf 400 mg/d dosiert werden. Als therapiebedingte Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 wurden am häufigsten Neutropenien (68 %) und Thrombozytopenien (50%) dokumentiert; kein Patient brach die Therapie bisher wegen Toxizitäten ab.
Nach zwölf Monaten waren alle 28 Patienten in kompletter Remission (100 %). Bei drei Patienten trat eine Krankheitsprogression auf, einmal nach einer kompletten, einmal nach einer partiellen Remission; der dritte Patient war verstorben. Alle progredienten Patienten hatten schon bei Studieneintritt eine TP53-Mutation in den Lymphomzellen. Nach zwölf Monaten waren 85,5 % der Patienten progressionsfrei am Leben.
Die Rate der MRD-Negativität betrug nach zwölf Monaten (bei einer Empfindlichkeit von 10-6) 92 % (26 von 28 Patienten). Von diesen Patienten hatte bisher keiner ein Rezidiv entwickelt.

Die Chemotherapie-freie Dreierkombination, so Phillips, ist damit sicher und hochwirksam und führt bei fast drei Viertel aller Patienten zu einer tiefen molekularen Remission. Das Nebenwirkungsprofil entspricht den bekannten Profilen der drei Substanzen. Bei der Rekrutierung weiterer Patienten sollen TP53-Mutationen ein Ausschlusskriterium sein.

Checkpoint-Inhibitor und CD20-Antikörper

Indolente Non-Hodgkin-Lymphome sprechen auf die initiale Therapie meist gut an, sind aber im rezidivierten oder refraktären Stadium schwierig zu behandeln. Die französische Lymphom-Studiengruppe LYSA hat in dieser Situation in einer Phase-II-Studie den CD20-Antikörper Obinutuzumab mit dem PD-L1-Antikörper Atezolizumab und dem BCL-2-Inhibitor Venetoclax kombiniert [24]. Die Therapie war zeitlich limitiert: Der CD20-Antikörper Obinutuzumab wurde über acht dreiwöchige Zyklen, Atezolizumab 24-mal im Abstand von drei Wochen und Venetoclax ebenfalls über 72 Wochen täglich oral gegeben. Primärer Endpunkt war die Gesamtansprechrate nach den acht Zyklen Obinutuzumab. Bei den insgesamt 58 Patienten mit follikulären und den 20 mit Marginalzonen-Lymphomen hatte zuvor mindestens eine Therapie versagt.
Die mittels Positronen-Emissions-Tomographie festgestellte Ansprechrate in der Kohorte mit follikulärem Lymphom lag nach median 14,5 Monaten bei 53,6 % mit 30,4 % kompletten Remissionen. Knapp zwei Drittel der Patienten (63 %) hatten die vollständige Induktionstherapie erhalten.
Von den Patienten mit Marginalzonen-Lymphomen hatten nach median einem Jahr zwei Drittel (66,8 %) angesprochen, jeder sechste mit einer kompletten Remission. Gut die Hälfte der Patienten hatte die gesamte Induktionstherapie erhalten.

Bei nur 21,4 % der Responder entwickelten sich ein Rezidiv oder eine Progression, bei gut zwei Drittel (70,5 %) traten Nebenwirkungen vom Grad 3/4 auf. Ein Patient musste wegen Nebenwirkungen sämtliche Medikamente absetzen. Bei drei Patienten traten immunbedingte Toxizitäten auf, wie sie von Checkpoint-Inhibitoren bekannt sind (eine Myositis vom Grad 2 und zwei Kolitiden vom Grad 3); ein Tumorlyse-Syndrom, das vor allem von Venetoclax bekannt ist, gab es in keinem Fall.

Die Dreierkombination aus Obinutuzumab, Atezolizumab und Venetoclax ist gut verträglich, so die Autoren, und die Wirksamkeit scheint, den Ansprechraten nach zu urteilen, ebenso gut zu sein wie mit anderen innovativen Protokollen.

Multiples Myelom

Transplantation versus konservative Therapie

Jüngere bzw. fitte Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom erhalten nach wie vor eine Induktionstherapie mit einer Kombination aus neuen, hochwirksamen Substanzen und danach eine autologe Stammzelltransplantation (ASCT), weil sich dabei in randomisierten Studien immer bessere Ergebnisse zeigten als mit einer rein medikamentösen Behandlung. Die Erhaltungstherapie hatte dabei aber vor allem aus dem Immunmodulator Lenalidomid bestanden, von dem v. a. Patienten mit Standardrisiko profitieren. Da Induktionsprotokolle mit dem Protea-sominhibitor Carfilzomib eine hohe Wirksamkeit zeigen, wurde in der britischen Phase-III-Studie CARDAMON die Transplantationsstrategie noch einmal mit einer auf Carfilzomib beruhenden konservativen Therapie verglichen, wie Kwee Yong, London, UK, beim ASCO-Kongress berichtete [26].
Darin erhielten 281 Patienten mit neu diagnostiziertem Myelom zunächst eine Induktion mit vier Zyklen KCd (Carfilzomib, Cyclophosphamid und Dexamethason). Die 218 Patienten, die damit mindestens in eine partielle Remission kamen, wurden auf eine Hochdosistherapie mit nachfolgender ASCT oder eine Konsolidierung mit vier weiteren Zyklen KCd randomisiert; anschließend bekamen alle eine Erhaltungstherapie mit 18 Zyklen Carfilzomib. Ko-primäre Endpunkte waren die Rate an mindestens sehr guten partiellen Remissionen (≥ VGPR) nach der Induktion sowie das progressionsfreie Überleben nach zwei Jahren, wobei es primär um eine mögliche Nicht-Unterlegenheit der KCd-Konsolidierung gegenüber der Transplantation ging.
Bezüglich des ersten ko-primären Endpunkts war der Anteil an Patienten mit mindestens einer VGPR nach der Induktion mit 58,5 % bereits ziemlich hoch, darunter 2,5 % Komplett- (CR) und 5,1 % stringente Komplettremissionen (sCR: weder monoklonales Protein im Freien-Leichtketten-Test noch monoklonale Plasmazellen sind im Knochenmark nachweisbar). Jeder vierte Patient war hier auch schon MRD-negativ. Nach KCd-Konsolidierung bzw. ASCT war der Anteil der Patienten mit mindestens VGPR auf 77,3 % bzw. 80,0 % angewachsen; dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant (Odds Ratio 0,91; p = 0,08), ebenso wenig die Differenz bezüglich der stringenten Komplettremissionen nach Konsolidierung (15,9 % vs. 9,5 %; OR 1,79; p = 0,2). Hinsichtlich MRD-Negativität dagegen schnitt die Transplantationsstrategie signifikant besser ab (53,1 % vs. 35,8 %; OR 0,49; p = 0,02), vor allem bei Patienten mit hohem zytogenetischem Risiko (66,7 % nach ASCT vs. 31,6 % nach Konsolidierung).
Beim zweiten ko-primären Endpunkt, dem progressionsfreien Überleben, hatte nach median 37,5 Monaten noch kein Arm den Medianwert erreicht. Die progressionsfreie 2-Jahres-Überlebensrate betrug nach ASCT 76 %, nach Konsolidierung 70 % (HR 1,28; p = 0,27), d. h. die Konsolidierungstherapie war hier nicht unterlegen.
Hochrisiko-Patienten schnitten beim progressionsfreien Überleben mit einem Medianwert von 1,7 Jahren deutlich schlechter ab als diejenigen mit Standardrisiko (median 5,1 Jahre; HR 2,7; p < 0,001), aber die beiden Therapiestrategien unterschieden sich auch hier nicht signifikant (HR 1,2; p = 0,6). Ein negativer MRD-Status vor der Erhaltungstherapie scheint hingegen das progressionsfreie Überleben zu verbessern, auch wenn der Unterschied nur grenzwertig signifikant ausfiel (HR 1,7; p = 0,07). Bei Randomisierung, also nach der Induktionstherapie MRD-positive Patienten, sind offenbar die einzige Subgruppe, so Yong, die nach Transplantation ein eindeutig und signifikant besseres progressionsfreies Überleben zeigt als nach der Konsolidierung (p = 0,02) – das sind aber immerhin etwa drei Viertel aller Patienten.