Chronische lymphatische Leukämie und Richter-Transformation

Die Diagnostik und Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) wurde in den letzten Jahren durch rege nationale und internationale Studientätigkeit stetig weiterentwickelt und verbessert. So wurden die molekularen und genetischen Charakteristika der CLL immer besser verstanden und zielgerichtete Substanzen zur Krankheitskontrolle entwickelt. Die CLL zählt zu den häufigsten hämatologischen Neoplasien und ist die häufigste Leukämie in Deutschland. Sie wird innerhalb der WHO-Klassifikation zu den indolenten B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) gerechnet. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die diagnostische Aufarbeitung einer CLL und fasst die aktuelle Therapielandschaft zusammen. Zusätzlich soll auf die seltene Transformation der CLL in ein aggressives Lymphom, die sogenannte Richter-Transformation, eingegangen werden.

Schlüsselwörter: Chronische lymphatische Leukämie, CLL, zielgerichtete Substanzen, NHL, Richter-Transformation, Fludarabin, Cyclophosphamid, Rituximab, Bendamustin, Chlorambucil, Obinutuzumab, Ibrutinib,Acalabrutinib, Idelalisib, Venetoclax, Chlorambucil

Jährlich werden in Deutschland auf 100.000 Einwohner ca. 6 Fälle mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) diagnostiziert. Damit ist die CLL die häufigste Leukämie in Deutschland [1]. Männer sind mit einem Verhältnis von 1,4 : 1 im Vergleich zu Frauen etwas überrepräsentiert. Das mediane Erkrankungsalter liegt bei 73 Jahren, wobei die meisten Patienten bei Erstdiagnose nicht behandlungsbedürftig sind. Etwa 1.000 Männer und 850 Frauen sterben jedes Jahr in Deutschland an den Folgen einer CLL.

Pathogenese

Die genauen Ursachen der Entstehung einer CLL sind, wie bei den meisten Leukämien, noch ungeklärt. Es kommt zur Proliferation und Ansammlung von reifen B-Zellen, die – das ist für die CLL charakteristisch –, neben dem B-Zell-Marker CD19 und CD20 auch den T-Zell-Marker CD5 exprimieren [2]. Zusätzlich ist die CLL durch eine breite genetische Heterogenität geprägt, d. h. es sind zahlreiche charakteristische Genmutationen im Zusammenhang mit der CLL beschrieben, wie z. B. TP53, NOTCH1 oder SF3B1 [3]. Darüber hinaus sind viele Signalwege, die Proliferation und Zelltod regulieren, bei der CLL dysreguliert. Hier sind insbesondere der B-Zell-Rezeptor-Signalweg, u. a. mit Kinasen wie der Bruton-Tyrosin-Kinase (BTK) oder der Phosphoinositid-3-Kinase (PI3K) zu nennen, die insbesondere bei der Zellproliferation eine Rolle spielen [4]. Außerdem ist bei der CLL eine Fehlregulation von pro-apoptotischen Proteinen wie BCL-2 beschrieben. Dieses bessere biologische Verständnis hat zur Entwicklung und zum Einsatz von zielgerichteten Substanzen geführt, die diese Signalwege modulieren und so zur Krankheitskontrolle bzw. -eradikation beitragen (Abb. 1).

Symptomatik

Die CLL wird häufig als Zufallsdia-gnose aufgrund einer initial unerklärlichen Lymphozytose entdeckt. Die meisten Patienten haben initial keine spezifischen klinischen Symptome. Bei fortgeschrittener Erkrankung sind vor allem B-Symptome, d. h. Fieber, Nachtschweiß und/oder Gewichtsverlust, typisch. Durch die zunehmende Infiltration von CLL-Zellen in Lymphknoten und Knochenmark kann es zu einer Lymphadenopathie an allen Lymphknotenstationen, inkl. Milz, sowie zu Zytopenien (Anämie, Thrombozytopenie, Neutropenie) kommen. Als Folge können dann wiederum Symptome wie Müdigkeit, Blutungen oder rezidivierende Infektionen auftreten. Außerdem können Autoimmunphänomene, z. B. im Sinne einer auto-immunhämolytischen Anämie (AIHA), im Kontext einer CLL auftreten.

Diagnostik

Für die Diagnose einer CLL reicht meist eine Blutabnahme. Eine Knochenmarkbiopsie ist nur bei unklaren oder nicht eindeutigen Befunden bzw. Differentialdiagnosen erforderlich. Ebenso ist eine Schnittbildgebung für die Erstdiagnose in der Regel nicht notwendig.
Definitionsgemäß müssen im Differentialblutbild mindestens 5,0 G/l B-Lymphozyten nachgewiesen werden [5]. Dazu müssen diese mittels durchflusszytometrischer Immunphänotypisierung eine Koexpression von CD5+ und CD19+ aufweisen sowie eine Klonalität durch Kappa- oder Lambda-Leichtketten-Restriktion. Bei sehr geringer peripherer Ausschwemmung ist manchmal eine Lymphknoten- oder Knochenmarkbiopsie erforderlich.
Falls CD5+CD19+-Lymphozyten nachgewiesen werden, die absolute Lymphozytenzahl jedoch unter 5 G/l liegt und keine Lymphadenopathie vorliegt, spricht man von einer „monoklonalen B-Lymphozytose“ (MBL). Diese kann als ein Vorläufer der CLL angesehen werden, wobei das jährliche Risiko für den Übergang in eine manifeste CLL bei 1–2 % liegt [6]. Ferner unterscheidet man noch ein sogenanntes „kleinzelliges lymphozytisches Lymphom“ (small lymphocytic lymphoma), das im Falle einer nachweisbaren Lymphadenopathie mit < 5,0 G/l B-Lymphozyten vorliegt [7]. Dieses Lymphom wird analog der CLL behandelt.

Stadieneinteilung

In Deutschland ist die Einteilung der CLL in Stadien nach Binet am gebräuchlichsten (Tab. 1).

Tab. 1 Stadieneinteilung nach Binet. Nach Binet et al. Cancer 1977.

Stadium Definition
A Hämoglobin ≥ 10 g/dl
Thrombozyten ≥ 100 G/l
< 3 betroffene Regionen (Lymphknoten, Leber oder Milz)
B Hämoglobin ≥ 10 g/dl
Thrombozyten ≥ 100 G/l
≥ 3 betroffene Regionen (Lymphknoten, Leber oder Milz)
C Hämoglobin < 10 g/dl oder
Thrombozyten < 100 G/l
Zu den Lymphknotenregionen zählen zervikale, axilläre, inguinale Lymphknotenregionen sowie Leber und Milz.

 

Dieser Einteilung liegt die Ausbreitung der klinisch palpablen Lymphadenopathie sowie die rote und weiße Blutreihe (Hämoglobin und Thrombozyten) zugrunde. Die Größe der Lymphknoten in einer Schnittbildgebung spielt keine Rolle. Die Prognoseabschätzung durch die Stadieneinteilung hat aufgrund der deutlich bessere Behandlungsfähigkeit der CLL im fortgeschrittenen Stadium (vor allem Binet B und C) zwar an Bedeutung verloren, ist aber immer noch relevant für die Indikation zur Behandlung.

Biomarker

Durch die bessere biologische Charakterisierung der CLL konnte man in den letzten Jahren vermehrt Korrelationen zwischen molekularen und genetischen Parametern und verschiedenen klinischen Verläufen erkennen. So hat sich schon in den ersten Studien mit Chemoimmuntherapien gezeigt, dass der Nachweis einer TP53-Mutation und/oder eine Deletion 17p mit einem deutlich kürzeren Ansprechen assoziiert ist und diese Patienten ein kürzeres Gesamtüberleben haben [8]. In diesem Setting haben insbesondere die zielgerichteten Sub-stanzen bessere Wirksamkeit gezeigt. Außerdem ist auch der Nachweis eines unmutierten IGHV-Status, also des Genabschnitts der Immunglobulin heavy chain variable region, mit einer schlechteren Prognose assoziiert [9]. Weitere Parameter sind auch z. B. ein komplex aberranter Karyotyp als Ausdruck einer hohen genetischen Instabilität mit einem kürzeren Ansprechen sowie teilweise auch kürzerem Gesamtüberleben [10]. Es wird gemeinhin empfohlen, für jeden Patienten vor Einleitung der Therapie (nicht unbedingt bei Erstdiagnose) ein individuelles Risikoprofil zu erstellen; dazu wurden auch Scores etabliert, wie z. B. der CLL-International Prognostic Index (CLL-IPI), der anhand von fünf Parametern (Alter, Binet-Stadium, β2-Mikroglobulin, Deletion17p/TP53mut und IGHV-Status) eine Risikoeinteilung erlaubt [11].

Therapie

Patienten mit CLL, die keine Symptome aufweisen und keine relevante Blutbildverschiebung im Sinne einer Anämie < 10 g/dl und/oder eine Thrombopenie
< 100 G/l haben, bedürfen keiner spezifischen Behandlung. Wie bei allen anderen indolenten Lymphomen hat bisher keine Studie einen Überlebensvorteil bei einem frühzeitigen Therapiebeginn bei asymptomatischen Patienten nachweisen können, sodass asymptomatische Patienten mit CLL mittels Watch and Wait beobachtet werden können. Sobald krankheitsbedingte Beschwerden (etwa B-Symptome, Blutbildveränderung) auftreten, ist eine spezifische Therapie indiziert.

Therapieziele

Die CLL ist mit den bisher verfügbaren Therapien zumeist nicht heilbar. Eine Ausnahme bildet unter Umständen die allogene Stammzelltransplantation, die einen potentiell kurativen Ansatz hat, allerdings aufgrund der hohen therapieassoziierten Morbidität für die meist älteren Patienten mit CLL selten infrage kommt. Außerdem wurde bei der Subgruppe der mit FCR (Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab) behandelten Patienten, die einen mutierten IGHV-Status hatten, Langzeitremissionen von über 10 Jahren beobachtet, sodass bei einigen dieser Patienten unter Umständen eine Heilung eingetreten ist [12, 13].

Risikoprofil

Vor Einleitung einer Therapie sollte bei jedem Patienten ein individuelles Risikoprofil als Grundlage für das Therapieschema hinzugezogen werden. Für die Wahl der Therapie und Substanzen spielen neben den zyto- und molekulargenetischen Charakteristika auch das Alter und die Fitness, d. h. Anzahl und Schwere von Begleiterkrankungen, eine wichtige Rolle. Entsprechend sollte vor Therapiebeginn der TP53-Status mittels PCR/NGS und FISH sowie der IGHV-Status erhoben werden. Ferner sollte die Fitness mit einem Score, z. B. dem cumulative illness rating scale (CIRS), zumindest annährungsweise geschätzt werden. Eine Evaluation der prognostischen Parameter im frühen Stadium und damit in der Beobachtungsphase wird nicht generell empfohlen, kann jedoch in Einzelfällen erfolgen.

Substanzen

Lange Zeit war die Behandlung der CLL durch die Kombination verschiedener Chemotherapeutika geprägt, die auch Anwendung in anderen onkologischen Krankheitsbildern finden. Hierzu zählen insbesondere Fludarabin, Cyclophosphamid, Bendamustin und Chlorambucil. Bei der CLL sollte eine Chemotherapie immer in Kombination mit einem Antikörper gegen CD20 (Rituximab, Obinutuzumab) im Sinne einer Chemoimmuntherapie verabreicht werden. In den letzten Jahren wurden dazu noch weitere zielgerichtete Substanzen zugelassen, hier insbesondere BTK-Inhibitoren (Ibrutinib, Acalabrutinib), PI3K-Inhibitoren (Idelalisib) und BCL-2-Inhibitoren
(Venetoclax) (Abb. 1).

Erstlinientherapie

Durch die Etablierung zielgerichteter Substanzen auch in frühen Therapielinien ist die Rolle der konventionellen Chemoimmuntherapie, z. B. mit FCR oder Bendamustin-Rituximab (BR), zuletzt vermehrt in den Hintergrund getreten. Grundsätzlich können alle nicht-vorbehandelten Patienten mit einem BTK-Inhibitor oder einer Kombination von Venetoclax-Obinutuzumab behandelt werden. Die Monotherapie mit einem BTK-Inhibitor ist dabei als orale Dauertherapie bis zum Progress vorgesehen, d. h. Patienten mit Ansprechen auf die Behandlung nehmen die Therapie u. U. über mehrere Jahre hinweg ein. Die Therapie mit Venetoclax-Obinutuzumab wird über insgesamt 12 Zyklen à 28 Tage verabreicht, wobei der CD20-Antikörper Obinutuzumab über 6 Zyklen verabreicht wird und der orale BCL-2-Inhibitor über 12 Zyklen eingenommen wird.
Diese beiden Therapieschemata, d. h. Ibrutinib- oder Acalabrutinib-Monotherapie bzw. Venetoclax-Obinutuzumab, sind prinzipiell bei allen Patienten wirksam, unabhängig von Risikofaktoren, Alter und Fitness (Tab. 2).

Tab. 2 DCLLSG-Algorithmus zur Erstlinientherapie der CLL (Februar 2020). Quelle: Autoren.

* beachten und mit dem Patienten diskutieren: Langzeittherapie vs. Therapie mit fixer Behandlungsdauer (6–12 Monate); Mangel an überzeugender Evidenz im Hinblick auf OS-Unterschiede; spezifische Nebenwirkungen jeder Therapieoption (Myelosuppression, Infektionen, sekundäre  Malignome für Chemoimmuntherapie; Kardiotoxizität und Autoimmunerkrankungen für Ibrutinib; Tumorlyse-Syndrom (TLS) und Infektionen für Venetoclax–Obinutuzumab; Autoimmunerkrankungen (Diarrhö) und opportunistische Infektionen für Idelalisib).  

Stadium del(17p) oder p53mut Fitness IGVH Therapie
Binet A–B, RAI 0–II, inaktive Erkrankung irrelevant irrelevant irrelevant keine
aktive Erkrankung oder Binet C oder RAI III–V irrelevant irrelevant irrelevant Ibrutinib/Acalabrutinib oder Venetoclax + Obinutuzumab oder Idelalisib + Rituximab (falls Kontraindikationen für Ibrutinib vorliegen)*
  nein Go go mutiert FCR (BR bei > 65 Jahre) oder Ibrutinib*
      unmutiert Ibrutinib oder FCR (BR bei
> 65 Jahre)
  Slow go Slow go mutiert Venetoclax + Obinutuzumab oder Chlorambucil + Obinutuzumab oder Ibrutinib/Acala-brutinib*
      unmutiert Venetoclax + Obinutuzumab oder Ibrutinib/Acalabrutinib oder Chlorambucil + Obinutuzumab*

 

Diese beiden Paradigmen, d. h. kontinuierliche Monotherapie oder zeitlich begrenzte Kombinationstherapie, werden künftig in der CLL17-Studie der DCLLSG in einer dreiarmigen Phase-III-Studie gegeneinander verglichen (Ibrutinib vs. Venetoclax–Obinutuzumab vs. Venetoclax–Ibrutinib). Allerdings kann man in einzelnen Subgruppen die Therapiewahl in Abhängigkeit vom Risikoprofil bereits jetzt weiter optimieren:

1. Patienten ohne Begleiterkrankungen und ohne Risikofaktoren

Bei fitten Patienten unter 65 Jahren, die einen mutierten IGHV-Status haben, ist bei über 50 % der mit Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab behandelten Patienten eine Langzeitremission von über 10 Jahren zu erwarten [12–14]. Derartige Langzeitremissionen wurden bisher mit keinem anderen zeitlich begrenzten Therapieschema bei der CLL beobachtet. Insofern kann bei dieser Gruppe weiterhin eine Chemoimmuntherapie mit FCR als hochwirksame Therapieoption diskutiert werden [15].
Hierbei sollten auch die therapiespezifischen Nebenwirkungen, zu denen Infektkomplikationen und Sekundär-malignome zählen, mit den Patienten besprochen und abgewogen werden. Bei fitten Patienten > 65 Jahre und ohne Risikofaktoren kann eine Therapie mit Bendamustin und Rituximab evaluiert werden [16, 17]; allerdings wurden mit BR keine derart lang anhaltenden Remissionen beobachtet.

2. Patienten mit Risikofaktoren

Die neuen zielgerichteten Substanzen können die mit Risikofaktoren wie TP53-Aberrationen oder unmutiertem IGHV-Status einhergehende schlechtere Pro-gnose zwar nicht nivellieren, doch im Vergleich zu Chemoimmuntherapie deutlich verbessern. Insofern sind vor allem Therapien mit einem BTK-Inhibitor wie Ibrutinib oder Acalabrutinib oder dem BCL-2-Inhibitor Venetoclax für diese Patienten schon in der Erstlinie besonders geeignet [18, 19]. Außerdem können bei Patienten, die Ibrutinib oder Venetoclax mangels Verträglichkeit oder aufgrund von Kontraindikationen nicht einnehmen können, auch PI3K-Inhibitoren wie Idelalisib in Kombination mit Rituximab eingesetzt werden. Aufgrund der relativ hohen Rate an Nebenwirkungen, insbesondere infektiöser und immunologischer Art (v. a. Kolitis und Hepatitis), ist Idelalisib ansonsten kein Medikament der ersten Wahl bei der Behandlung der CLL [20].
Zu den relevanten Nebenwirkungen von BTK-Inhibitoren zählen – insbesondere durch die plättchenhemmende Wirkung – Blutungen, Hypertonus sowie Vorhofflimmern und andere schwerere Herzrhythmusstörungen. Unter Venetoclax kann es zum Tumorlyse-Syndrom durch raschen Zerfall von CLL-Zellen kommen, sodass dieses Medikament über 5 Wochen eingeschlichen werden muss.

3. Patienten mit Begleiterkrankungen

Da Therapieregime wie FCR und BR bei Patienten mit Begleiterkrankungen häufig nicht gut toleriert werden und zu hoher Toxizität mit daraus folgenden Therapieabbrüchen führen, war lange Zeit das milde, oral verfügbare Chemotherapeutikum Chlorambucil für unfitte Patienten die Therapie der Wahl. Durch Hinzunahme von Rituximab bzw. des Typ-II-Antikörpers Obinutuzumab wurde die Wirksamkeit bei weiterhin guter Verträglichkeit verbessert. In randomisierten Studien konnte allerdings gezeigt werden, dass die neuen zielgerichteten Substanzen deutlich wirksamer als Chlorambucil-haltige Regime sind und im Vergleich nicht mit einer vermehrten Toxizität einhergehen [18, 19, 21]. Insofern kommen auch für Patienten mit vielen und/oder schweren Begleiterkrankungen Therapien mit BTK-bzw. BCL-2-Inhibitoren in der Erstlinienbehandlung in Betracht.

Rezidivtherapie

Das Auftreten eines Rezidivs nach erfolgreicher Therapie, z. B. im Sinne eines Anstiegs der Lymphozyten oder Wiederauftreten von vergrößerten Lymphknoten, bedingt nicht zwangsläufig den Beginn einer nächsten Therapielinie – vorausgesetzt, es liegen keine Symptome vor. Vor Beginn einer neuen Therapielinie sollte allerdings ggf. nochmal das individuelle Risikoprofil durch eine erneute genetische Diagnostik bestimmt werden, zumindest falls zuvor keine Risikoaberrationen vorlagen. Falls ein Rezidiv > 3 Jahre nach der Erstlinientherapie auftritt, kann grundsätzlich die Erstlinientherapie wiederholt werden, zumindest wenn keine TP53-Aberration vorliegt. Frührezidive (d. h. < 3 Jahre nach Erstlinientherapie) sollten mit einer neuen Therapiekombination behandelt werden, wobei gerade im Rezidiv die zielgerichteten Substanzen eine besondere Rolle spielen (Tab. 3) [22–24].

Tab. 3 DCLLSG-Algorithmus zur Rezidivtherapie der CLL (Februar 2020). Quelle: Autoren.

* Empfehlungen basieren auf Evidenz, nicht auf Zulassungsstatus oder Marktverfügbarkeit.

Ansprechen auf Erstlinientherapie Fitness T53del/mut Therapie*
refraktär oder Progress binnen
3 Jahren
Go go unabhängig

Wechsel auf: Ibrutinib oder Venetoclax (+ Rituximab (R)) oder Acalabrutinib oder Idelalisib + R; Konsolidierung mit allogener Stammzelltransplantation (SZT) bei refraktären Patienten besprechen

refraktär oder Progress binnen
3 Jahren
Go go nein Chemoimmuntherapie (CIT) kann bei Patienten ohne vorherige Exposition erwogen werden
refraktär oder Progress binnen
3 Jahren
Go go ja allogene SZT oder andere zelluläre
Therapie zur Konsolidierung
refraktär oder Progress binnen
3 Jahren
Slow go unabhängig Wechsel auf: Ibrutinib oder Venetoclax (+ R) oder Acalabrutinib oder Idelalisib + R
refraktär oder Progress binnen
3 Jahren
Slow go nein CIT kann bei Patienten ohne vorherige Exposition oder Antikörper-Monotherapie erwogen werden
Progress nach
3 Jahren
alle   Wiederholung der Erstlinientherapie möglich, falls TP53del/mut ausge-
schlossen

 

Aufgrund der Unterlegenheit der Chemoimmuntherapie bei der rezidivierten CLL auch hinsichtlich des Gesamtüberlebens in randomisierten Studien wird eine Chemoimmuntherapie im Rezidiv allgemein nicht mehr empfohlen – außer nach sehr lang-anhaltenden therapiefreien Intervallen.
Patienten, die zuvor mit einem BTK- Inhibitor oder Venetoclax behandelt wurden, sollten bei Progress auf die jeweils andere Substanzgruppe wechseln, da der Einsatz von Chemoimmuntherapien nach den zielgerichteten Therapien weniger Effektivität gezeigt hat [25–27].

Richter-Transformation

Unter einer Richter-Transformation versteht man die nach dem Erstbeschreiber Maurice Richter benannte Umwandlung einer CLL in ein aggressives Lymphom (diffus großzelliges B-Zell-Lymphom in 90 % der Fälle) oder in ein Hodgkin-Lymphom (ca. 10 %) [28]. Dies tritt bei ca. 5 % aller CLL-Patienten auf, meist viele Jahre nach der Erstdiagnose, in bis zu einem Drittel aller Fälle aber auch schon früher vor Erstlinientherapie der CLL. Klinische Zeichen einer möglichen Transformation sind häufig eine rasch progrediente Lymphadenopathie, ein LDH-Anstieg und B-Symptome. Anders als bei dem typischerweise indolenten Verlauf der CLL entwickeln sich die Symptome einer Transformation häufig im Verlauf weniger Wochen.

Diagnostik

Die Richter-Transformation ist immer eine histologische Diagnose – in der Regel geschieht dies aus einer Biopsie aus einem Lymphknoten oder dem Knochenmark. Ein PET-CT wird vor allem dann empfohlen, wenn mehrere Lymphknotenstationen betroffen sind und die metabolisch aktivste Region biopsiert werden soll, weil die Wahrscheinlichkeit einer Transformation hier am höchsten ist [29].
Histopathologisch fallen bei einer Richter-Transformation vor allem große B-Lymphozyten auf, die häufig Zentroblasten oder Immunoblasten ähneln.
Die betroffenen Lymphknoten zeigen zudem eine deutliche Expansion der Proliferationszone [28]. Außerdem findet sich in der Regel auch eine Infiltration durch kleine reifzellige Lymphozyten als Ausdruck der parallel bestehenden CLL. Im Falle einer Transformation in ein Hodgkin-Lymphom sind die pathognomonischen CD30+ Reed-Sternberg-Zellen nachweisbar.

Therapie

Bei Transformation in ein DLBCL wird in der Regel eine Therapie analog eines De-novo-DLBCLs durchgeführt. Dies ist meistens eine Chemoimmuntherapie mit Schemata wie R-CHOP, wobei die Wirksamkeit und die Prognose mit einem medianen Gesamtüberleben von 6–8 Monaten bei einer RT deutlich schlechter sind [30]. Bei fitten Patienten wird in Anbetracht dieser schlechten Prognose eine konsolidierende allogene Stammzelltransplantation empfohlen. In Studien wie der aktuell laufenden RT1-Studie der DCLLSG wird darüber hinaus auch der Einsatz von zielgerichteten Substanzen, insbesondere Immuncheckpoint-Inhibitoren, geprüft.

Summary

In recent years, the diagnosis and therapy of chronic lymphocytic leukemia (CLL) has continuously evolved through intensive national and international clinical trials. The molecular and genetic characteristics of CLL have been better understood and targeted substances for disease control have been developed. CLL is one of the most common haematological neoplasms and is the most common leukemia in Germany. According to the WHO classification, it is classified as an indolent B-cell non-Hodgkin lymphoma (NHL). This article is intended to give an overview of the diagnostic work-up of CLL and to summarize the current therapeutic landscape. In addition, the rare transformation of CLL into an aggressive lymphoma, i. e. Richter transformation, will be discussed in the article.
Keywords: Chronic lymphocytic leukemia, CLL, targeted agents, NHL, Richter transformation