51st Annual Meeting of the EBMT 2025
Hämatoonkologie: Die Zukunft von zellulären Therapien und der Stammzelltransplantation
Das Motto der Jahrestagung der European Group for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) 2025 lautete „Shaping the Future of HCT and CT“. Damit wolle man die beiden Grundfesten der Fachgesellschaft – Stammzelltransplantationen (HCTs) und zelluläre Therapien (CTs) – weiter positiv gestalten und in die Zukunft führen, betonte Kongresspräsident Prof. Fabio Ciceri, Mailand, Italien. Die spannenden Studiendaten, die beim Kongress vorgestellt wurden, sind diesen hohen Ansprüchen gerecht geworden.
Schlüsselwörter: Stammzelltransplantation, zelluläre Therapien, akute lymphatische Leukämie, Hodgkin-Lymphom, Graft-versus-Host-Erkrankung
ALL: TBI/Etoposid-basierte myeloablative Konditionierung vorteilhaft für AYAs
Es ist bereits bekannt, dass Jugendliche und junge Erwachsene (AYAs) mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) eine Population von Erkrankten darstellen, die von einer Behandlung mit pädiatrischen Erstlinienprotokollen profitiert. In der prospektiven, randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie FORUM konnte nun nachgewiesen werden, dass AYAs auch einen Vorteil von einer TBI(Ganzkörperbestrahlung)/Etoposid-basierten myeloablativen Konditionierung im Vergleich zur Chemokonditionierung vor einer allogenen HCT haben. Das berichtete Dr. Charlotte Calvo, Paris, Frankreich. Sie hatte die Daten der FORUM-Studie, in der Behandelte im Alter von vier bis 21 Jahren evaluiert worden waren, speziell für AYAs im Alter von 15 bis 21 Jahren ausgewertet und präsentierte diese Daten nun beim EBMT-Kongress [1].
Laut Calvo war das ereignisfreie Überleben (EFS) der AYAs mit dem FORUM-Regime im Vergleich zu früheren Daten „exzellent“. Ihre 3-Jahres-EFS-Rate lag bei 78 % und war somit vergleichbar mit den Ergebnissen der jüngeren FORUM-Teilnehmenden. Andere Wirksamkeitsendpunkte wie etwa das Gesamtüberleben (OS) oder die Rate an nichtrezidivbedingter Mortalität zeigten ebenfalls keinerlei Altersabhängigkeit.
Es gab jedoch eine wichtige Einschränkung: Die positiven Studienergebnisse für die AYAs bezogen sich stets darauf, dass die jungen Erkrankten in der ersten kompletten Remissionsphase (CR1) transplantiert worden waren – wie es üblicherweise auch der Fall ist. Erfolgte die Transplantation dagegen erst in der zweiten kompletten Remissionsphase (CR2), war die 3-Jahres-EFS-Rate mit 70 % deutlich schlechter als die der jüngeren Patienten. Das ungünstige Ergebnis war assoziiert mit einer signifikant erhöhten Rezidivrate gegenüber der jüngeren Vergleichsgruppe (p = 0,045), insbesondere aber auch mit einer erhöhten Rate an nichtrezidivbedingter Mortalität (p = 0,025). Calvos Fazit lautete: „AYAs bleiben eine vulnerablere Population, wenn sie in CR2 transplantiert werden.“
R/R cHL: neue Kombinationstherapie mit bispezifischem Antikörper
Da klassische Hodgkin-Lymphome (cHL) sehr empfindlich gegenüber Strahlen- und Chemotherapie sind, können rund zwei Drittel aller Patienten – in frühen Stadien sogar bis zu 90 % – durch den adäquaten Einsatz dieser Therapieverfahren sowie moderner Substanzen wie Brentuximab-Vedotin (BV) geheilt werden. Ungünstig ist hingegen die Prognose für jene Betroffenen, deren Erkrankung nach Versagen von Standardtherapien wie Chemotherapie, BV und Checkpoint-Inhibitoren rezidiviert oder refraktär (r/r) ist.
Nun deuten erste Daten der laufenden multizentrischen Phase-II-Studie LuminICE-203, in der die Kombination aus dem bispezifischen Antikörper Acimtamig mit Off-the-shelf-allogenen natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) evaluiert wird, möglicherweise einen Hoffnungsschimmer an. Das berichtete Dr. Gunjan L. Shah, New York, NY/USA, die für ihre Ergebnisse den Van Bekkum Award 2025 der EBMT erhielt [2].
Acimtamig ist der erste bispezifische Antikörper, der das angeborene Immunsystem antreibt, um über eine Aktivierung von NK-Zellen und Makrophagen gegen CD30-positive hämatologische Tumoren vorzugehen. Der tetravalente bispezifische Antikörper bindet an das Oberflächenantigen CD16A auf NK-Zellen und an CD30 auf Lymphomzellen und bringt die Zellen des angeborenen Immunsystems damit in räumliche Nähe zu den malignen Zellen. Das Abtöten der Tumorzellen via antikörperabhängiger zellvermittelter Zytotoxizität werde durch die ergänzende Gabe der allogenen NK-Zellen (AlloNK) auf synergistische Weise unterstützt, erläuterte Shah.
Präsentiert wurden die Daten der ersten 22 Erkrankten mit r/r HL aus der Run-in-Phase der LuminICE-203-Studie. Eingeschlossen waren stark vorbehandelte erwachsene Erkrankte, die im Median fünf vorherige Therapielinien erhalten hatten, darunter eine intensive Kombinationschemotherapie, PD(L)1-Checkpoint-Inhibitoren und BV; zwei Drittel hatten sich im Vorfeld einer HCT unterzogen. Primärer Studienendpunkt war die Gesamtansprechrate (ORR).
Das Ergebnis war erstaunlich: Trotz starker Vorbehandlung der Teilnehmenden wurde mit der neuen Kombinationsbehandlung eine ORR von 86 % erreicht, mit 55 % kompletten Remissionen.
Das Kombinationsschema hatte außerdem ein gut kontrolliertes Sicherheitsprofil ohne unerwartete Sicherheitssignale. Graft-versus-Host-Erkrankungen (GvHD) oder Fälle von immuneffektorzellassoziiertem Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) wurden nicht beobachtet. „Diese frühen Daten unterstützen den gemeinsamen Einsatz von Acimtamig und einem off-the-shelf kommerziell skalierbaren, krykonservierten AlloNK-Zellprodukt im multizentrischen Setting“, konstatierte Shah.
Graft-versus-Host-Erkrankung
Neuer Wirkmechanismus gegen chronische GvHD: ROCK2-Inhibition
Eine Inhibition des Proteins ROCK2 kann möglicherweise einer gestörten Immunhomöostase entgegenwirken. Präklinische Untersuchungen hatten ergeben, dass unter einer ROCK2-Inhibition spezielle Subgruppen von T-Helfer-Zellen (Th17 und Tfh) herunter- und regulatorische T-Zellen (Treg) heraufreguliert werden (Abb. 1) [3].

Abb. 1 ROCK2 vermittelt die Th17-Differenzierung während der Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD). Die Stimulierung des T-Zell-Rezeptors aktiviert den ROCK2-Signalweg, wobei STAT-Moleküle phosphoryliert werden. STAT wandert in den Zellkern und stößt dort die Transkription von Th17-spezifischen Transkriptionsfaktoren an. Daraufhin wächst die Zahl an Th17-Zellen. ROCK2 aktiviert zudem die Anzahl an T-follikulären Helferzellen (Tfh) und erhöht deren Migration, deren Aktivierung sowie deren Homing. Die Hemmung von ROCK2 blockiert die Differenzierung von T-Zellen in Tfh- und Th17-Zellen, weshalb wieder mehr Treg-Zellen vorhanden sind (nach [3]).
Diese Erkenntnisse bilden die Rationale für den Einsatz von ROCK2-Inhibitoren zur Behandlung der chronischen GvHD (cGvHD). Mit Belumosudil ist bereits ein ROCK2-Inhibitor in den USA in diesem Setting zugelassen. Nun untersuchten chinesische Forschende in einer Phase-Ib-Studie, ob auch der hochselektive orale ROCK2-Inhibitor TDI01 eine Wirkung bei cGvHD zeigen könnte. Dies habe sich bestätigt, berichtete Prof. Xiaodong Mo, Peking, China. Im Rahmen der Studie hatten 57 stark (überwiegend mit Ruxolitinib) vorbehandelte erwachsene Patienten mit aktiver cGvHD TDI01 in der Dosierung 200 mg erhalten; bei 29 von ihnen wurde später auf 400 mg QD eskaliert. Primärer Endpunkt war laut Mo die beste Gesamtansprechrate (BORR) nach 24 Wochen [4].
Diesen Endpunkt im Phase-Ib-Setting erreichten 67,9 % der Patienten der 200-mg-Kohorte und 86,5 % der Betroffenen der 400-mg-Kohorte; die erzielte ORR betrug entsprechend 50,0 beziehungsweise 55,2 %. Das Ansprechen trat bei zwei Dritteln der Behandelten bereits binnen acht Wochen ein. Die mediane Dauer des Ansprechens ebenso wie das mediane rückfallfreie Überleben (FFS) waren nach 24 Monaten noch nicht erreicht. Wie Mo weiter ausführte, betraf das Ansprechen eine Vielzahl von Organen: von Haut, Augen, Mund, Leber, Lunge und Gelenken/Faszien über den oberen Gastrointestinaltrakt bis hin zum Ösophagus. Die Substanz wurde gut vertragen. TDI01 stelle somit eine vielversprechende und verträgliche therapeutische Option für das Management der cGvHD dar, fasste Mo die frühen Studiendaten zusammen. Nun müssten konfirmatorische Studien durchgeführt werden, um die frühen Ergebnisse weiter zu erhärten.
GLP2-Inibition: Scharfes Schwert im Kampf gegen akute GvHD?
Die steroidrefraktäre akute GvHD (aGvHD) im unteren Gastrointestinaltrakt sei eine lebensbedrohliche Komplikation einer allogenen HCT, betonte Prof. Robert Zeiser, Freiburg. Die Mortalitätsrate liege über 50 %. Die von aGvHD betroffenen Zellen im Darm umfassten auch intestinale L-Zellen, die das humane Glucagon-like Peptid-2 (GLP-2) freisetzen würden, erläuterte er weiter. Interessanterweise hatten Untersuchungen am Mausmodell ergeben, dass der Verlust von L-Zellen und entsprechend von GLP-2 mit der Induktion der aGvHD assoziiert war. Weitere Studien deuteten später an, dass eine GLP-2-basierte Therapie diesem Prozess entgegenwirken könnte.
Die Erkenntnisse präklinischer Untersuchungen bildeten laut Zeiser die Basis dafür, die Phase-II-Studie STARGAZE aufzusetzen. Darin wurde die mögliche Wirkung eines GLP-Analogons (Apraglutid) in Kombination mit Ruxolitinib im Kampf gegen die aGvHD evaluiert. Eine optimal abgeglichene Kontrollkohorte aus der Real-World-Studie MAGIC, in der alleiniges Ruxolitinib verabreicht worden war, diente als indirekte Vergleichsgruppe [5].
Tatsächlich wiesen die STARGAZE-Patienten im Vergleich zu den MAGIC-Patienten bessere Kurz- und Langzeittherapieergebnisse auf. So zeigten 58,1 versus 38,8 % ein Ansprechen an Tag 28 und 45,1 versus 25,8 % an Tag 91. Unter dem Einfluss des GLP-2-Analogons war im Vergleich zu alleinigem Ruxolitinib zudem die Rate an komplettem aGvHD-Ansprechen an Tag 91 verdoppelt (32,2 vs. 16,1 %). All diese Vorteile spiegelten sich auch in einem längeren OS nach einem Jahr wider (58,1 vs. 45,2 %).
Zeiser verwies aber auf die Limitationen der Studie, etwa das fehlende randomisierte Design und die Verwendung eines Kontrollarms auf Basis von Real-World-Daten. Weitere Untersuchungen müssten folgen, um die Ergebnisse zu bestätigen, mahnte er.
Bericht von der 51. Jahrestagung der European Group for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) vom 30.03. bis 01.04.2025 in Florenz, Italien, und virtuell.