TSH-Rezeptor-Antikörper -Methodenvergleich und klinischer Nutzen
Autoimmune Schilddrüsenerkrankungen sind mit der Anwesenheit von Antikörpern gegen Schilddrüsenantigene wie der Thyreoperoxidase, des Thyreoglobulin und des Thyroidea-stimulierenden Hormon-Rezeptors assoziiert. Diese Antikörper können entweder mithilfe eines kompetitiven Bindungs-Immunoassays oder eines zellbasierten Bioassays nachgewiesen werden.
Schlüsselwörter: Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis, TSH-Rezeptor-Antikörper, stimulierende TSH-Rezeptor- Antikörper, blockierende TSH-Rezeptor-Antikörper, Biomarker, Luciferase-Bioassays, Bindungs-Immunoassays
Autoimmune Schilddrüsenerkrankungen (AISE) repräsentieren eine komplexe Gruppe von Erkrankungen mit verschiedenen klinischen Manifestationen einschließlich der Hyperthyreose, der Hypothyreose und des Kropfes. Diese Erkrankungen sind mit der Anwesenheit von Autoantikörpern (Ak) gegen mehrere Schilddrüsenantigene, wie der Thyreoperoxidase (TPO), dem Thyreoglobulin (Tg), und des Thyreoidea-stimulierenden Hormon-Rezeptors (TSHR), assoziiert. Anti-TPO-Ak und anti-Tg-Ak werden häufig in Patienten mit AISE detektiert – in erster Linie sind sie primäre Marker des zugrunde liegenden Zell- und Zytokin-vermittelten Destruktionsprozesses. Im Gegensatz dazu sind die TSHR-Ak funktionell von Bedeutung und weisen entweder stimulierende, blockierende oder neutrale Eigenschaften auf, die an unterschiedliche Epitope des TSHR binden [1–3]. Stimulierende TSHR-Ak (sTSHR-Ak) wirken als TSH-Agonisten, indem sie an den TSHR der Thyreozyten binden und eine Hyperthyreose induzieren [4]. In der Schilddrüse führt die Stimulation des TSHR zur Aktivierung der Adenylatzyklase (AZ), wodurch intrazellulär der Botenstoff zyklisches 3‘, 5‘-Adenosinmonophosphat (cAMP) akkumuliert wird. Daraus resultierend wird eine vermehrte Synthese und Sekretion der Schilddrüsenhormone angeregt. Die Konzentrationen von freiem Trijodthyronin (T3) und freiem Thyroxin (T4) steigen an und das TSH wird supprimiert. Bei AISE handelt es sich um systemische Autoimmunerkrankungen mit sowohl thyreoidalen als auch extrathyreoidalen Manifestationen. Bei etwa 40–60 % der Patienten mit Morbus Basedow (MB) tritt eine endokrine Orbitopathie (EO) während oder nach der Hyperthyreose auf. In der Orbita führt die Bindung der sTSHR-Ak an den TSHR zu einer zunehmenden Fibrosierung und verursacht dadurch ein retrobulbäres Druckgefühl und den Exophthalmus. Die klinische Aktivität (Clinical Activity Score, CAS) und der Schweregrad (NOSPECS) der EO bei Kindern und Erwachsenen korrelieren sehr gut mit den gemessenen sTSHR-Ak-Werten im Luciferase-Bioassay [5–8]. Blockierende TSHR-Ak (bTSHR-Ak) üben eine inhibierende Wirkung aus, indem sie mit TSH um die Bindung an den TSHR konkurrieren. bTSHR-Ak führen zu einer Hypothyreose bei Patienten mit einer Hashimoto-Thyreoiditis (HT). Patienten mit HT können ebenfalls eine schilddrüsenassoziierte Orbitopathie entwickeln. Die Prävalenz von sTSHR-Ak bei Patienten mit HT und schilddrüsenassoziierter Orbitopathie beträgt 6 % [9]. Des Weiteren können die funktionellen TSHR-Ak transplazentar übertragen werden und fetale bzw. neonatale Schilddrüsenerkrankungen auslösen [10]. Die Detektion von funktionellen TSHR-Ak ist somit für die Diagnose und Prognose bei AISE von erheblicher klinischer Bedeutung. Bei den stimulierenden und blockierenden TSHR-Ak handelt es sich um sensitive, spezifische und reproduzierbare Biomarker. Neutrale TSHR-Ak wirken weder stimulierend noch blockierend. Für neutrale TSHR-Ak gibt es bislang keine labordiagnostisch anwendbaren Nachweismethoden. Sie werden auch als „Cleavage“-Ak bezeichnet, da sie die Apoptose der Thyreozyten über reaktive Sauerstoffspezies induzieren [11].
TSH-Rezeptor
Der TSHR stellt das primäre Antigen bei autoimmun-bedingten Schilddrüsenerkrankungen dar und ist wichtig für die Funktion und das Wachstum von Thyreozyten. Der TSHR wird nicht nur in der Schilddrüse exprimiert, sondern auch in orbitalen Fibroblasten und Adipozyten. Der TSHR ist ein G-Protein-gekoppelter Rezeptor und löst über Guanosintriphosphat(GTP)-bindende Proteine die Aktivierung von zellulären Signalkaskaden aus. Dies geschieht überwiegend über den cAMP-Signalweg. Der TSHR weist eine große Amino(N)-terminale extrazelluläre Domäne auf, die von wichtiger Bedeutung für die Bindung des Liganden ist. Hier binden sowohl der physiologische Ligand TSH als auch die TSHR-Ak. Die extrazelluläre Domäne wird als Alpha- oder A-Untereinheit und die Transmembran-Domäne mit dem Carboxy(C)-terminalen Ende als Beta- oder B-Untereinheit bezeichnet.
Nomenklatur
In der Literatur werden unterschiedliche Begriffe für die TSHR-Ak verwendet [12]. TSHR-Ak werden oft auch „TRAb“ (TSH-receptor antibodies) genannt, was sich jedoch nicht auf einen spezifischen Antikörpertyp bezieht. Dieser Ausdruck wird gewöhnlich für die kompetitiven Bindungs-Immunoassays angewandt, da sie lediglich die gesamte Anti-TSHR-Bindungsaktivität detektieren. Zellbasierte Bioassays messen entweder stimulierende oder blockierende TSHR-Ak. Stimulierende TSHR-Ak werden „TSHR stimulating antibodies (TSAb)“ oder auch „TSHR stimulating immunoglobulins (TSI)“ genannt. Hingegen werden blockierende TSHR-Ak in Bioassays als „TSHR blocking antibodies (TBAb)“ oder „TSHR blocking immunoglobulins (TBI)“ aufgeführt. Es gibt verschiedene Indikationen zur Messung von TSHR-Ak, die in Tab. 1 aufgelistet sind.