Nachweis erregerspezifischer T-Zellen – Im Routinelabor angekommen

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.02.10

T-Lymphozyten spielen bei der erworbenen Immunität gegen Infektionserreger eine wichtige Rolle. Inzwischen stehen diverse Stimulationsassays zum Nachweis antigenspezifischer T-Lymphozyten zur Verfügung, die auch im Routinelabor eingesetzt werden können. Diese Tests können beispielsweise eine zelluläre Immunantwort gegen Mycobacterium tuberculosis oder SARS-CoV-2 detektieren.

Schlüsselwörter: Stimulationsröhrchentest, ELISpot, Durchflusszytometrie, FACS, Interferon Gamma Release Assays (IGRA), TB-Flow, Zellkultur, Interferon-gamma, Interleukin-2

Dem menschlichen Immunsystem stehen für die Einleitung einer antigenspezifischen Auseinandersetzung mit Antigenen und Krankheitserregern zwei wesentliche Erkennungsmechanismen als Teil der erworbenen Immunität zur Verfügung: die von B-Zellen gebildeten Antikörper (Immunglobuline) und T-Lymphozyten (T-Zellen).

Serologische Methoden zum Nachweis antigenspezifischer Immunglobuline sind in vielen Laboren fest etabliert. Sie geben Aufschluss darüber, ob eine Person zuvor mit einem bestimmten Erreger infiziert wurde und eine Immun­antwort aufgebaut hat. Bei vielen Infektionen ist es damit möglich, eine akute, chronische oder überstandene Infektion nachzuweisen und Aussagen über eine vorliegende schützende Immunität zu treffen oder einen Impferfolg zu kontrollieren. Es gibt aber diagnostische Fragestellungen, für die die Serologie nicht ausreicht.

Bei der Immunantwort kommt es vor der Bildung von Immunglobulinen auch zur Aktivierung und Proliferation antigenspezifischer T-Zellen. In Abhängigkeit vom Antigen kann dies sogar der relevantere Teil der Immunantwort sein, oder die beiden Antworten ergänzen sich. Ein Nachweis antigenspezifischer T-Zellen kann wichtige Informationen darüber liefern, ob eine Person aktuell oder in der Vergangenheit mit einem Erreger in Kontakt gekommen ist und ob ihr Immunsystem eine Reaktion aufgebaut hat.

 

Durchflusszytometrische Analyse

Je nach Erreger und Antigen kann die T-Zell-Antwort von CD4+- oder CD8+-Zellen dominiert werden. Nicht alle Testsysteme sind in der Lage, zwischen beiden zu differenzieren. Der Nachweis von T-Lymphozyten ist technisch anspruchsvoller als die Serologie und hat lange Zeit keinen Eingang in die Routinediagnostik gefunden. Eine einfache Detektion antigenspezifischer T-Zellen analog dem Nachweis von Immunglobulinen ist aufgrund der Besonderheiten der immunologischen Synapse von T-Zellen mit antigenpräsentierenden Zellen nicht möglich. Dafür sind wesentlich aufwendigere Assays notwendig. Wichtigste Voraussetzung dafür sind lebende, frische Zellen. Es können entweder die zellulären Interaktionen in einer Zellkultur gemessen werden oder die Antigenpräsentation über den Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) muss mittels eines MHC-Multimers nachgestellt werden. Der Nachweis antigenspezifischer T-Zellen durch direkten Nachweis der Bindung von MHC-gekoppelten Antigenpeptiden kann aufgrund der MHC-Restriktion der zellulären Immunantwort nur nach einer HLA-Typisierung (HLA = Humanes Leukozytenantigen) stattfinden. Ein solcher Assay erfordert neben spezifischen Stimulantien eine durchflusszytometrische Analyse der Zellen und wird derzeit nicht als In-vitro-Diagnostik(IVD)-Testkit angeboten, ist also meist auf Forschungslabore beschränkt. Eine Analyse antigenspezifischer T-Zellen ist vor allem beim Nachweis Cytomegalievirus(CMV)-spezifischer T-Zellen nach Nierentransplantation wichtig.

 

Stimulationsassays

Einfacher als der direkte Nachweis im Durchflusszytometer ist die Detektion der antigenspezifischen T-Zellen nach einer Kultur mit dem Antigen bzw. Antigenpeptiden oder die Messung der Interferon(IFN)-γ-Ausschüttung [1–3]. Die Stimulation mit Antigen oder Antigenpeptiden induziert eine Aktivierung der spezifischen T-Zellen. Mit dieser sind intrazelluläre Signaltransduktionskaskaden, metabolische Prozesse in der Zelle, die Induktion der Expression von Oberflächenmolekülen auf der Zelle, die Freisetzung von Zytokinen und schließlich eine Proliferation der Zellen verbunden. Diese Reaktionen können genutzt werden, um antigenspezifische T-Zellen nachzuweisen. Der Nachweis der Proliferation mittels radioaktiv- oder fluoreszenzmarkierter Nukleotide spielt in der Diagnostik heutzutage nur noch eine untergeordnete Rolle, ist aber in der Forschung und für die Etablierung neuer Verfahren sehr wichtig. Auch metabolische Verfahren wie der MTT-Test (MTT = 3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-diphenyltetrazoliumbromid-Reduktion) werden im diagnostischen Labor kaum noch eingesetzt. Eine Übersicht der wichtigsten Variablen für den Nachweis antigenspezifischer T-Zellen findet sich in Abb. 1.

Wesentliche Voraussetzung für zelluläre Tests ist es, die für die T-Zell-Antwort relevanten Antigene beziehungsweise Peptide zu identifizieren und in einer routinetauglichen Form und Menge bereitzustellen. Während in der Anfangszeit der zellulären Stimulationstests oft mit kompletten Antigenextrakten gearbeitet wurde, kommen heute fast ausschließlich rekombinante Peptide zum Einsatz. Mit der Auswahl der Peptide kann beeinflusst werden, ob vor allem CD4+- oder CD8+-T-Zellen aktiviert werden. Die Antigenspezifität ist damit sehr hoch, und die Tests werden permanent optimiert. Neben dem Nachweis einer zellulären Immunität oder einer Infektion können auch bei Autoimmunerkrankungen spezifische T-Zellen gegen Autoantigene nachgewiesen werden. Dies ist bislang aber noch eine reine Forschungsmethode. Eine weitere Anwendung ist der Nachweis einer zellulär vermittelten Allergie, wobei die Literatur hierzu kontrovers ist [4].

 

Einsatzgebiete

Ein Nachweis von antigenspezifischen T-Zellen kann bei verschiedenen Infek­tions­erregern sinnvoll sein. In der Forschung umfasst das insbesondere eine Vielzahl von Viren, z. B. Humanes Immundefizienz-Virus (HIV), Hepatitis-B- und -C-Viren, Zika-Viren, Mumps- oder Rötelnvirus sowie Viren der Herpesgruppe. Zum Nachweis einer Immunität bei fehlender Serokonversion wie bei B-Zell-Immundefekten oder unter immunsuppressiver Therapie kann der Nachweis antigenspezifischer T-Zellen einen wichtigen Beitrag bei der Betreuung von Betroffenen leisten.

Die Eignung weiterer Antigene wird diskutiert, insbesondere für die Fragestellung der chronischen Borreliose bzw. der Neuroborreliose. Leider besteht hier noch kein Konsens über die Interpreta­tion der gefundenen Ergebnisse. Auch der Nachweis einer Reaktivität gegen Ehrlichien oder nichttuberkulöse Mykobakterien wird hinsichtlich der diagnostischen Relevanz noch diskutiert. Erschwert wird die Interpretation der antigenspezifischen Gedächtnis-T-Zellen vor allem durch die Tatsache, dass es sich häufig um chronische oder rezidivierende Erkrankungen handelt und ggf. keine Korrelation zwischen den serologischen und zellulären Ergebnissen besteht.

Für die Routinediagnostik steht heute eine Vielzahl an IVD-Testsystemen zum Nachweis antigenspezifischer T-Zellen zur Verfügung. Sie detektieren eine zelluläre Immunantwort gegen Mycobacterium tuberculosis, CMV oder auch SARS-CoV-2. Ihr Einsatz erfolgt vor allem bei Erregern, deren Immunabwehr stark durch T-Zellen getragen wird, und/oder zum Nachweis latenter/aktiver Infektionen wie bei der Tuberkulose [2–6].

 

(Prä-)Analytik

Alle zellulären Stimulationsassays benötigen frisches antikoaguliertes Blut, typischerweise Heparinblut, da die Aktivierungsprozesse nach Antigenkontakt kalziumabhängig sind. Die Blutmenge hängt von der Häufigkeit der zirkulierenden spezifischen T-Zellen innerhalb der Lymphozytenpopulation ab. Je nach Gesamtlymphozytenzahl reicht meist ein Blutentnahmeröhrchen mit ca. 4 ml Vollblut aus. Wenn die Blutproben innerhalb der vom Labor vorgegebenen Zeit im Labor eintreffen (üblicherweise 16 bis 24 Stunden, sofern keine weiteren Präparationsschritte erfolgen), können verschiedene In-vitro-Testsysteme zum Einsatz kommen. Eine Sonderform stellen Tests dar, bei denen bereits im Blutentnahmeröhrchen die erforderlichen Stimulatorantigene vorgelegt sind. Bei korrekter Handhabung beginnt damit schon unmittelbar nach Blutentnahme der Stimulationsprozess. Trotzdem müssen die Stimulationsröhrchen bei Ankunft in einem Labor bei einer Temperatur von 37  °C entsprechend der Körpertemperatur für eine vorgegebene Zeit inkubiert werden. Nach Ablauf der Inkubationszeit kann die Reaktion der Zellen auf die Stimulation gemessen werden. Typischerweise wird dabei eine Zytokinproduktion gemessen, zum Beispiel über einen Immunoassay auf Interleukin-2 oder Interferon-γ (zum Teil auch automatisiert) oder mittels einer zytokinspezifischen Real-time PCR.

Treffen frische Heparinröhrchen zur Analyse im Labor ein, kann die zu verwendende Plattform in Abhängigkeit vom etablierten System gewählt werden. Das Befüllen der Stimulationsröhrchen mit vorgelegten Stimulantien kann alternativ auch erst nach Eingang der Blutprobe in einem normalen Heparinröhrchen im Labor erfolgen. Unter Umständen ist das ein sinnvoller Weg für einige Labore, da so nicht vorab die Stimulationsröhrchen an die Einsender verschickt werden müssen (insbesondere wenn diese nur selten Proben untersuchen lassen) und auch keine Röhrchen beim Einsender verloren gehen, falsch gelagert oder falsch befüllt werden können, was zu falschen Ergebnissen führen könnte.

Eine wichtige Plattform zum Nachweis der antigenspezifischen T-Zellen sind ELISpots. Bei diesen werden mononukleäre Zellen isoliert und in eine Mikrotiterplatte überführt, deren Boden mit einem Fängerantikörper für nachzuweisende Zytokine beschichtet ist. Bilden die T-Zellen nun Zytokine, werden diese lokal um die Zellen immobilisiert und können in einem folgenden Detektionsschritt über einen Detektionsantikörper und eine Farbreaktion (ELISpot) oder lokale Fluoreszenz (Fluorospot) sichtbar gemacht werden. Im TB-Flow-Assay können antigenspezifische T-Zellen durch Nachweis einer Aktivierung intrazellulär identifiziert und ihre Proliferationsaktivität so beurteilt werden, dass zwischen einer latenten und einer aktiven Tuberkulose differenziert werden kann [5] (Abb. 2).

Qualitätskontrolle

Bei allen Testsystemen müssen adäquate Kontrollen mitgeführt werden. Diese umfassen typischerweise eine Negativ- und eine Maximal-/Positivkontrolle. Dazu kommen je nach Test spezifische zusätzliche Kontrollen und ggf. eine Reise-/Transportkontrolle, damit eine interne Qualitätssicherung gewährleistet werden kann. Für die externe Qualitätssicherung stehen bisher nur Ringversuche für den Nachweis Mycobacterium tuberculosis-spezifischer T-Zellen zur Verfügung (IGRA – Interferon Gamma Release Assays). Für weitere Tests sind bisher nur Laborvergleiche möglich.

Fazit

Festzuhalten bleibt, dass die Interpretation der Ergebnisse eines Tests auf antigenspezifische T-Zellen immer sorgfältig erfolgen muss. Wir wissen bislang nicht, ab welcher Frequenz spezifischer T-Zellen eine protektive Immunität zu erwarten ist. Bei Nachweissystemen für Mycobacterium tuberculosis-spezifische T-Zellen ist es weiterhin nicht möglich, das Reaktivierungsrisiko bei Vorliegen eines immunologischen Gedächtnisses vorauszusagen. Weiterhin handelt es sich bei diesen Tests um indirekte Nachweise einer Tuberkuloseinfektion, da in diesen Assays die Reaktion des Immunsystems auf Proteine des Tuberkulose-Erregers und somit die memory-T-Zell-Antwort gegen Tuberkulose gemessen wird. Grundsätzlich sind diese hier beschriebenen Tests sicher und haben eine klare, verlässliche diagnostische Aussage bei einer intakten, nicht supprimierten T-zellulären Immunabwehr. 

Autoren
Prof. Dr. med. Ulrich Sack
Institut für Klinische Immunologie
Medizinische Fakultät, Universität Leipzig
Dr. med. Uwe Kölsch
Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH
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