Behandlung gynäkologischer Tumoren: Neue Studiendaten geben Antwort auf wichtige Fragestellungen

Die auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie (ASCO) 2021 als Late Breaking Abstract (LBA)3 vorgestellten Daten der OUTBACK-Studie waren ein Highlight bei den gynäkologischen Tumoren. Es ging um die Frage, ob Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom von einer adjuvanten Chemotherapie nach Standard-Chemo-Radiotherapie profitieren. Dies war nicht der Fall. Die formal negative Studie wirft dennoch einige Fragen auf. Weitere wichtige Studienergebnisse gab es zum Endometrium- und zum Ovarialkarzinom.

Schlüsselwörter: Zervixkarzinom, Endometriumkarzinom, Ovarialkarzinom, OUTBACK, TOTEM, TAPUR, AGO-OVAR17-Boost, EFFORT, Pertuzumab, Trastuzumab, Bevacizumab, Adavosertib

Zervixkarzinom: adjuvante Chemotherapie im Fokus

Für die randomisierte Phase-III-Studie OUTBACK [1] wurde ein sehr umfangreiches Kollektiv von 926 Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom (FIGO-Stadium IB1/N+ und IB2–IVA) eingeschlossen. Patientinnen mit befallenen paraaortalen Lymphknoten jenseits von L3/4 waren dagegen ausgeschlossen.
Die 1:1-randomisierten Patientinnen erhielten eine Standard-Chemo-Radiotherapie (CRT: 40–45 Gy in 20/25 Fr.; Cisplatin 40 mg/m² pro Woche). Im experimentellen Arm schloss sich eine adjuvante Chemotherapie mit 4 Zyklen Carboplatin (AUC5) plus Paclitaxel (155 mg/m²) alle 3 Wochen an.
Nach einem medianen Follow-up von fünf Jahren zeigte sich, dass die zusätzliche adjuvante Chemotherapie weder das Gesamtüberleben (OS) noch das progressionsfreie Überleben (PFS) verbesserte. Von den adjuvant behandelten Patientinnen waren zu diesem Zeitpunkt noch 72 % am Leben versus 71 % (HR 0,90; p = 0,8) ohne adjuvante Chemotherapie (Abb. 1); 63 % versus 61% (HR 0,86; p = 0,6) waren ohne Progression.

Die adjuvante Chemotherapie erhöhte vorübergehend die Nebenwirkungsrate, was – ebenfalls vorübergehend – mit einer verschlechterten Lebensqualität einherging.
Die CRT bleibt damit das Standardvorgehen beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom. Dennoch wirft die Studie Fragen auf: Möglicherweise war das eingeschlossene Patientinnenkollektiv zu weit gestreut, um ein Kollektiv zu definieren, dass von einer adjuvanten Chemotherapie profitiert. Einerseits waren Patientinnen mit paraaortalen Lymphknoten von der Studie ausgeschlossen – eine Gruppe, die möglicherweise von einer zusätzlichen adjuvanten Chemotherapie profitiert – und andererseits befanden sich mit dem Stadium IB1 plus Lymphknotenbefall sowie jenen ab IB2 ohne Lymphknotenbefall Patientinnen im Kollektiv, die möglicherweise eher von einem operativen Eingriff profitiert hätten.

Zudem ist der Zeitpunkt der Randomisierung zu hinterfragen, da diese vor der CRT statt danach erfolgte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Anteil von 22 % der Patientinnen gar nicht erst mit der ergänzenden Chemotherapie begonnen hat, was bei einem späteren Randomisierungs-Zeitpunkt zu vermeiden gewesen wäre. Die Gründe hierfür sind nicht eindeutig nachzuvollziehen, ebenfalls die Auswirkungen auf den prognostischen Einfluss.

Damit bleibt die Frage, ob andere Konzepte zielführender gewesen wären. Darüber hinaus besteht die Herausforderung, auch die operativen Möglichkeiten in die diagnostischen und therapeutischen Studienkonzepte beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom einzubinden.

Endometrium-karzinom im Fokus

Kein Vorteil durch intensivierte Nachsorge

Ein immer wieder aktuelles Thema ist die Nachsorge von Tumorpatienten, die anlässlich der ASCO-Jahrestagung für das Endometriumkarzinom diskutiert wurde.
Die TOTEM-Studie [2] aus Italien ging der Frage nach, ob eine intensivierte Nachsorge, unter anderem mit apparativer Diagnostik, prognostische Vorteil für die Patientinnen bringt. Im Rahmen der multizentrischen randomisierten Studie wurden zwei Kohorten mit niedrigem (IA, G1–2) bzw. hohem Rezidivrisiko (IA, G3 oder ≥ IB) unterschieden, die jeweils in einen Studienarm mit regulärer bzw. intensivierter Nachsorge randomisiert wurden. Alle Patientinnen waren postoperativ makroskopisch tumorfrei.
Die reguläre Nachsorge umfasste die gynäkologische Untersuchung, die bei den Patientinnen mit hohem Risiko um ein jährliches CT des Thorax, Abdomens und des Beckens ergänzt wurde. Im Rahmen der intensivierten Nachsorge wurden bei den Patientinnen mit niedrigem Risiko zusätzlich zur gynäkologischen Untersuchung ein zytologischer Abstrich sowie jährlich ein CT des Thorax, Abdomens und Beckens durchgeführt.
Die Patientinnen mit hohem Risiko erhielten im Rahmen der intensivierten Nachsorge zusätzlich eine Tumormarker-Bestimmung (CA-125) sowie eine vaginale und abdominale Ultraschall-Untersuchung.
Von den 1.847 auswertbaren Patientinnen hatten 736 eine intensivierte (39,9 %) und 1.111 Patientinnen eine reguläre Nachsorge (60,1 %) erhalten. Beim primären Studienendpunkt, dem OS nach fünf Jahren, zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen beiden Nachsorgekonzepten.
Die Patientinnen mit niedrigem Rezidivrisiko hatten sogar unter der regulären Nachsorge einen numerischen Überlebensvorteil (OS: HR 1,48; p = 0,104); bei den Patientinnen mit hohem Rückfallrisiko waren die Überlebenskurven nahezu deckungsgleich (HR 0,96; p = 0,814; Abb. 2).

Bezogen auf alle Patientinnen betrug die Rückfallrate 12,3 %. Die Mehrzahl der Rezidive waren Fernmetastasen.
Die Studie beeindruckt durch große Teilnehmerzahlen, ein repräsentatives Patientinnen-Kollektiv sowie ein langes Follow-up (median 66 Monate). Sie bestätigt letztlich das in Deutschland bereits seit Langem empfohlene Vorgehen, das für die Nachsorge von Patientinnen mit Endometriumkarzinom eine gynäkologische Untersuchung mit Spiegeleinstellung und rektovaginaler Palpationsuntersuchung plus Zyto-Abstrich vorsieht. Bei asymptomatischen Patientinnen werden in Deutschland weder bildgebende Untersuchungen noch die Tumormarker-Bestimmung empfohlen.

HER2/3-Status beim Endometriumkarzinom bestimmen?

Eine zweite Studie zum Endometriumkarzinom war die TAPUR-Studie, eine Phase-II-Basket-Studie, in die Patienten mit verschiedenen soliden Tumoren eingeschlossen wurden.
Auf der ASCO-Jahrestagung wurden die Ergebnisse zum fortgeschrittenen Endometriumkarzinom vorgestellt [3]. Studienziel ist es, die Anti-Tumoraktivität verschiedener Medikamente bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen mit spezifischen genomischen Aberrationen zu evaluieren. Primärer Studienendpunkt ist die Krankheitskontrolle, definiert als objektive Remissionsrate (ORR) oder Krankheitsstabilisierung über mehr als 16 Wochen (SD16+) nach den RECIST-v1.1-Kriterien.
Die bereits intensiv vorbehandelten Patientinnen mit fortgeschrittenem Endometriumkarzinom wiesen eine HER2- oder HER3-Amplifikation, eine HER2-Überexpression oder eine HER2-Mutation auf und wurden mit der dualen Antikörperblockade aus Pertuzumab/Trastuzumab behandelt.
Die klinische Bedeutung der HER2-Positivität wird beim Endometrium schon länger diskutiert. Bis zu 30 % der high-grade Endometriumkarzinome weisen eine HER2-Amplifikation auf und bis zu 80 % eine HER2-Überexpression [3].
Von 28 ausgewerteten Patientinnen erreichten 37 % unter Pertuzumab/Trastuzumab eine Krankheitskontrolle, inklusive objektiver Remissionen (7 %), ein medianes PFS von 28,1 Wochen und eine mediane Gesamtüberlebenszeit von 60,9 Wochen – dies bei sehr guter Verträglichkeit [3].
Angesichts der intensiven Vortherapie – knapp 60 % der Patientinnen hatten drei und mehr vorherige Systemtherapien – sind das ermutigende Daten. Die Bedeutung des HER2- bzw. HER3-Status sollte daher beim fortgeschrittenen Endometriumkarzinom weiter validiert werden.

Ovarialkarzinom im Fokus

Bevacizumab über 15 Monate bleibt Standard

Thema der deutschen AGO-OVAR17-Boost-Studie [4] war die optimale Therapiedauer von Bevacizumab in der Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit primärem Ovarialkarzinom. Wird Bevacizumab first-line zusätzlich zur Chemotherapie gegeben, ist derzeit die Behandlungsdauer über insgesamt 15 Monate Standard.
Die Studie OVAR17-Boost untersuchte, ob eine Therapieverlängerung auf 30 Monate die Prognose verbessert. Eingeschlossen wurden 927 Patientinnen (FIGO Stadium IIB–IV), die nach primärer Operation mit Carboplatin/Paclitaxel plus Bevacizumab über 15 versus 30 Monate behandelt wurden. Mehrheitlich
(ca. 80 %) hatten die Patientinnen ein high grade seröses Karzinom (HGSC). Knapp 60 % waren postoperativ makroskopisch tumorfrei.
Die längere Bevacizumab-Gabe hatte nach median sieben Jahren (85 Monate) Follow-up weder das mediane PFS (26,0 vs. 24,2 Monate; HR 0,99; p = 0,90) noch das mediane OS (60,0 vs. 54,3 Monate; HR 1,04; p = 0,68) signifikant verlängert. Die fehlende Signifikanz bestätigte sich beim PFS unabhängig vom FIGO-Stadium und unabhängig davon, ob die Patientinnen postoperativ makroskopisch tumorfrei waren. Damit bleiben 15 Monate Bevacizumab beim primären Ovarialkarzinom weiterhin Standard für den Einsatz als Erstlinientherapie.

PARP-Inhibitor-Resistenz überwinden?

Mit Adavosertib befindet sich ein niedermolekularer Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) in der klinischen Entwicklung, der die Serin/Threonin-Kinase WEE1 hemmt, die wiederum eine Schlüsselfunktion im Zellteilungszyklus hat. Die Hoffnung ist, mit Adavosertib Resistenzmechanismen gegen eine PARP-Inhibition zu überwinden. Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass eine WEE1-Inhibition in Kombination mit einer PARP-Inhibition synergistische Effekte erzielt [5].
Vor diesem Hintergrund startete eine zweiarmige, nicht-vergleichende Phase-II-Studie bei Patientinnen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom, die mit einem PARP-Inhibitor vorbehandelt waren [6]. Die 80 randomisierten (1 : 1) Patientinnen erhielten Adavosertib als Monotherapie oder in Kombination mit Olaparib. Median hatten sie vier systemische Vortherapien. Unerheblich war, in welcher Therapielinie der PARP-Inhibitor eingesetzt worden war. Fast alle Patientinnen (> 90 %) hatten ein HGSC.
Mit einer objektiven Ansprechrate (ORR) von 29 % unter Adavosertib/Olaparib bzw. 23 % unter der Monotherapie mit Adavosertib sowie einem medianen PFS von 6,8 Monaten bzw. 5,5 Monaten sind die Ergebnisse vielversprechend. Zuzüglich der Patientinnen mit Krankheitsstabilisierung über mehr als vier Monate (SD > 4 Monate) profitierten 89 % bzw. 63 % der Patientinnen. Die Wirksamkeit zeigte sich unabhängig vom Nachweis einer BRCA1/2-Mutation. Die Nebenwirkungen waren handhabbar – teilweise waren Dosisreduktionen und Therapieunterbrechungen notwendig. Insgesamt sind das positive Signale, die es rechtfertigen, die Substanz weiter zu validieren – auch vor dem Hintergrund, dass die PARP-Inhibition zunehmend an therapeutischer Bedeutung gewinnt.

 

Autoren
Prof. Dr. med. Sven Mahner
Direktor
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, LMU Klinikum
Ludwig-Maximilian-Universität München
PD Dr. med. Fabian Trillsch
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, LMU Klinikum
Ludwig-Maximilian-Universität München
Dr. med. Alexander Burges
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, LMU Klinikum
Ludwig-Maximilian-Universität München
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