KI in der Dermatoonkologie
„KI ist eine Schlüsseltechnologie und wird als solche Ausgangspunkt für zahlreiche Entwicklungen, Innovationen und Produkte sein. Sie birgt als breit einsetzbares Werkzeug enorme Chancen für Wissenschaft, Wachstum, Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftlichen Mehrwert“, heißt es auf der Internetseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) [1]. Welche Rolle KI heutzutage in der dermatologischen Onkologie einnimmt, wurde in einem Symposium unter der Leitung von PD Julia Winkler, Heidelberg, Dr. Allan C. Halpern, New York, NY/USA, und Dr. Konstantinos Liopyris, Athen, Griechenland, deutlich.
Multimodal Foundation Models
Einleitend stellte der Gastredner Prof. Harald Kittler, Wien, Österreich, aktuelle Trends und Entwicklungen in diesem Bereich vor. Dabei ging er unter anderem auf sogenannte Multimodal Foundation Models ein. Im Gegensatz zu Large Language Models, welche die Grundlage für Chatbots wie ChatGPT bilden, arbeiten diese nicht nur mit Textdateien, sondern können simultan verschiedene Datentypen wie Texte, Bilder, Audio und Video verarbeiten und generieren.
Die potenziellen Vorteile für die dermatologische Onkologie veranschaulichte Kittler beispielhaft anhand des in der Entwicklung befindlichen Multimodal Foundation Model „PanDerm“. Das Modell basiert auf einem großen Datensatz mit mehr als zwei Millionen Aufnahmen von Hauterkrankungen aus elf klinischen Einrichtungen, die verschiedene Bildgebungsverfahren umfassen (u. a. klinische Bilder, Dermatoskopie und Dermatopathologie). Zu den Aufgabengebieten, in denen „PanDerm“ künftig zum Einsatz kommen könnte, zählen unter anderem das Hautkrebsscreening, die Diagnostik von neoplastischen sowie entzündlichen Hauterkrankungen, die Risikostratifizierung und die Verlaufskontrollen sowie die Prognose und Vorhersage von Metastasen [2].
Noch einen Schritt weiter geht das Modell „Derm1M“, das auf mehr als einer Million Bild-Text-Paaren basiert und damit über 390 Hautkrankheiten abdeckt. Das Besondere daran ist, dass Bilddateien mit textlichen Informationen zum klinischen Kontext wie Anamnese, Symptome und Hautfarbe kombiniert werden [3].
Fortschritte in der Bildgebung
Anschließend gab Halpern einen Überblick zu Bildgebungsverfahren in der dermatologischen Onkologie. Dabei ging der Experte auf die zunehmende Bedeutung der Dermatoskopie und des 3D-Ganzkörper-Scans ein. Darüber hinaus demonstrierte er, inwiefern neuere, hochauflösende Techniken die Diagnostik bereichern könnten.
So zeigte eine retrospektive Studie bei 225 Patienten mit Basalzellkarzinom, dass der Einsatz der Line-Field-konfokalen optischen Kohärenztomografie (LC-OCT) die diagnostische Treffsicherheit im Vergleich zu klinischen Untersuchungen und der Dermatoskopie allein um mindestens 12 % erhöhen kann [4]. Außerdem wurden in einer aktuellen Metaanalyse die Erfolgsaussichten der konfokalen Reflexionsmikroskopie (RCM) bei der Erkennung von kutanen Melanomen untersucht. Dabei zeigte sich, dass die RCM eine ähnliche Sensitivität und eine höhere Spezifität als die Dermatoskopie aufweist [5].
Voraussetzungen für die Implementierung
Dr. Josep Malvehy Guilera, Barcelona, Spanien, erklärte, auf was bei der Implementierung von KI-basierten Algorithmen und Applikationen in die Praxis zu achten ist: „Der Lebenszyklus von KI in der dermatologischen Onkologie ist komplex und umfasst mehrere Schritte vor der klinischen Anwendung. Die Ärzte müssen die Qualität der Produkte und den klinischen Wert kritisch bewerten.“
Im Rahmen einer Delphi-Studie kamen 128 Experten zu einem Konsens, welche Kompetenzen vor der Anwendung von KI in der Medizin nötig sind. Hierzu zählt unter anderem die Kenntnis von grundsätzlichen Konzepten der Datenwissenschaft sowie von gesetzlichen und ethischen Normen. Entscheidend seien außerdem die Wahl des besten KI-Tools für die jeweilige Indikation sowie die Kommunikation mit den Patienten [6].
Prof. H. Peter Soyer, Brisbane, Australien, warnte vor möglichen Problemen mit dem Datenschutz bei der Nutzung von KI in der dermatologischen Onkologie: „Die Daten, die wir sammeln, sind sensitiv und identifizierbar. Wir müssen die Erwartungshaltung der Patienten unbedingt ernst nehmen.“
Hürden und Grenzen der KI
Liopyris sprach in seinem Vortrag über die Limitationen von KI in der dermatologischen Onkologie. „Eines ist sicher: Die KI wird bleiben und uns immer wieder überraschen – sowohl positiv als auch negativ“, so das Fazit des Experten. Ein entscheidender Faktor sei der Trainingsgrad von KI-Modellen.
Dem stimmte auch Winkler zu. Als Beispiel führte sie die teilweise fehlerhaft von der KI eingestuften Läsionen im Bereich der Schleimhäute und der Nägel sowie bei seltenen Hauttumoren auf. Diese Fehler seien vermutlich auf unzureichende Trainingsdaten zurückzuführen, so Winkler. Darüber hinaus könne es auch zu Bildartefakten kommen, zum Beispiel aufgrund von Markierungen oder Größenbalken um bestimmte Läsionen. Aus Sicht der Onkologin lassen sich die größten Erfolge durch eine Kooperation zwischen Ärzten und KI erzielen. „Alles in allem denke ich, dass die KI eine große Chance hat, das Hautkrebsscreening zu verbessern, wenn wir uns der Grenzen bewusst sind“, erklärte Winkler.
Potenzial von neuen Therapieregimen
In einer Keynote-Lecture befasste sich Dr. Caroline Robert, Paris, Frankreich, mit der Frage, wie sich die Behandlungsergebnisse beim Melanom über den Standardeinsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICIs) hinaus verbessern lassen. „Wir müssen unser derzeitiges Behandlungskonzept, beispielsweise hinsichtlich Dauer der Behandlung und Dosis, immer wieder neu überdenken“, mahnte sie. Bereits die Auswahl der Erstlinientherapie sei eine strategische Entscheidung, die einerseits dem Erreichen optimaler Behandlungsergebnisse (hohe Wirksamkeit, langanhaltendes Ansprechen und akzeptables Toxizitätsprofil) diene und andererseits darauf abziele, dass die Wirksamkeit von Therapien der zweiten oder dritten Wahl möglichst nicht beeinträchtigt werde.
Vor diesem Hintergrund verwies Robert auf eine randomisierte Phase-II-Studie bei Patienten mit metastasiertem Melanom, deren Erkrankung trotz einer Therapie mit einem PD-1- oder PD-L1-Inhibitor fortgeschritten war. Die Teilnehmenden erhielten randomisiert (3:1) entweder eine Kombination aus Ipilimumab und Nivolumab oder Ipilimumab allein. Dabei verbesserte sich das progressionsfreie Überleben in der Kombinationsgruppe signifikant (Abb. 1).