SARS-CoV-2: Logbuch der Corona-Pandemie

Wir schreiben das Jahr 2022, und während die vierte Welle der Corona-Pandemie offenbar abflaut, baut sich seit Anfang März die fünfte womöglich schon wieder auf. Für die nächsten Jahre sind weitere Wellen zu erwarten; deshalb werden die auf den folgenden Seiten vorgestellten Verfahren zum Nachweis von SARS-CoV-2 und zur Beurteilung der Immunantwort auf Infektion und Impfung noch lange benötigt werden.

Zu Beginn der Pandemie stand der direkte Virusnachweis mittels Nukleinsäureamplifikation im Vordergrund, wurde aber schnell ergänzt durch die einfacher durchzuführenden und preiswerteren Antigentests. Im Hinblick auf die Variants of Concern (VoC) tritt seit einiger Zeit wieder der RNA-Nachweis in den Vordergrund.

Nukleinsäureamplifikation

Das Coronavirus unterliegt als einzelsträngiges RNA-Virus einer schnellen Evolution und hat sich in den vergangenen zwei Jahren immer besser an seinen Wirt, den Menschen, angepasst. Zahlreiche Polymorphismen und kleine Deletionen im Erbgut des Virus haben eine enorme Vielfalt von Varianten entstehen lassen, von denen sich einige aufgrund ihrer höheren Infektiosität sehr schnell ausbreiten konnten. Aufgrund ihres hohen Durchsetzungsvermögens werden solche Virusvarianten als besorgniserregend (VoC) eingestuft, auch wenn die Letalität mit zunehmender Ausbreitung allmählich abzunehmen scheint.

Die Genprodukte, also Proteine sowie Lipo- und Glykoproteine des Virus, sind dadurch nicht nur in ihrer Proteinsequenz verändert, sondern auch in ihrer dreidimensionalen Konformation. Es stellt sich mit Recht die Frage, ob dabei die Spezifität der Nachweisverfahren erhalten bleibt und ob der Impfschutz noch ausreichend ist.

In unserer Tabelle der Nukleinsäureamplifikationstests stehen daher in Spalte 3 die vom jeweiligen Assay nachgewiesenen Gene bzw. Virusvarianten. 

Grundsätzlich stellen wir hier zwei verschiedene Arten von Assays vor: Diejenigen, die das SARS-CoV-2-Virus auch dann nachweisen, wenn Virusvarianten vorliegen, und jene, die zwischen den Virusvarianten unterscheiden können und im Falle eines positiven Ergebnisses die vorliegende Variante anzeigen. Erstere werden in den folgenden beiden Abschnitten „Assays für den Hochdurchsatz“ und „RNA-Nachweis am POC“ behandelt, letztere im Abschnitt „Variantentestung“.

Assays für den Hochdurchsatz

Die Mengen an PCR-Tests, die seit Beginn der Pandemie durchgeführt wurden, sind enorm und die Labore arbeiten zeitweise am Limit. Der Nachweis mittels PCR ist in der Regel aufwendig und langwierig. Die Vollautomatisierung benötigt interessanterweise oft mehr Zeit, setzt aber Personal für andere Aufgaben frei.

Viele Hersteller sind derzeit bestrebt, durch spezielle Hochdurchsatzprotokolle möglichst hohe Probenzahlen verarbeiten zu können und zusätzlich die Zeit bis zum Resultat zu verkürzen. Spezifische Angaben hierzu finden Sie z. T. in den Produktinformationskästen der einzelnen Firmen.

Um die Zeiten für den RNA-Nachweis zu straffen und trotzdem eine zuverlässige Amplifikation zu erhalten, werden unterschiedliche Strategien verfolgt. Dazu gehören beispielsweise Modifikationen der PCR, besondere Sonden oder die schnelle isothermale Amplifikation.

Letztere beruht auf einer Polymerase, die bei niedrigeren Temperaturen arbeitet und deshalb auf die Temperaturzyklen zwischen Annealing, Elongation und Melting verzichten kann. Die isothermale Amplifikation umfasst verschiedene Methoden mit zum Teil ausgeklügeltem Primerdesign, z. B. LAMP (Loop-Mediated Isothermal Modification,) oder TMA (Transcription Mediated Amplification,).

Eine Modifikation der PCR für den Hochdurchsatz ist die sogenannte 3-Basen-Technologie, bei der bereits vor der Nukleinsäure-Aufreinigung in einer chemischen Reaktion Cytosin über Uracil in Thymin umgewandelt wird, wodurch die Komplexität des Virusgenoms reduziert wird. Andere Methoden arbeiten mit einer Kombination aus Primern mit dreidimensionaler Struktur, z. B. minor groove binder und Pleiades.

RNA-Nachweis am POC

An einigen Stellen, z. B. in Corona-Testzentren oder Spezialambulanzen, ist es sinnvoll, POC-Systeme einzusetzen, die zwar nur kleine Probenmengen verarbeiten können, dafür aber nicht auf Laborpersonal angewiesen sind und besonders schnelle Ergebnisse liefern. In POC-Systemen wird neben der PCR auch die isothermale Amplifikation eingesetzt. In der vorliegenden Produkt­übersicht sind zwei Anbieter dieser Technik vertreten. Einer präsentiert ein besonders schnelles System, der zweite Assay benötigt keine RNA-Extraktion, aber trotzdem mehr Zeit. POC-Systeme werden zudem gerne zum syndromischen Testen eingesetzt, um z. B. im Falle einer Atemwegs­infektion neben SARS-CoV-2 mögliche Koinfektionen aufdecken zu können (siehe Abschnitt „Multiplexing“).

In diesem Zusammenhang ist sicher auch interessant, dass das Bundesgesundheitsministerium Anfang 2022 die Coronavirus-Testverordnung und die nationale Teststrategie angepasst hat (www.kbv.de/html/1150_56787.php). Auch POC-NAT-Tests können nun unter bestimmten Umständen abgerechnet werden. Das gilt z. B. für Bestätigungstests nach positivem Antigentest.

Multiplexing

Das Multiplexing, also der parallele Nachweis signifikanter Gensequenzen im selben Ansatz, lässt ein Screening auf mehrere Erkrankungen eines Formenkreises zu. Interessant ist dies beispielsweise in der kalten Jahreszeit bei der Identifizierung respiratorischer Erreger. Allerdings ist diese Aufgabe nicht trivial, denn die verschiedenen Sequenzen müssen mithilfe unterschiedlicher Fluoreszenz-Sonden eindeutig voneinander unterschieden werden.

Ein Hersteller, der bereits seit längerem im europäischen Markt vertreten ist und mittlerweile ein vollautomatisiertes System für die Nukleinsäure-Extraktion und -Amplifikation entwickelt hat, verwendet eine MuDT (Multiple Detection Temperatures) genannte Technologie. Die nachzuweisenden Gensequenzen unterscheiden sich in ihrer Schmelztemperatur. Sie werden mithilfe von Primern mit korrespondierender Gensequenz detektiert. Finden Zielsequenz und Primer zueinander, wird das mit der Hilfe einer Fluoreszenz-Markierung sichtbar gemacht. Die Signalstärke der Fluoreszenz variiert allerdings auch bei unterschiedlichen Temperaturen. Diese Differenz wird ausgenutzt, um mehrere Zielsequenzen in einem Kanal detektieren zu können – und zwar ohne Schmelzkurvenanalyse [2]. Es handelt sich also genau genommen nicht um eine neue PCR-Technik, sondern um eine neue Methode der Auswertung.

Variantentestung

Für rund zwei Drittel der knapp 30.000 Nukleotide von SARS-CoV-2 wurden bislang Polymorphismen beschrieben. Die aktuell dominierenden Omikron-Viren unterscheiden sich von früheren Varianten einerseits durch eine höhere Übertragbarkeit und andererseits durch eine geringere Hospitalisierungsrate, weil sie aus dem Nasenrachenraum weniger gut in die unteren Luftwege vordringen. Vor allem die für den Virusnachweis besonders wichtigen Spike-Proteine S1 und S2 sind hier im Vergleich zum Wuhan-Wildtyp stark verändert: Bei der in Europa und den USA bislang dominierenden BA.1-Linie findet man bis zu 37 Mutationen, bei der BA.2-Linie aus Indien, die nun die Oberhand gewinnt, sind es 31.

Varianten lassen sich mit unterschiedlichen Verfahren nachweisen. Der Goldstandard ist die Sequenzierung des Virusgenoms, mit der auch neue Varianten entdeckt werden. Als einfache Alternative können Labore routinemäßig Schmelzkurvenanalysen als Suchtest durchführen. Dabei werden pa­rallel zur klassischen reversen rt-PCR die DNA-Produkte einer zweiten PCR langsam erhitzt. Da mutierte Fragmente eine andere Schmelztemperatur als das Gros der nicht mutierten Proben besitzen, kann dieser Vorgang mittels UV-Absorption oder Freisetzung von Farbstoffen optisch verfolgt und dokumentiert werden.

Für den routinemäßigen Nachweis bestimmter Varianten entwickeln die Hersteller laufend neue Primer. In unseren können Sie in der Spalte „Nachgewiesene Gene/Varianten“ erkennen, welche Mutationen gegebenenfalls gezielt erfasst werden.

Unabhängige Kontrollmaterialien

Jeder Hersteller liefert Kontrollen für die eigenen Assays mit. Trotzdem empfehlen die Richtlinien der Bundesärztekammer die Verwendung von unabhängigen Kontrollmaterialien. Auch für POC-Tests ist ein Qualitätssicherungssystem erforderlich, das entsprechend überwacht wird (§9 der Medizinproduktebetreiberverordnung).

Deshalb stellen einige Anbieter hier ihre unabhängigen Qualitätskontrollmaterialien vor. In erster Linie sind es Kontrollen für den RNA-Nachweis. Ein Hersteller bietet auch eine Positiv- und eine Negativkontrolle für serologische Tests an.

Die positiven Kontrollen enthalten das inaktivierte Gesamtgenom des SARS-CoV-2. Auch hier muss sichergestellt sein, dass die Virusvarianten berücksichtigt werden. Dazu machen die Hersteller in ihren Produktinformationen ausführliche Angaben. Die Kontrollmaterialien liegen in der Regel lyophilisiert vor. Es sind aber auch Virusgenome mit künstlichem Speichel als Matrix erhältlich.

Antigennachweise

Der Nachweis des SARS-CoV-2 als Antigen hat sich trotz vergleichsweise geringer Sensitivität als einfachere und preisgüns­tigere Alternative zur PCR in der Praxis durchgesetzt. Deshalb wurde die nationale Teststrategie [3] im Februar so angepasst, dass ein Antigentest in vielen Alltags­situationen abrechenbar ist. Bei positivem Antigentest muss eine PCR zur Bestätigung angeschlossen werden.

Zwei Hersteller erklären in ihren Produktkästen, in welchem Zeitfens­ter der Antigentest eine wertvolle Information liefert und wie die Labore dadurch in Bezug auf Engpässe bei der PCR-Testung entlastet werden können. Antigennachweis­systeme gibt es als automatisierte Laborversionen wie auch als Schnelltests für die Point-of-Care-Analytik.

Nachweis der Immunantwort

Beim Nachweis von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 geht es schließlich um die Frage, ob durch eine vorangegangene Infektion oder Impfung eine ausreichende Immunität aufgebaut wurde. Klinisch bedeutsam ist dies besonders im Falle von immunsupprimierten oder onkologischen Patient:innen. 

Auf derselben Seite sind schließlich auch Tests für die T-Zell-vermittelte Immunität aufgeführt. Dabei werden bestimmte Zytokine gemessen, die von den Zellen als Reaktion auf Kontakt mit SARS-CoV-2 ausgeschüttet werden. Diese Information ist bedeutsam, weil T-Zell-Immunität auch dann bestehen kann, wenn nur noch sehr geringe Antikörperspiegel nachweisbar sind [4].

Die Tabellen, wie sie in Heft 1/2022 veröffentlicht wurden, finden Sie hier (Download als PDF), eine aktuelle Marktübersicht (Stand Juni 2023) gibt es hier.

Autoren
Dr. Gabriele Egert
Prof. Dr. Georg Hoffmann
Mitglieder der Redaktion
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