PD-L1
Die meisten neoplastischen Zellen im Organismus werden durch das Immunsystem erkannt und eliminiert. Tumorzellen können sich der Bekämpfung durch das Immunsystem jedoch durch verschiedene Mechanismen entziehen. Dazu zählt die Dysregulation von Immuncheckpoints, was eine negative Regulierung der T-Zell-vermittelten Immunantwort bewirkt. Durch den Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren kann die T-Zell-Antwort des Immunsystems verbessert bzw. wieder angekurbelt werden. Die aktuell zugelassenen Antikörper blockieren meistens die Interaktion des PD-1 (programmed cell death protein 1)-Rezeptors mit seinen Liganden PD-L1/bzw. -L2.Das Ansprechen auf eine solche Blockade der PD-1/PD-L1-Achse fällt in der klinischen Praxis – auch mit Unterschieden zwischen Tumorentitäten – unterschiedlich aus. Bei einigen Entitäten wie beispielsweise beim Melanom oder NSCLC wurden vormals unbekannte Raten an Patienten mit einem Langzeitansprechen beobachtet. Die immunhistochemische Bestimmung der PD-L1-Expression auf Tumor- und/oder Immunzellen ist der aktuell in der Klinik am stärksten etablierte prädiktive Biomarker, für einige Checkpoint-Inhibitoren ist die PD-L1-Testung in manchen Indikationen sogar obligat, bevor eine Therapie begonnen werden kann. Dennoch ist der Stellenwert des PD-L1-Status als prädiktiver Biomarker für das Ansprechen auf eine Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren nicht absolut: Nicht alle Patienten mit positivem PD-L1-Status sprechen an, aber auch Patienten ohne signifikante PD-L1-Expression können von Checkpoint-Inhibitoren profitieren. Als alleiniger prädiktiver Faktor scheint die PD-L1-Expression somit nicht auszureichen. Dennoch ist von einem prädiktiven Potential für das Ansprechen auf eine Anti-PD-1/PD-L1-Therapie auszugehen, sodass in der 6. Folge unserer Biomarker-Serie der aktuelle Kenntnisstand zur PD-L1-Bestimmung beleuchtet werden soll.
Schlüsselwörter: PD-L1, Pembrolizumab, Atezolizumab, Cemiplimab, NSCLC, RCC, Melanom, Urothelkarzinom, Nierenzellkarzinom, Hodgkin-Lymphom, Plattenepithelkarzinome der Kopf-Hals-Region, triple-negatives Mammakarzinom
Obwohl das Immunsystem grundsätzlich in der Lage ist, Tumorzellen zu erkennen und zu eliminieren [1], können sich Tumoren über verschiedene Mechanismen einer Immunantwort entziehen. Zu klassischen Escape-Mechanismen gegenüber einer adaptiven T-Zell-vermittelten Immunantwort zählen z. B. der Verlust der (Auto-)Antigen-Expression auf der Tumorzelloberfläche [2, 3], aber auch die aktive Manipulation von wichtigen immunregulatorischen Signalkaskaden, zu deren wichtigsten Vertretern Immuncheckpoints wie CTLA-4(Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen-4), PD-1 oder PD-L1/2 zählen [4].
Immuncheckpoint-Moleküle wie CTLA-4, PD-L1/2 und PD-1 spielen in verschiedenen Phasen der Immunantwort eine entscheidende Rolle und regulieren maßgeblich Intensität und Qualität der T-Zell-Antwort [4–6]. Nach der T-Zell-Stimulation verhindert eine inhibitorische Ko-stimulation am Immuncheckpoint eine überschießende Immunreaktion bzw. eine Autoimmunität, fungiert also als eine Art Bremse des Immunsystems. Immuncheckpoints inhibieren somit die T-Zell-Funktion und Proliferation [7, 8]. Tumorzellen können diesen Regelkreis missbrauchen: An der inhibitorischen Kostimulation sind verschiedene Moleküle und Rezeptoren auf T-Zellen, Antigen-präsentierenden Zellen und teilweise auch auf den Tumorzellen selbst beteiligt. Dazu gehören PD-1 und seine Liganden PD-L1 und PD-L2. PD-1 fungiert durch die Interaktion mit seinen Liganden PD-L1 und PD-L2 in verschiedenen Stadien der Immunantwort als negativer Regulator der T-Zell-Aktivität [9–11]. PD-L1 bindet an die PD-1-Rezeptoren der T-Zellen im tumoralen Mikromilieu und bewirkt so eine T-Zell-Inaktivierung bzw. reduzierte T-Zell-Proliferation, kurz eine verminderte T-Zell-Aktivität [12, 13] (Abb. 1).

Der PD-1-Rezeptor wird auf der Oberfläche aktivierter T-Zellen, aber auch Immunzellen wie natürlichen Killerzellen und B-Zellen [4, 14] exprimiert, die Liganden PD-L1/2 auf Tumor- und Immunzellen.
PD-L1 wird vom Gen CD274 kodiert, das auf dem Chromosom 9p24.1 lokalisiert ist [15, 16]. Strukturelle Veränderungen des PD-L1-Gens sind ein Faktor, der die PD-L1-Expression beeinflussen kann [17]. PD-L1 wird normalerweise v. a. auf aktivierten
T- und B-Lymphozyten, dendritischen Zellen, Makrophagen und Mastzellen, aber auch auf einer Reihe von anderen Zellarten exprimiert [13, 18].
Die Bedeutung des PD-L1-Status
PD-L1 wird von Tumorzellen verschiedener Tumorarten exprimiert [19, 20]. Eine hohe PD-L1-Expression kann auf eine Tumor-induzierte Suppression der T-Zell-vermittelten Immunantwort hindeuten, sodass bei diesen Tumoren eine Therapie mit PD-1/L1-Inhibitoren besonders Erfolg versprechend sein könnte. Eine aktuelle Meta-Analyse, die den Zusammenhang zwischen PD-L1-Status und Wirksamkeit von PD-1/PD-L1-Inhibitoren bzw. dem Gesamtüberleben (OS) von Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren untersucht hat, kommt zu dem Schluss, dass die PD-1/PD-L1-Antikörper in den 24 analysierten Studien das OS sowohl bei PD-L1-positiven als auch bei PD-L1-negativen Patienten verbesserten. Allerdings war die Stärke des Vorteils durch die Therapie mit den Checkpoint-Inhibitoren vom PD-L1-Status abhängig; es bestand also ein Zusammenhang zwischen der Stärke der PD-L1-Positivität und dem Überlebensvorteil [20]. Damit kann man davon ausgehen, dass die PD-L1-Expression zwar zur Prädiktion des Ansprechens auf die Therapie mit einem Checkpoint-Inhibitor geeignet ist, aber alleinig nicht ausreicht, um alle potentiell ansprechenden Patienten zu identifizieren [13].
Somit stellt die immunhistochemische Bestimmung des PD-L1-Status zwar einen validen, jedoch keinen optimalen Biomarker dar. Dennoch kann der PD-L1-Status als eine Art Wahrscheinlichkeitsangabe herangezogen werden: je deutlicher die PD-L1-Expression, umso höher die Wahrscheinlichkeit für ein Ansprechen auf die Immuncheckpoint-Inhibition.
Ferner unterliegt die Expression von PD-L1 einer weiteren wichtigen Limitation: Im Gegensatz zu anderen in der Onkologie etablierten Biomarkern wie BRAF-Mutationen oder HER2/neu-Amplifikationen,
die meist als relativ stabile Marker angesehen werden können, ist die PD-L1-Expression ein dynamischer Prozess, der von vielen Faktoren abhängt, so z. B. von dynamischen immunologischen Vorgängen sowie der Lokalisation des biopsierten Tumors. Besonders die räumliche Abhängigkeit (PD-L1-Expression im Vergleich zwischen Primärtumor und Metastase bzw. generelle Immunreaktion gegen Primärtumor vs. Metastase) stellt ein besonderes Problem dar: So konnten Studien zeigen, dass der PD-L1-Status zwischen Primärtumoren und Lebermetastasen von Urothelkarzinomen, die besonders schlecht auf eine Immuntherapie ansprechen, dramatische Unterschiede in der PD-L1 Expression aufwiesen (deutlich reduzierte PD-L1 Expression in der Metastase im Vergleich zum Primarius) [21]. Ob die Biopsie und PD-L1-Testung von Metastasen jedoch eine bessere prädiktive Aussage für ein Ansprechen auf eine Immuntherapie liefern können, ist nach wie vor nicht geklärt und muss in zukünftigen Studien untersucht werden.
Bei verschiedenen soliden Tumoren wie dem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), Melanom, Nierenzellkarzinom, Urothelkarzinom und dem kolorektalen Karzinom (CRC) wurde beobachtet, dass ein Ansprechen auf Checkpoint-Inhibitoren auch mit der Tumormutationslast (Tumor Mutational Burden, TMB) und oder Mikrosatelliteninstabilität (MSI) assoziiert ist [22–25].
Anti-PD-1/Anti-PD-L1-Wirkstoffe
Die gängigen heute eingesetzten Immuncheckpoint-Inhibitoren sind in der Regel gegen PD-1, PD-L1 oder CTLA-4 gerichtet, neue Substanzen befinden sich stetig in Entwicklung. Der Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren, insbesondere von denen, die die PD-1/PD-L1-Signalkaskade angreifen, hat die klinische Onkologie in einigen Krankheitsentitäten (z. B. Melanom, NSCLC) revolutioniert.
Die Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab, Pembrolizumab und Cemiplimab sowie die Anti-PD-L1-Antikörper Avelumab, Atezolizumab und Durvalumab werden alleine oder in Kombination derzeit bereits erfolgreich beim malignen Melanom, NSCLC, kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), Nierenzellkarzinom, Urothelkarzinom, triple-negativen Mammakarzinom, Plattenepithelkarzinom des Kopf-Hals-Bereichs, kutanen Plattenepithelkarzinom, Merkelzellkarzinom und Hodgkin-Lymphom eingesetzt [26–31]. Kombinationstherapien bestehen dabei meistens aus der Kombination eines PD-1/PD-L1-Inhibitors mit einem CTLA4-Inhibitor, z. B. Nivolumab plus Ipilimumab bzw.Durvalumab plus Tremelimumab.
Die objektiven Ansprechraten bei Patienten mit verschiedenen Tumorarten liegen zwischen 20 % und 40 % [32, 33]. Trotz der partiell niedrigen generellen Ansprechraten zeigen einige Patienten eine dauerhafte komplette Remission, die bei bislang angewendeten konventionellen Therapien in der Regel nicht beobachtet wurde.
Für den Einsatz einiger Checkpoint-Inhibitoren muss zuvor der PD-L1-Status auf Tumor- und/oder Immunzellen als prädiktiver Biomarker bestimmt werden, da ein Therapievorteil in diesen Indikationen ausschließlich für die PD-L1-positiven Studienpopulationen gezeigt werden konnten (z. B. Pembrolizumab-Monotherapie beim NSCLC, Pembrolizumab- oder Atezolizumab-Monotherapie beim metastasierten Urothelkarzinom) (Tab. 1a, b).
In anderen Indikationen sind Checkpoint-Inhibitoren jedoch auch ohne PD-L1-Testung zugelassen (Tab. 1a, b), da in den entsprechenden Zulassungsstudien der Vorteil durch die Checkpoint-Inhibition für die gesamte Patientenpopulation gezeigt werden konnte, bei gleicher Wirksamkeit gegenüber einer Standardtherapie deutlich niedrigere Nebenwirkungsraten beobachtet wurden oder generell keine standardisierte Therapie existierte. Ein Beispiel für letzteres ist das platinrefraktäre metastasierte Urothelkarzinom, das bislang klassisch mit Vinflunin oder Docetaxel behandelt wurde. Diese Zytostatika sind jedoch für diese Indikation nicht zugelassen und erzielen zudem nur geringe Ansprechraten bei relativ hohen Nebenwirkungsraten. Trotz eines geringen (Pembrolizumab) bzw. statistisch nicht belegbaren (Atezolizumab) PD-L1-unabhängigen Überlebensvorteils wurde die Zweitlinientherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren aufgrund der Möglichkeit eines Langzeitansprechens und wegen besserer Verträglichkeit sowohl von der FDA als auch EMA in dieser Indikation zugelassen [34, 35].
Schon früh erwies sich die Kombination aus dem PD-1-Inhibitor Nivolumab und dem CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab beim fortgeschrittenen Melanom gegenüber einer Nivolumab-Monotherapie als besser wirksam [36]. Chemoimmuntherapien waren ebenfalls in einigen Studien erfolgreich, wie beispielweise die Kombination von PD-(L)1-Inhibitor plus Chemotherapie beim fortgeschrittenen TNBC [37, 38] und beim metastasierten NSCLC ([27, 29, 39] sowie von PD-L1-Inhibitor plus Chemotherapie beim fortgeschrittenen SCLC [29, 40]. Auch Mehrfachkombinationen – etwa Chemotherapie plus antiangiogene Therapie plus Checkpoint-Inhibitor oder eine duale Immuntherapie zusammen mit einer Kurz-Chemotherapie – konnten eine gute Wirksamkeit bei akzeptablen Nebenwirkungsprofilen zeigen [41, 42].
Zur Erhöhung der Ansprechraten in anderen Entitäten werden deshalb Checkpoint-Inhibitoren aktuell auch in einer Vielzahl von Kombinationstherapiestudien mit Chemo- und Radiochemotherapien, mit zielgerichteten Substanzen wie Tyrosinkinase- und PARP-Inhibitoren, Angiogenese-Inhibitoren und auch Androgenrezeptor-Inhibitoren untersucht [43]. Es gilt allerdings festzuhalten, dass derartige Kombinationen teils mit erheblichen Nebenwirkungsprofilen vergesellschaftet sind.
PD-L1-Expression bei verschiedenen Tumoren
Eine PD-L1-Expression wurde bei verschiedenen Tumorentitäten nachgewiesen, besonders bei stark immunogenen Tumoren wie dem malignen Melanom, dem NSCLC sowie dem Urothel- und Nierenzellkarzinom [44]. Bei diesen Tumorarten, bei denen häufig gute Ansprechraten auf Checkpoint-Inhibitoren beobachtet werden, wird eine immunhistochemisch nachweisbare PD-L1-Expression in 14–100 % der Fälle beschrieben [13] (Tab. 2).
Tab. 2 PD-L1-Expression bei verschiedenen soliden Tumoren und hämatologischen Neoplasien nach Tumorart. Mod. nach [13].
Tumorart | PD-L1-exprimierende Tumorproben |
---|---|
Malignes Melanom | 38–100 % |
Nierenzellkarzinom (RCC) | 14–44 % |
NSCLC | 21–95 % |
Harnblasenkarzinom | 20–28 % |
Kopf-Hals-Tumoren | 31–66 % |
Zervixkarzinom | 19–29 % |
Glioblastom | 25–45 % |
Triple-negatives Mammakarzinom | 18% |
Mammakarzinom, verschiedene Subtypen, davon 59% triple-negativ | 43% |
Magenkarzinom | 42% |
Kolorektales Karzinom, unspezifiziert | 53% |
Kolorektales Karzinom, MSI-high | 56% |
Kolorektales Karzinom, MSS | 21% |
Ovarialkarzinom | 87–89 % |
Akute myeloische Leukämie | 37% |
B-Zell-Lymphome | 58% |
Leukämien (verschiedene) | 57% |
Multiples Myelom | 93% |
Die angegebenen Prozentzahlen basieren auf dem IHC-Nachweis mit verschiedenen Antikörpern, Nachweisverfahren und Schwellenwerten und beziehen sich auf eine beliebige vorhandene PD-L1- Expression auf Immunzellen, Tumorzellen oder beiden Zellpopulationen. Die Positivitätsrate bezüglich der Cut-off-Werte für bestimmte Medikamentenzulassungen (z. B. Anteil von Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom mit einem Combined Positivity Score von ≥ 10 vs. < 10) können von den vorliegenden Prozentzahlen deutlich abweichen. MSI: Mikrosatelliteninstabilität MSS: Mikrosatellitenstabilität |
Allerdings ist das Ausmaß der PD-L1-Expression nicht unmittelbar mit der tatsächlichen Immunogenität des Tumors bzw. der Effektivität oder dem Ansprechen auf eine Behandlung mit PD-1/PD-L1-Inhibitoren assoziiert. Beim CRC oder bei Sarkomen – Tumor-entitäten, bei denen bisher von einem eher schlechten Ansprechen auf Immuncheckpoint-Inhibitoren ausgegangen wurde – wurden dennoch PD-L1-Expressionsraten von 12–53 % nachgewiesen [13]. Interessanterweise wurden auch für das Ovarialkarzinom sehr hohe PD-L1-Expressionraten dokumantiert (Tab. 2); die Erfolge von Immuntherapien waren hier bisher aber, v. a. als Monotherapien, sehr begrenzt. Bei malignen hämatologischen Erkrankungen wurden teilweise ebenfalls hohe PD-L1-Expressionsraten beobachtet (bestimmt mittels Durchflusszytometrie). Generell zeigen sich vor allem bei durch Viren (z. B. durch Epstein-Barr-Virus oder das Humane T-lymphotrope Virus (HTLV)) verursachten hämatologischen Neoplasien eine hohe PD-L1-Expression auf den Tumorzellen [13]. Ein Sonderfall ist das klassische Hodgkin-Lymphom, bei dem ein Mechanismus zur Immunsuppression und PD-L1/L2-Hochregulation über die Amplifikation des Chromosoms 9p24.1 gezeigt wurde [13]. Generell hat sich die Therapie mit PD-1-Inhibitoren wie Nivolumab oder Pembrolizumab hier als außergewöhnlich erfolgreich erwiesen.
PD-L1-Immunhistochemie als Standard
Zur Vorhersage des Ansprechens auf Anti-PD-1/PD-L1-Therapien ist derzeit der Nachweis der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen durch die Immunhistochemie (IHC) am besten in der Klinik etabliert. Die PD-L1-IHC ist für einige Checkpoint-Inhibitoren sogar ein obligatorischer prädiktiver Biomarker, der vor der Einleitung einer potentiellen Immuntherapie diagnostisch bestimmt werden muss (z. B. für das NSCLC, für Plattenepithelkarzinome der Kopf-Hals-Region, das triple-negative Mammakarzinom und das Urothelkarzinom).
Eine solche obligatorische Testung muss in Europa, anders als in den USA, aber aktuell noch nicht zwingend mit dem speziell für das entsprechende Medikament zugelassenen Testverfahren (sogenannter Companion Diagnostic Assay (CDA), z. B. PharmDX 22c3 PD-L1-Assay für Pembrolizumab) erfolgen. Es gilt aber anzumerken, dass sich diese Situation durch das 2021 vollständig in Kraft tretende nivellierte Gesetz der Europäischen Union zur Regelung von Medizinprodukten (MDR) und In-vitro-Diagnostika (IVDR) drastisch verändern kann.
Gemäß der aktuellen Zulassungsbestimmungen der EMA ist die PD-L1-Testung obligatorisch für den Einsatz von Atezolizumab beim triple-negativen Mammakarzinom (TNBC), für Pembrolizumab und Durvalumab beim NSCLC, für Pem-brolizumab und Atezolizumab beim Urothelkarzinom, und für Pembrolizumab bei Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereiches (Tab. 1a, b).
Hierbei gilt zu beachten, dass die Raten für „PD-L1-Positivität“ auch innerhalb einer Entität für verschiedene Medikamente komplett unterschiedlich ausfallen können, da jedes Medikament in der Regel in Zusammenhang mit einem eigenen Auswertungsalgorithmus und eigenem Cut-off zugelassen ist.
Deshalb kann ein Tumor nicht generell als „PD-L1-positiv“ bewertet werden, weil immunhistochemisch eine Expression auf Tumorzellen oder Immunzellen nachgewiesen werden kann. Vielmehr ist die „PD-L1-Positivität“ immer in Abhängigkeit von der Tumorentität, dem betreffenden Medikament und der Indikation zu interpretieren.
Beispielsweise wird für die PD-L1-Testung beim metastasierten Urothelkarzinom für Pembrolizumab die PD-L1-Expression auf Tumorzellen und Immunzellen bewertet, während für Atezolizumab in der gleichen Therapielinie (Erstlinie) lediglich
die Expression auf Immunzellen bewertet wird.
Technische Aspekte der PD-L1-Immunhistochemie
Da die immunhistochemische PD-L1-Testung den am breitesten eingesetzten prädiktiven Test für eine Immuntherapie darstellt, ist eine hohe Qualität der Immunfärbung sowie die korrekte Interpretation und Auswertung unabdingbar. Grundsätzlich ist für eine histologische Diagnostik geeignetes FFPE-Material zu verwenden. Alle aktuell von der FDA und EMA zugelassenen CDAs sind ausschließlich für den Einsatz an histologischem Material validiert und zugelassen [45–48].
Zytologisches Material sollte gemäß der Zulassungsbestimmungen der verschiedenen Medikamente offiziell nicht verwendet werden – hierfür existieren aktuell keine offizielle Zulassung und auch keine offizielle Validierung des prädiktiven Wertes der PD-L1-Bestimmung innerhalb der großen Zulassungsstudien.
Nach neueren Erkenntnissen kann dieses Material aber eingeschränkt beurteilt werden, wenn Zellblöcke angefertigt werden und ausschließlich die Expression von PD-L1 auf Tumorzellen bewertet wird (z. B. Tumor Proportion Score beim NSCLC). Eine Bewertung der Immunzellpositivität ist an zytologischen Materialien nach gängigen Auswertungsalgorithmen nicht möglich, da sowohl für die Immunzell-Scores für Atezolizumab und Durvalumab als auch für den Combined Positivity Score (CPS) für Pembrolizumab der Bezug der Immunzellen zum Tumor zwingend für eine Beurteilung erforderlich ist.
Generell sollte jedoch beachtet werden, dass auch eine PD-L1-Auswertung bezüglich einer Tumorzellpositivität idealerweise immer an einer Biopsie mit erhaltener Gewebeintegrität durchgeführt werden sollte.
Zur Frage, ob Material aus Primärtumoren oder Metastasen verwendet werden sollte, gibt es Hinweise, dass partiell erhebliche Expressionsunterschiede zwischen Primärtumoren und Metastasen existieren können [21, 49, 50]. Des Weiteren ist es fraglich, inwieweit eine monate- oder jahrealte archivierte Gewebebiopsie den aktuellen biologischen Zustand eines metastasierten Tumors adäquat widerspiegelt.
Da in den meisten klinischen Studien auch solches archiviertes pathologisches Material für PD-L1-Testungen herangezogen werden konnte, könnte dieser Umstand zumindest teilweise erklären, wieso Patienten mit einem vermeintlich „PD-L1-negativen“ Tumor auf eine Immuntherapie angesprochen haben. So könnte etwa die nicht untersuchte Metastase eine relevante PD-L1-Expression im Vergleich zum Primärtumor aufgewiesen haben [51].
Generell sollte deshalb immer die aktuellste Tumorbiopsie mit der größten Repräsentativität ausgewählt werden (z. B. PD-L1-Testung an nicht invasiven Urothelkarzinomen vermeiden, wenn Tumor metastasiert). Es sollte immer auch eine Rebiopsie einer gut zugänglichen metastatischen Läsion in Betracht gezogen werden, um eine optimale prädiktive Diagnostik zu gewährleisten. Alle eingesetzten Materialien sollten mindestens 50, besser 100 vitale Tumorzellen enthalten; Untersuchungen an weniger als 50 vitalen Tumorzellen sind als nicht repräsentativ anzusehen. Ferner sollten idealerweise immer frische Schnitte für eine PD-L1-Färbung angefertigt werden; Leerschnitte sollten nur verwendet werden, wenn sie kühl gelagert werden und nicht älter als 3 Monate sind. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass qualitativen Untersuchungen der CDAs zufolge nach 3 Monaten Lagerungszeit ein relevanter Verlust der Antigenizität von PD-L1 eintreten kann [52].
Aktuell werden in der pathologischen Praxis in Europa überwiegend verschiedene „Lab developed tests“ (selbst etablierte Tests) für die PD-L1-Testung verwendet. Da die CDAs häufig sehr teuer sind und deren Kosten nicht über gängige Vergütungspauschalen abgedeckt werden können, ist diese kosteneffiziente PD-L1-Testungsmodalität mittels selbst etablierter Tests weit verbreitet. Generell ist diese Praxis als valide und (auch in wissenschaftlichen Untersuchungen) als äquivalent zu kommerziell verfügbaren CDAs zu betrachten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Tests sowohl hohen internen als auch externen Kontrollstandards unterliegen.
Zur Qualitätsüberprüfung empfiehlt sich beispielsweise eine Plausibilitätsprüfung der Färbeergebnisse: Die Positivitätsraten sollten quartalsweise oder im Jahresmittel im aufgeführten prozentualen Bereich liegen, so wie sie aus klinischen Studien berichtet wurden; dabei können Daten zum Vergleich mit anderen Instituten auch in größere Register eingegeben werden.
Außerdem wird die Teilnahme an externen Ringversuchen empfohlen, z. B. an denen der deutschen Ringversuchsorganisation Qualitätssicherungsinitiative Pathologie (QuIP) der deutschen Gesellschaft für Pathologie (https://quip.eu/de_DE/). Auf der Webseite der QuIP sind zertifizierte Zentren einsehbar. Außerdem bietet die QuIP ein PD-L1-Portal, das einen aktuellen Stand über zulassungsrelevante Cut-offs und Scores nach Entitäten aufgeschlüsselt wiedergibt und weitere entitätsspezifische Informationen zur PD-L1-Bestimmung bereitstellt (https://www.pdl1portal.eu/).
Neben diesen generellen Überlegungen zur Qualitätssicherung gilt es, bei der Auswahl des diagnostischen Antikörpers bzw. des diagnostischen CDA wichtige Punkte zu beachten: So konnte beispielsweise in verschiedenen Untersuchungen in NSCLCs, TNBCs, Nierenzellkarzinomen und Urothelkarzinomen gezeigt werden, dass hinsichtlich der Detektion von Immunzellen alle gängigen verwendeten Antikörperklone/CDAs (Ventana SP236, Ventana SP142, PharmDX 28-8 und PharmDx 22C3) eine Austauschbarkeit hinsichtlich der Detektion von Immunzellen aufweisen, während der Ventana SP142 im Vergleich zu den anderen Assays eine deutlich geringere Sensitivität für die Detektion von positiven Tumorzellen aufweist [53–59].
Wenn daher in der täglichen Praxis lediglich ein Antikörpertest für die PD-L1-Bestimmung verwendet wird, sollte idealerweise ein Assay zur Anwendung kommen, der in der Lage ist, sowohl Immun- als auch Tumorzellen mit PD-L1-Expression suffizient zu detektieren.
Neben der Etablierung einer validen und qualitativ hochwertigen Immunhistochemie ist die korrekte Schulung und Anwendung verschiedener PD-L1-Auswertungsalgorithmen essentiell. So werden für verschiedene Entitäten partiell vollkommen unterschiedliche Auswertungsalgorithmen und Cut-offs verwendet. Diese können ferner innerhalb derselben Tumorentität zwischen verschiedenen Medikamenten ebenfalls variieren.
Die aktuellen in Europa gültigen Zulassungsbestimmungen inklusive der vorgeschriebenen PD-L1-Cut-offs und Algorithmen sind in Tab. 1 a, b abgebildet. Die Zusammensetzung der PD-L1-Auswertungsalgorithmen ist im nebenstehenden Textkasten dargestellt.