Aktuelle Studiendaten zu gastrointestinalen Tumoren

Der Jahreskongress ASCO 2021 lieferte auch in seiner diesjährigen erneut virtuellen Form interessante Studiendaten zur Behandlung gastrointestinaler Tumoren. Im Hinblick auf das praxisverändernde Potential der Studienergebnisse stand in diesem Jahr der obere Gastrointestinaltrakt im Fokus. Im folgenden Beitrag sind Kongress-Highlights zum Ösophagus-, zum Magen- und zum kolorektalen Karzinom zusammengestellt.

Schlüsselwörter: Ösophaguskarzinom, Magenkarzinom, Übergangskarzinom, Gallengangskarzinom, kolorektales Karzinom, Immuntherapie, Nivolumab, Ipilimumab, Pembrolizumab, nal-IRI, Pembrolizumab, Panitumumab, Trastuzumab-Deruxtecan

ESCC: Immuntherapie-Kombinationen auf dem Weg zum Therapiestandard

Ösophaguskarzinome gehören zu den Krebserkrankungen mit eher ungünstigen Überlebensaussichten, da diese Tumoren sich früh lymphatisch und vaskulär ausbreiten; nur bei jedem dritten Patienten ist der Tumor bei Erstdiagnose noch in einem frühen UICC-Stadium I oder II [1].
Die ungünstige Prognose drückt sich auch in den relativen 5-Jahres-Überlebensraten aus, die in Deutschland 24 % bei Frauen und 22 % bei Männern betragen [1]. Weltweit sind Ösophaguskarzinome jährlich für über eine halbe Million Todesfälle verantwortlich, die in etwa 85 % der Fälle durch Plattenepithelkarzinome des Ösophagus (ESCC) verursacht werden – den dominierenden histologischen Subtypen bei diesen Tumoren [2]. Daher besteht beim Ösophaguskarzinom im Allgemeinen und beim ESCC im Besonderen ein hoher Bedarf an neuen Behandlungsoptionen.
Bisheriger Therapiestandard in der Erstlinie beim fortgeschrittenem ESCC ist die Chemotherapie mit Cisplatin und 5-Fluorouracil. Beim ASCO 2021 deutete sich jedoch ein Paradigmenwechsel an: Gleich zwei Phase-III-Studien konnten Überlebensvorteile von Kombinationstherapien mit Checkpoint-Inhibitoren (CPI) gegenüber dem Chemotherapie-Standard zeigen. Sie betrafen die Kombination von gegen PD-1 gerichteten CPI mit einer Chemotherapie, aber auch eine chemotherapiefreie duale Therapie mit zwei CPI.
Dr. Ian Chau, London, UK, stellte beim ASCO die Daten der Phase-III-Studie CheckMate-648 bei Patienten mit fortgeschrittenem ESCC vor. Diese Studie untersuchte die Kombination aus Nivolumab und einer Chemotherapie sowie die duale Immuntherapie aus Nivolumab und Ipilimumab gegenüber einer alleinigen Chemotherapie [3]. Nivolumab ist als Monotherapie bereits für das nicht resezierbare fortgeschrittene, rezidivierte oder metastasierte ESCC nach vorheriger Fluoropyrimidin- und platinbasierter Kombinations-Chemotherapie zugelassen.
In der CheckMate-648-Studie erhielten 970 Patienten mit zuvor unbehandeltem, nicht resezierbarem fortgeschrittenem, rezidivierendem oder metastasiertem ESCC nach 1:1:1-Randomisierung entweder Nivolumab (240 mg q2w; n = 321) mit einer Chemotherapie (5-Fluorouracil und Cisplatin q4w) oder die duale Immuntherapie mit Nivolumab/Ipilimumab (3 mg/kg q2w + 1 mg/kg Q6w; n = 325) oder eine alleinige Chemotherapie (5-Fluorouracil und Cisplatin q4w; n = 324). Koprimäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben (OS) sowie das progressionsfreie Überleben (PFS) in der Population mit PD-L1-positiven (≥ 1 %) Tumoren.
Das OS war bei Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren sowohl unter Nivolumab plus Chemotherapie als auch Nivolumab plus Ipilimumab im Vergleich zu alleiniger Chemotherapie signifikant verlängert – 15,4 bzw. 13,7 Monate gegenüber 9,1 Monaten (HR 0,54 bzw. 0,64; p < 0,0001 bzw. p = 0,001; Abb. 1).

Der Überlebensvorteil zeigte sich mit 13,2 Monaten (Nivolumab/Chemotherapie) bzw. 12,8 Monaten (Nivolumab/Ipilimumab) gegenüber 10,7 Monaten unter der Chemotherapie auch bei allen randomisierten Patienten, war hier aber nicht ganz so ausgeprägt.
Das PFS war mit Nivolumab plus Chemotherapie bei Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren signifikant länger als mit Chemotherapie allein (6,9 vs. 4,4 Monate), während Nivolumab/Ipilimumab und Chemotherapie hinsichtlich des PFS in dieser Population vergleichbare Zeiten erreichten. Die Inzidenz unerwünschter Ereignisse (UEs) und schwerwiegender UEs (≥ Grad 3) waren zwischen den drei Gruppen vergleichbar; es wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet.
Der Autor folgerte: „Nivolumab plus Chemotherapie und Nivolumab plus Ipilimumab könnten beide einen neuen möglichen Erstlinienstandard für Patienten mit fortgeschrittenem ESCC repräsentieren.“ Dr. Julie R. Gralow, Chief Medical Officer und Executive Vice President der ASCO, ergänzte: „Die Immuntherapie-Kombination von Nivolumab und Ipilimumab ist die erste chemotherapiefreie Erstlinienbehandlung, die für Patienten mit fortgeschrittenem ESCC einen Nutzen zeigt“. Auf Nachfrage erklärte Chau, dass derzeit noch keine Erkenntnisse dazu vorliegen, welche der beiden Kombinationen für welche Patientengruppe besonders gut geeignet sei, doch bei Patienten mit sehr hohem Symptomdruck würde er eher zur Kombination mit der Chemotherapie tendieren.
In einer weiteren Phase-III-Studie aus China, der ESCORT-1-Studie, stand ebenfalls eine CPI-Kombination als Erstlinienoption beim ESCC auf dem Prüfstand. Evaluiert wurde die Kombination aus dem monoklonalen Anti-PD-1-Inhibitor Camrelizumab (in der EU noch nicht zugelassen) in Kombination mit einer Chemotherapie versus Chemotherapie alleine bei zuvor unbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem ESCC. Die Studienteilnehmer erhielten entweder Camrelizumab (200 mg q3w) plus 6 Zyklen einer platinbasierten Standard-Chemotherapie aus Cisplatin und Paclitaxel (n = 298) oder nur die Chemotherapie (n = 298). Primärer Endpunkt war das PFS im zentralen radiologischen Review.
Wie Dr. Rui-hua Xu, Guangzhou, China, berichtete, verlängerte die Addition des PD-1-Antikörpers zur Chemotherapie das OS signifikant (Median 15,3 vs. 12,0 Monate: HR 0,70;  p = 0,001) – ein Vorteil, der nahezu alle evaluierten Subgruppen betraf [4]. Auch das Ansprechen war auf die Kombination besser (Gesamtansprechrate (ORR) 72,1 % vs. 62,1 %) und hielt länger an (mediane Dauer des Ansprechens (DOR) 7,0 vs. 4,6 Monate). Die Kombination aus Camrelizumab und Cisplatin/Paclitaxel zeigte ein handhabbares Sicherheitsprofil. Die Inzidenz behandlungsassoziierter Nebenwirkungen war in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar (ab Grad 3: 63,4 % unter der Kombination und 67,7 % unter der Chemotherapie); leichtgradige Hauttoxizitäten wurden unter der Chemoimmuntherapie aber häufiger beobachtet.
Die Lebensqualität der Patienten war durch die Addition vom Camrelizumab nicht verschlechtert, es zeigte sich sogar ein vermindertes Risiko einer Symptomverschlechterung. Laut Xu besitzt die Kombination aus Camrelizumab mit Chemotherapie das Potential, ein zukünftiger neuer Erstlinienstandard für Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem ESCC zu werden. In China wurde bereits die Zulassung in dieser Indikation beantragt.

CPI beim Adenokarzinom des Magens, gastroösophagealen Übergangs und Ösophagus

Die Erstlinienbehandlung mit CPI in Kombination mit einer Chemotherapie bringt auch relevante Vorteile für Patienten mit Magen- und Ösophaguskarzinom mit Adenokarzinom-Histologie. Dies zeigt sich in der kürzlich erfolgten Zulassung von Pembrolizumab in Kombination mit 5-Fluorouracil und einer platinhaltigen Substanz in der Erstlinientherapie des lokal fortgeschrittenen nicht resezierbaren oder metastasierenden Ösophaguskarzinoms oder des HER2-negativen Adenokarzinoms des gastroösophagealen Übergangs (AEG) bei Erwachsenen mit PD-L1-exprimierenden Tumoren (CPS ≥ 10) [5]. Bereits beim ESMO-Kongress 2020 waren die Daten der Phase-III-Erstlinienstudie CheckMate-649 bei Patienten mit HER-2-negativen fortgeschrittenen Adenokarzinomen des Magens (GC), des gastroösophagealen Übergangs und des Ösophagus (EAC) vorgestellt worden, in der Nivolumab zusammen mit Chemotherapie (Nivolumab 360 mg + XELOX q3w oder Nivolumab 240 mg + FOLFOX q2w; n = 789) im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie (n = 792) evaluiert worden war. Der dritte Studienarm, der die alleinige CPI-Therapie mit Nivolumab plus Ipilimumab testet, wird erst später ausgewertet. Die beim ESMO präsentierten Ergebnisse hatten gezeigt, dass Nivolumab und Chemotherapie das OS und PFS bei Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren (Combined Positive Score Score (CPS) > 5) gegenüber alleiniger Chemotherapie verlängert (mOS 14,4 vs. 11,1 Monate; HR 0,71; p < 0,0001; mPFS 7,7 vs. 6,1 Monate; HR 0,68; p < 0,0001) [6]. Verbesserungen wurden auch bei Patienten mit CPS>1-Tumoren und in der gesamten Patientenpopulation beobachtet.
Beim ASCO 2021 wurde eine erweiterte Wirksamkeits- und Sicherheitsanalyse der CheckMate-649-Daten nach einem Follow-up von nun 12,1 Monaten präsentiert. Die aktualisierten Daten, die Prof. Markus Möhler, Mainz, präsentierte, zeigten in der Gruppe aller randomisierten Patienten ein signifikantes und klinisch relevant verbessertes OS für die  Kombination Nivolumab/Chemotherapie gegenüber der alleinigen Chemotherapie (mOS 13,8 vs. 11,6 Monate; HR 0,80; p = 0,0002) – ein Überlebensvorteil, der nahezu alle evaluierten Patientensubgruppen betraf, bei Patienten mit höherer PD-L1-Expression aber stärker ausgeprägt war [7].
Darüber hinaus war unter der Kombination das Ansprechen besser (ORR 58 % vs. 46 %) und länger anhaltend (mDOR 8,5 vs. 6,9 Monate). Das Risiko einer Symptomverschlechterung war unter der Kombination gegenüber der Chemotherapie um 23 % vermindert.
Die Kombinationstherapie war erstaunlich gut verträglich; laut Möhler wurden Nebenwirkungen ab Grad 3 über alle Organkategorien hinweg bei weniger als 5 % der Patienten beobachtet. Aus Möhlers Sicht unterstützen die vorliegenden Daten Nivolumab plus Chemotherapie als einen zukünftigen Erstlinienstandard für Patienten mit HER2-negativen Adenokarzinomen des Magen, des gastroösophagealen Übergangs und des Ösophagus. Dies gilt insbesondere für Patienten, deren Tumoren einen CPS von > 5 % aufweisen.

EAC: Neue Daten zu CPI in Neoadjuvanz und Adjuvanz

Eine interessante Phase-II-Studie widmete sich der Frage, ob eine präoperative Therapie mit Pembrolizumab in Kombination mit einer Chemotherapie oder Radiochemotherapie das Outcome von Patienten mit lokal fortgeschrittenen EAC verbessern kann. Dr. Manish A. Shah, New York, USA, stellte dazu die Daten eine randomisierten Phase-II-Studie vor. Darin hatten 39 Patienten mit lokal fortgeschrittenem EAC entweder eine Standard-Chemotherapie (n = 20) oder neoadjuvant zusätzlich Pembrolizumab erhalten (n = 19) [8]. Primärer Endpunkt war das pathologische Ansprechen (MPR), definiert als pathologische Komplettremissionen plus fast erreichte pathologische Komplettremissionen.
Durch Addition des CPI konnte eine MPR-Rate von 48,7 % erreicht werden, die laut Shah deutlich höher liegt als in historischen Kontrollen. Die erreichte MPR-Rate ging darüber hinaus mit einem besseren krankheitsfreien und Gesamtüberleben einher. Es ergaben sich zudem erste Hinweise darauf, dass bestimmte genetische Signaturen mit einer besseren MPR-Rate assoziiert waren. Weiterführende Studien müssen diese frühen Erkenntnissen zur neoadjuvanten Therapie mit CPI weiter untersuchen. Die Frage der adjuvanten Therapie bei Patienten, die eine Radiochemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Adenokarzinomen des Ösophagus bzw. AEG-Tumoren erhalten hatten, wurde in der Studie CheckMate 577 untersucht  [9].
Die adjuvante Immuntherapie reduzierte im Vergleich zu Placebo das Risiko für Rückfall oder Tod um 31 % (HR 0,69; p = 0,0003) und verdoppelte das mediane krankheitsfreie Überleben (22,4 vs. 11,9 Monate), ohne die Lebensqualität einzuschränken, wie Dr. Ronan J. Kelly, Dallas, Texas, USA, beim ASCO berichtete. Damit deutet sich an, dass die adjuvante Therapie mit Nivolumab auf dem Weg zum neuen Behandlungsstandard für Patienten mit AEG oder Übergangskarzinomen ist, die nach einer neoadjuvanten Radiochemotherapie und Operation noch eine pathologische Resterkrankung aufweisen. Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass in Deutschland die perioperative Chemotherapie mit FLOT Standard in der Therapie lokal fortgeschrittener Adenokarzinome des Magens und Ösophagus ist, die ein medianes Gesamtüberleben von 50 Monaten erreicht hat [10]. Die in der CheckMate-577-Studie untersuchte Situation kommt daher im klinischen Alltag nur sehr selten vor.

Neue Ansätze bei Gallengangskarzinomen

Gemcitabin/Cisplatin ist die Standard-Erstlinienbehandlung für Patienten mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Gallengangskarzinom (BTC). Für Patienten, die unter dieser Behandlung einen Progress erleiden, steht bisher nur für die FGFR2-fusionierten BTCs (ca. 15 %) mit Pemigatinib eine zugelassene Zweitlinientherapie zur Verfügung. Die kürzlich publizierte ABC-06-Studie hat nun einen Überlebensvorteil von Zweitlinien-FOLFOX im Vergleich zu aktiver Symptomkontrolle gezeigt [11].
In der auf dem ASCO 2021 vorgestellten randomisierten Phase-II-Studie NIFTY wurde eine 5-FU/LV-basierte Chemotherapie plus/minus liposomales Irinotecan (nal-IRI) bei Patienten mit metastasiertem BTC evaluiert, die nach Gemcitabin/Cisplatin einen Progress erlitten hatten. Nal-IRI ist bereits beim Gemcitabin-refraktären Pankreaskarzinom auf Basis der Daten der Studie NAPOLI-1 zugelassen [12]. In der Studie NIFTY erhielten 174 Patienten nach 1:1-Randomisierung entweder nal-IRI (70 mg/m2 d1) plus 5-FU/LV oder 5-FU/LV bis zum Progress oder inakzeptabler Toxizität. Primärer Endpunkt war das PFS, ermittelt in einem unabhängigen zentralen Review.
Wie Dr. Chanhoon Yoo, Ulsan, Korea, berichtete, verlängerte die Hinzugabe von nal-IRI zu 5-FU/LV das PFS (median 7,1 vs. 1,4 Monate; HR 0,56; p = 0,0019; Abb. 2) und das OS signifikant (median 8,6 vs. 5,5 Monate; HR 0,68; p = 0,035); alle Subgruppen profitierten von der Behandlung [13].

Nach Yoos Ansicht ist nal-IRI plus 5-FU/LV damit auf dem Weg zu einem neuen Behandlungsstandard für Patienten mit BTC nach Versagen einer Therapie mit Gemcitabin/Cisplatin.

MSI-H-CRC: Pembrolizumab ist Chemotherapie in der Erstlinie überlegen

Während Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinomen (mCRC) allgemein kaum von einer Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren profitieren, ist dies bei der Subgruppe der MSI-H-Tumoren (bis 5 % aller mCRC) anders. Bei diesen Tumoren ist das Mismatch-Reparatursystem defekt, was zu erhöhter Mutationsfrequenz, mit Bildung von Neoantigenen und damit einer erhöhten Immunogenität führt, die wiederum mit einem besseren Ansprechen auf eine Checkpoint-Inhibition einhergeht.
Die KEYNOTE-177-Studie untersuchte den Einsatz einer Erstlinien-Monotherapie mit Pembrolizumab bei Patienten mit kolorektalem Karzinom mit hoher Mikrosatelliteninstabilität bzw. Mismatch-Repair-Defizienz (MSI-H/dMMR). Wie Prof. Thierry André, Paris, Frankreich, berichtete, wurden bei den MSI-H-Tumoren unter dem Einfluss des PD-1-Inhibitors im Vergleich zu einer Standard-Chemotherapie ein signifikanter und klinisch relevanter Vorteil hinsichtlich des PFS sowie eine nicht signifikante Reduktion der Mortalität dokumentiert, bei gleichzeitig deutlich überlegenem Sicherheitsprofil [14].
307 behandlungsnaive Patienten mit MSI-H-CRC im Stadium IV erhielten entweder 200 mg Pembrolizumab i. v. q3w oder eine Chemotherapie nach Wahl des Prüfarztes (mFOLFOX oder FOLFIRI ± Bevacizumab oder Cetuximab, jeweils q2w). Koprimäre Studienendpunkte waren das PFS nach RECIST-1.1-Kriterien, ermittelt in einem zentralen Review, sowie das OS. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 44,5 Monaten betrug das mediane PFS laut André 16,5 Monate unter Pembrolizumab versus 8,2 Monate unter der Chemotherapie (HR 0,59), bei einer 24-Monats-PFS-Rate von 42 % versus 11%. Unter dem Einfluss des Checkpoint-Inhibitors zeigten die Patienten auch ein besseres Ansprechen (ORR 45,1 % vs. 33,1 %), das darüber hinaus länger anhielt.
Auch die mit Spannung erwarteten Daten zum OS zeigten einen deutlichen Vorteil für den CPI, der allerdings mit einem p-Wert von 0,0359 aufgrund der besonderen statistischen Vorgaben in dieser Studie das Signifikanzniveau knapp verfehlte – möglicherweise auch aufgrund einer effektiven Cross-over-Rate zu einem CPI in der Zweitlinie des Standardarms von 59 %. Das mediane OS betrug 36,7 Monate unter der Chemotherapie und war unter dem CPI noch nicht erreicht, bei einer 36-Monats-OS-Rate von 61 % versus 50 % zugunsten der Immuntherapie. Die Wirksamkeit von Pembrolizumab musste nicht mit einer erhöhten Toxizität erkauft werden, sondern war mit einem deutlich überlegenen Sicherheitsprofil im Vergleich zur Chemotherapie verbunden. Behandlungsassoziierte Nebenwirkungen ab Grad 3 traten unter Pembrolizumab bei 22 % der Patienten auf, unter der Chemotherapie dagegen bei 66 %. Die CPI-Therapie ging auch mit einer deutlich verbesserten Lebensqualität der Patienten einher. Andrés Fazit: „Die Daten bestätigen Pembrolizumab als Erstlinien-Behandlungsstandard für Patienten mit MSI-H/dMMR-CRC.“

BRAF-mutiertes CRC: keine Verbesserung durch Triplette plus Cetuximab

Bei 8–12 % der Patienten mit metastasiertem CRC liegt eine BRAF-Mutation vor, in etwa 95 % dieser Fälle BRAF-V600E. Die Prognose von Patienten mit BRAF-mutiertem CRC ist schlecht [15]. Für Patienten mit metastasiertem BRAF-V600E-mutiertem CRC fehlte eine durch Studien abgesicherte Therapieoption in der Erstlinientherapie. Die aktuell gültige S3-Leitlinie empfiehlt bei Vorliegen einer BRAF-V600E-Mutation bei fitten Patienten mit mCRC bereits frühzeitig eine intensivierte Chemotherapie, etwa mit der Triplette FOLFOXIRI in Kombination mit Bevacizumab, einzuleiten, aber auch innovative Behandlungsansätze im Rahmen klinischer Studien frühzeitig in Betracht zu ziehen [15]. Welche Rolle der EGFR-Antikörper Cetuximab spielt, war bislang unklar. Die beim ASCO präsentierte 2:1-randomisierte Phase-II-Studie FIRE-4.5, die von der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) initiiert wurde, verglich erstmals prospektiv das intensive Regime FOLFOXIRI in Kombination mit Cetuximab (n = 72) oder Bevacizumab (n = 35) in der Erstlinie bei RAS-Wildtyp-BRAF-V600E-mutiertem CRC. Primärer Endpunkt war die ORR nach RECIST 1.1.
Wie Prof. Sebastian Stintzing, Berlin, beim ASCO berichtete, wurde unter der Behandlung mit FOLFOXIRI/Cetuximab eine ORR von 49,2 % erzielt versus 60,0 % unter FOLFOXIRI/Bevacizumab (Odds Ratio 1,55; p = 0,33). Die Krankheitskontrollrate betrug 81,4 % versus 90,0 %. Das PFS lag median bei 10,1 versus 6,3 Monaten zugunsten der Bevacizumab-basierten Therapie (HR 2,02; p = 0,01); ähnliches galt für das OS (median 17,1 versus 15,2 Monate; HR 1,35; p = 0,46) [16].  FOLFOXIRI/Cetuximab ist demnach bei Patienten mit metastasiertem BRAF-V600E-mutiertem CRC nicht in der Lage, eine höhere Ansprechrate als FOLFOXIRI/Bevacizumab zu induzieren. Vielmehr bleibt FOLFOXIRI/Bevacizumab die bevorzugte Therapieoption in diesem Setting.
Bemerkenswert ist den Autoren zufolge, dass von ursprünglich 107 behandelten Patienten nur 89 (83 %) 3 Zyklen einer Chemotherapie erhalten und einer Follow-up-CT-Untersuchung zugeführt werden konnten. Das zeige erneut die schlechte Prognose von Patienten mit BRAF-mutiertem CRC und unterstreiche die Bedeutung der Patientenselektion in Studien beim BRAF-V600E-mutierten CRC, so die Autoren. Erwähnenswert in diesem Kontext ist, dass im Juni 2020 die zielgerichtete, chemotherapiefreie Kombination des BRAF-Inhibitors Encorafenib mit Cetuximab für Patienten mit metastasiertem CRC und BRAFV600E-Mutation nach Versagen einer vorangegangenen systemischen Therapie zugelassen wurde. Systemische Therapien  wie FOLFIRI oder FOLFOX werden nun auch gemeinsam mit Encorafenib und Cetuximab in der BREAKWATER-Studie im Erstliniensetting getestet.

RAS-Wildtyp-CRC: längere progressionsfreie Zeit unter platinfreier Erhaltung mit Panitumumab

Die S3-Leitlinie zum kolorektalen Karzinom empfiehlt für die Erstlinientherapie von Patienten mit linksseitigem mCRC vom RAS-Wildtyp eine Chemotherapie-Doublette, etwa das Oxaliplatin-basierte Regime FOLFOX, in Kombination mit EGFR-Inhibitoren [15]. Allerdings wird die längerfristige Anwendung von Oxaliplatin-haltigen Regimen oft durch Nebenwirkungen begrenzt, vor allem durch periphere Polyneuropathien, die im Behandlungsverlauf an Häufigkeit und Schweregrad zunehmen. Wegen dieser Toxizitäten können Oxaliplatin-haltige Kombinationstherapien im Regelfall nicht länger als 4 bis 6 Monate verabreicht werden, was eine Fortführung bis zum Progress oft unmöglich macht. Aus diesem Grund sieht die S3-Leitlinie die Möglichkeit vor, nach Beendigung der Induktion als Alternative zur Therapiepause eine besser verträgliche, deeskalierte Erhaltungstherapie ohne Platinkomponente durchzuführen [15]. Derzeit wird meist eine Fluoropyrimidin-basierte Erhaltungstherapie in Kombination mit Bevacizumab eingesetzt.
Die ebenfalls von der AIO initiierte PanaMa-Studie sollte die Frage beantworten, ob eine Oxaliplatin-freie Erhaltungstherapie auch in Kombination mit dem Anti-EGFR-Antikörper Panitumumab einen klinischen Nutzen bringt. Dies hatten retrospektiv erhobene, gepoolte Daten der klinischen Studien PRIME und PEAK bereits nahegelegt [17]. In diesem Kontext evaluierte die Studie, ob eine Erhaltungstherapie mit 5-Fluorouracil/Leucovorin (5-FU/LV), ergänzt durch Panitumumab das PFS im Vergleich zu 5-FU/LV allein verbessern kann. 265 Patienten mit linksseitigem RAS-Wildtyp-mCRC, die auf eine Induktion mit 6 Zyklen FOLFOX6/Panitumumab keine Progression gezeigt hatten, erhielten randomisiert eine platinfreie Erhaltungstherapie als Therapiefortführung, entweder mit Panitumumab + 5-FU/LV (Arm A; n = 125) oder 5-FU/LV allein (Arm B; n= 123) bis zum Progress oder Tod der Patienten. Im Falle einer Progression konnte anschließend eine Reinduktion mit FOLFOX/Panitumumab erfolgen. Primärer Studienendpunkt war das PFS unter der Erhaltungstherapie.
Wie Prof. Dominik Modest, Berlin, berichtete, war das PFS in Arm A gegenüber Arm B signifikant verlängert (median 8,8 vs. 5,7 Monate; HR 0,72; p = 0,014) [18], entsprechend einem um 28 % verminderten Risiko für Progression oder Tod unter Therapie mit Panitumumab (Abb. 3).

Der PFS-Vorteil betraf alle evaluierten Patienten-Subgruppen und erwies sich auch als unabhängig von der Ausprägung und Lokalisation der Metastasierung. Darüber hinaus erreichten signifikant mehr Patienten in Arm A im Laufe der Erhaltung eine weitere Verbesserung des objektiven Ansprechens über das in der Induktion erreichte hinaus (ORR 40,8 % vs. 26,0 % in Arm B; Odds Ratio 1,96; p = 0,02) [18].
Zudem wurde unter dem Einfluss der Panitumumab-basierten Erhaltungstherapie ein numerischer Trend hin zu einem verbesserten OS (28,7 vs. 25,7 Monate) dokumentiert, der aber das Signifikanzniveau verfehlte (p = 0,32). Die Daten zum OS sind allerdings noch unreif. Die Verträglichkeit der Erhaltungstherapie mit 5-FU/LV plus Panitumumab entsprach dem bekannten Nebenwirkungsprofil der Einzelsubstanzen. Modests Schlussfolgerung: „5-FU/LV plus Panitumumab sollte bei Patienten mit RAS-Wildtyp-mCRC als bevorzugte Option einer Erhaltungstherapie nach FOLFOX/Panitumumab angesehen werden.“

CRC: Erste interventionelle Liquid-Biopsy-getriebene Anti-EGFR-Rechallenge

Eine kleine, aber besonders innovative Phase-II-Studie widmete sich der Frage, ob bei Patienten mit mCRC die Entscheidung zu einer Rechallenge mit einem Anti-EGFR-Antikörper auf Basis einer Analyse von Resistenzmechanismen erfolgen kann, die mittels zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) im Plasma – also durch eine Liquid Biopsy – bestimmt werden [19]. Speziell geht es in der CHRONOS-Studie um den Nachweis von RAS-Mutationen und EGFR-Ektodomäne-Klonen, die mit einer Resistenz gegen Anti-EGFR-Antikörper einhergehen und die Entscheidung für oder gegen eine Rechallenge mit Panitumumab.
Wie Dr. Andrea Sartore-Bianchi, Mailand, Italien, beim ASCO berichtete, konnte bei 27 Patienten, die auf Basis von Liquid Biopsies aus insgesamt 52 Patienten als für eine Rechallenge geeignet selektiert wurden, eine Ansprechrate von 30 % sowie eine Krankheitskontrollrate von 63 % erreicht werden. Dies sei ein bemerkenswertes Ansprechen im Vergleich zu dem, das üblicherweise im Rahmen von Standardtherapien jenseits der zweiten Behandlungslinie erreicht werde.
Die ctDNA-getriebene Rechallenge könnte den Autoren zufolge zukünftig eine valide Möglichkeit darstellen, durch molekular getriebene Patientenselektion auf Basis von Liquid Biopsies auch bei vorbehandelten Patienten eine relevante Tumorschrumpfung zu erreichen.

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Immuncheckpoint-Therapie nun endgültig auch in der Therapie des Adenokarzinoms des Magens angekommen ist. Durch die beim ASCO 2021 gezeigten Daten ist eine Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten auch bei Tumoren mit geringerer PD-L1-Expression in der Zukunft zu erwarten, ebenso wie die Therapie mit einer Doppel-Immuncheckpoint-Blockade. Für die Gallengangskarzinome müssen nun neben FGFR2-Fusionen auch IDH-Mutationen für die optimale Therapiesteuerung bestimmt werden. Beim kolorektalen Karzinom werden zugelassene Substanzen intelligent in der Sequenz eingesetzt und unter Zuhilfenahme von Flüssigbiopsien Resistenzen vor Rechallenge ausgeschlossen. Dies wird vermutlich in der Zukunft die Therapiesteuerung revolutionieren.