19th St. Gallen Breast Cancer Conference (SGBCC) 2025

Frühes Mammakarzinom: Internationale Empfehlungen zur ­Primärbehandlung

Alle zwei Jahre findet die St.-Gallen(SG)-Konsensuskonferenz zur Behandlung des frühen Mammakarzinoms (SGBCC: St. Gallen Breast Cancer Conference) statt. Ziel ist es, einen internationalen Konsens für das Vorgehen im klinischen Alltag zu erarbeiten und die Brustkrebstherapie weltweit auf einem hohen Evidenzniveau zu standardisieren. ­In diesem Bericht sind die wichtigsten Ergebnisse des St.-Gallen-Konsens zusammen­gefasst.

Schlüsselwörter: Mammakarzinom, internationaler Konsens, ­Fertilität, Immun­therapie, CDK4/6-Inhibition, Sentinellymphknotenbiopsie, ­moderate ­Hypofraktionierung, Polyneuropathie, pathogene Genvarianten

Die SGBCC stößt international auf große Aufmerksamkeit. Ursprünglich in St. Gallen, Schweiz, ins Leben gerufen, findet die Konsensuskonferenz seit einigen Jahren in Wien, Österreich, statt, da aufgrund der hohen Resonanz die Räumlichkeiten und die Logistik in St. Gallen nicht mehr ausgereicht haben. Der St.-Gallen-Konsens wird von einem international zusammengesetzten Panel von Brustkrebsexperten erarbeitet, das über aktuelle Fragestellungen abstimmt. Das SGBCC-Panel bestand dieses Jahr aus 76 Personen, darunter acht Panelmitgliedern aus Deutschland. 

Neu war in diesem Jahr, dass zahlreiche Fragestellungen zum St.-Gallen-Konsens anhand fiktiver Fallbeispiele diskutiert und abgestimmt worden sind. Bei den fiktiven Fallbeispielen handelte es sich oftmals um Grenzfälle, um Situationen aus dem klinischen Alltag zu simulieren. Auffällig war im Jahr 2025 eine hohe Einigkeit unter den Panelmitgliedern und dass es nur wenige Diskrepanzen zu den aktuellen deutschen Therapieempfehlungen beim frühen Mammakarzinom gab.

INSEMA-Studie international erneut hoch bewertet

Ein Höhepunkt aus deutscher Sicht war es, dass die Panelmitglieder die Daten der INSEMA-Studie [1] als praxisverändernd bestätigt haben. Mehrheitlich empfahlen sie den Verzicht auf eine Sentinellymphknoten(LK)-Biopsie (SNLB) für Patientinnen mit einem hormonrezeptorpositiven/HER2-negativen (HR+/HER2–) frühen Mammakarzinom (cT1/2 cN0), die den Einschlusskriterien der INSEMA-Studie entsprachen. 

Mehrheitlich waren in die INSEMA-Studie Patientinnen mit einem Tumor der Größe bis ≤ 2 cm und einem G1/2-Karzinom (gut bis mäßig differenziert) eingeschlossen worden. Nur wenige Patientinnen hatten einen G3-Tumor (schlecht differenziert) oder einen Tumor mit einer Größe ≤ 5 cm. Bezogen auf das gesamte Studienkollektiv würden nur noch 17 % der Panelmitglieder eine SLNB empfehlen. Mehrheitlich empfahlen die SGBCC-Panelmitglieder den SLNB-Verzicht für ältere Patientinnen (< 50 Jahre) mit einem Tumor der Größe ≤ 2 cm, ohne LK-Befall (cN0) und einem G1/2-Karzinom. Diese Erkrankten stellten die Mehrheit des Studienkollektivs dar. Keine Empfehlung für einen SLNB-Verzicht gaben die Panelmitglieder für cN0-Patientinnen mit einem frühen HER2-positiven (HER2+) oder triple-negativen Mammakarzinom (TNBC).

Moderate Hypofraktionierung als Standard bestätigt

Die moderate Hypofraktionierung wurde vom SGBCC-Panel als Standard sowohl für die Postmastektomiebestrahlung (PMRT) als auch nach brusterhaltender Operation (BEO; bei Indikation einer Strahlentherapie) bei Betroffenen mit Mammakarzinom bestätigt – und dies unabhängig vom Tumorsubtyp, dem Rezidivrisiko oder dem genomischen Risiko. 

Medikamentöse Therapie des frühen triple-negativen Mammakarzinoms

Beim TNBC beschäftigte sich das St.-Gallen-Panel intensiv mit dem Einsatz der Immuntherapie (Pembrolizumab). Insgesamt orientierte sich das Panel beim Einsatz von Pembrolizumab beim TNBC an den Einschlusskriterien der Zulassungsstudie KEYNOTE-522 [2], die auch den Zulassungskriterien entsprechen. Der neoadjuvante Einsatz von Pembrolizumab (zusätzlich zur Chemotherapie) setzt einen axillären LK-Befall oder eine Tumorgröße > 2 cm (bei klinisch unauffälligen LK [cN0]) voraus. 

Erstaunlicherweise votierte allerdings nur knapp die Hälfte der Panelmitglieder bei einer Tumorgröße von 1,75 cm und cN0-Situation dafür, neoadjuvant auf den Einsatz von Pembrolizumab zu verzichten (entsprechend den Ergebnissen der KEYNOTE-522-Studie). 

Mit klarer Mehrheit lehnte das St.-Gallen-Panel einen Verzicht auf die postneoadjuvante Weiterbehandlung mit Pembrolizumab bei Erkrankten ab, die unter der neoadjuvanten Systemtherapie (NAST) mit Pembrolizumab plus Chemotherapie keine pathologische Komplettremission (pCR) erzielt haben. 

Weitgehende Einigkeit bestand zwischen den Panelmitgliedern, dass Erkrankte ohne pCR ein sehr hohes Rezidivrisiko haben. Bei Non-pCR-Patientinnen empfehlen die Panelmitglieder daher, Pembrolizumab postneoadjuvant mit einer weiteren effektiven Therapie zu kombinieren, die sich im postneoadjuvanten Setting bereits als effektiv erwiesen habe. 

Bei Betroffenen mit gBRCA1/2-Mutationsnachweis wird empfohlen, Pembrolizumab mit dem PARP(Poly[ADP-Ribose]-Polymerase)-Inhibitor Olaparib zu kombinieren, und bei Patientinnen ohne gBRCA1/2-Mutationsnachweis ist die Kombination aus Pembrolizumab und Capecitabin eine Option.

HER2-positives Mammakarzinom 

Beim HER2+ frühen Mammakarzinom gab es wenig Neues. Auffällig war, dass die St.-Gallen-Panelmitglieder – anders als in den vergangenen Jahren – deutlich aufgeschlossener waren, beim frühen HR–/HER2+ Mammakarzinom anthrazyklinfreie Regime einzusetzen: Immerhin 80 % würden auch ein anthrazyklinfreies Regime anwenden. Favorisiert wurde in vielen Situationen das TCbHP-Regime mit Taxan/Carboplatin plus duale Antikörperblockade (Trastuzumab/Pertuzumab). Sogar beim HER2+ inflammatorischen Mammakarzinom, einer Hochrisikosituation, favori-sierte das Panel neoadjuvant das anthrazyklinfreie Regime. Letzteres entspricht allerdings nicht den Empfehlungen in Deutschland.

HR+/HER2– frühes Mammakarzinom

Beim HR+/HER2– Mammakarzinom und bei klinisch intermediärem Rückfallrisiko standen die Genexpressionsanalysen im Fokus für die Entscheidung, ob eine Chemotherapieindikation besteht oder ob auf die Chemotherapie verzichtet werden kann. Der US-amerikanische Einfluss war bei den zur Abstimmung gestellten Fragen deutlich zu spüren. Der Fokus lag insbesondere auf dem in den USA sehr populären OncotypeDX. In Deutschland werden die Genexpressionstests in der Regel nur dann verwendet, wenn die klinischen Faktoren keinen ausreichenden Hinweis geben, ob eine Chemotherapieindikation besteht oder nicht. 

Zudem wird im Zweifelsfall ergänzend das sogenannte ADAPT-Konzept (kurze endokrine Induktionstherapie und dynamischer Ki-67) eingesetzt [3]. Mit steigendem genomischem Risiko nahm die Bereitschaft der St.-Gallen-Panelmitglieder zu, beim HR+/HER2– frühen Mammakarzinom eine Chemotherapie zu nutzen. 

Nach Chemotherapie endokrine Folgetherapie mit CDK4/6-Inhibitor?

Dies zeigte sich nach adjuvanter Chemotherapie auch für die nachfolgende endokrine Therapie und den zusätzlichen Einsatz eines CDK4/6-Inhibitors. Je mehr LK in der Axilla befallen waren und je höher das genomische Risiko war, desto mehr Panelmitglieder würden nach Abschluss der adjuvanten Chemotherapie im Rahmen der endokrinen Folgetherapie zusätzlich einen CDK4/6-Inhibitor anwenden.

Für die postneoadjuvante Gabe eines CDK4/6-Inhibitors bestätigte das St.-Gallen-Panel, dass sich der zusätzliche Einsatz des CDK4/6-Inhibitors am präoperativen klinischen und operativ-pathologischen Tumorstadium orientiert. Sind die Einschlusskriterien der Zulassungsstudien MonarchE für Abemaciclib [4] beziehungsweise der NATALEE-Studie für Ribociclib [5] erfüllt, muss laut St.-Gallen-Panel der absolute Vorteil für die jeweilige Patientin bei der Therapieentscheidung berücksichtigt werden. Es gehe um eine Nutzen-Risiko-Abwägung, da der zu erwartende Vorteil gegen mögliche zusätzliche Nebenwirkungen oder Risiken abzuwägen ist. Zudem müsse die Präferenz der Patientin einbezogen werden. 

Polyneuropathie und sexuelle Gesundheit

Das St.-Gallen-Panel bestätigte, dass Kühlhandschuhe und Kompressionshandschuhe unter einer taxanbasierten (neo-)adjuvanten Systemtherapie verwendet werden sollten, um die Patientin vor Polyneuropathien zu schützen [6]. 

Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die sexuelle Gesundheit unter und nach einer onkologischen Behandlung ein wichtiges Thema für Patientinnen sei und im Gespräch proaktiv angesprochen werden müsse. Viele Patientinnen hätten insbesondere nach abgeschlossener Behandlung gynäkologische Beschwerden, die sie sich nicht getrauten, von sich aus anzusprechen.

Vorgehen bei Nachweis pathogener Genvarianten

Werden das Brustkrebsrisiko erhöhende pathogene Varianten (pV) in der Keimbahn nachgewiesen, orientiert sich das weitere Vorgehen mit Blick auf risikoreduzierende Maßnahmen für die kontralaterale Brust anhand des Risikos. Je höher das Risiko ist, desto eher besteht laut St.-Gallen-Panel eine Indikation für eine risikoreduzierende Mastektomie (± Rekonstruktion der Brust). Mit steigendem Lebensalter der Patientin sank die Zustimmung der Panelmitglieder für eine Mastektomie auch bei pV-Nachweis in Hochrisikogenen (z. B. gBRCA1/2). 

 

Bericht von der 19th St. Gallen Breast Cancer Conference am 15.03.2025 in ­Wien, Österreich.