Das Erkennen von Krankheiten mithilfe unseres Geruchssinns spielt seit der Antike eine große Rolle in der Medizin. Schon damals vermuteten Hippocrates und andere Gelehrte, dass sich Stoffwechselvorgänge, die sich im Körperinneren abspielen, auf die Ausatemluft auswirken, und dass durch deren Analyse die Diagnose von Krankheiten möglich sein könnte. Beispielsweise können bei der Untersuchung der Ausatemluft von Patienten ein „obstartiger“ Aceton-Geruch beim hyperglykämischen Koma, ein harnähnlicher Foetor uraemicus bei Urämie oder ein Foetor hepaticus bei Lebererkrankungen unterschieden werden [1].
Vor über 240 Jahren wurde nach einer technischen Analyse der exhalierten Luft erstmals über den Gehalt von Kohlendioxid (CO2) berichtet. Heute wissen wir, dass die ausgeatmete Luft Stickstoff (N2), Sauerstoff (O2), CO2 und Wasser (H20) enthält [1, 2]. Und vor über 110 Jahren wurde von Arthur Cushny gezeigt, dass es Zusammenhänge zwischen der pulmonalen Exhalation von flüchtigen organischen Substanzen (Chloroform, Aceton u. a.) nach intravenöser Injektion sowie deren spezifischen chemischen Eigenschaften gibt: je geringer die Wasserlöslichkeit, desto höher die Konzentration der Substanz im Exhalat [3]. Der Begriff „flüchtige organische Verbindungen“ (volatile organic compounds, VOCs) wurde im letzten Jahrhundert von einigen Wissenschaftlern, u. a. dem Nobelpreisträger Pauling [4], geprägt. Systematische Untersuchungen zeigten erste Zusammenhänge zwischen bestimmten VOCs und Krankheiten. Die VOCs gelangen vom Blut mittels passiven Transports durch die alveolaren Membranen der Lunge in die ausgeatmete Luft. Die Messung dieser endogenen Spurengase kann wichtige Erkenntnisse über physiologische und pathophysiologische Prozesse im Organismus liefern.
Der erste Meilenstein zur modernen Analyse volatiler organischer Verbindungen wurde 1971 gelegt, als Pauling et al. bei der gaschromatografischen Untersuchung von Atemwegsexhalat und verflüchtigtem Urin jeweils über 200 verschiedene Substanzen in separaten Proben nachweisen konnten [4]. In den 80er-Jahren gelang es, einzelnen Krankheitsbildern bestimmte flüchtige Metaboliten zuzuordnen [5]. So konnten Gordon et al. 1985 verschiedene Alkane in der Ausatemluft von Patienten mit Lungenkrebs nachweisen [6].
Phillips et al. gelang es 1999, anhand einer Kombination identifizierter Alkane und Benzene mit hoher Sensitivität und Spezifität zwischen Lungenkrebspatienten und gesunden Kontrollprobanden zu unterscheiden [7]. Aufgrund technischer Verbesserungen und vereinfachter Durchführbarkeit von Messungen an Patienten stieg das medizinwissenschaftliche Interesse an der Analyse von VOCs in den vergangenen Jahren kontinuierlich an [8].
Exhalom und Volatilom
Als „Volatilom“ bezeichnet man den Pool von VOCs aus sämtlichen Kompartimenten des menschlichen Körpers, z. B. aus den Atemwegen, dem Speichel, dem Blut, der Muttermilch, dem Schweiß, dem Urin oder den Faeces [9]. Alles deutet darauf hin, dass Veränderungen in Konzentration oder Muster mehrerer Komponenten im Spektrogramm bzw. das Neuauftreten von VOCs charakteristisch für einzelne Erkrankungen ist. Die quantitative Zusammensetzung des Volatiloms lässt sich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht erfassen.
Das Exhalom, die Gesamtheit der VOCs in der Ausatemluft, kann dagegen in nano- bis picomolaren Konzentrationen quantifiziert werden. Die Gaschromatografie-gekoppelte Massenspektrometrie stellt für die Analyse der Ausatemluft bislang den Goldstandard dar [2, 10]. Die hierfür verwendeten Geräte sind jedoch nicht mobil einsetzbar sowie kostenintensiv und erfordern große technische Vorkenntnisse. Daher werden für die bettseitige Anwendung neuere Entwicklungen, wie eine „elektronische Nase“ oder ein Ionenmobilitätsspektrometer (IMS), genutzt. So kann die Analyse direkt am Patientenbett ohne eine vorherige Probenaufbereitung stattfinden.
Bei der Detektion von VOCs muss man zunächst den Ursprung der erfassten VOCs differenzieren. Das Volatilom wird über die menschliche Haut, Faeces, Urin oder die Ausatemluft „freigesetzt“, womit jedoch keine Aussage über den ursprünglichen Entstehungsort der volatilen Substanzen getroffen werden kann. Grundsätzlich sind in unserer Atemluft enthaltene endogene, im Körperinneren entstandene VOCs, von den exogenen, aus der Umgebung des Patienten stammende VOCs, zu unterscheiden. Exhalierte endogene VOCs können entweder lokalen Ursprungs sein, und somit direkt aus dem Bereich des oberen und unteren Respirationstraktes stammen, oder VOCs systemischer Herkunft, welche indirekt über den Blutkreislauf in die Alveoli der Lunge gelangen und schließlich abgeatmet werden (Abb. 1).