51. Deutscher Koloproktologen-Kongress

Kolorektales Karzinom: Neues aus dem deutschen Versorgungsalltag

Anlässlich des Deutschen Koloproktologen-Kongresses treffen sich jedes Jahr Koloproktologen, Chirurgen, Gastroenterologen und Onkologen, um den wissenschaftlichen Status quo und das praktische Vorgehen rund um Erkrankungen von Darm, Rektum und Anus zu diskutieren. Einige Zentren stellten 2025 ihre eigenen onkologischen Ergebnisse zur Diskussion.

Schlüsselwörter: kolorektales Karzinom, Rektumkarzinom, Staging, Organerhalt, ­Notfallresektion, anale intraepitheliale Neoplasie, HPV-Impfung

Das lokoregionäre Staging mit der Magnetresonanztomografie (MRT) ist beim Rektumkarzinom essenziell für den weiteren Behandlungspfad. Nach der T- und N-Kategorie entscheidet sich, ob eine lokale Exzision infrage kommt oder ob eine totale mesorektale Exzision erwogen werden muss und eine neoadjuvante Radiochemotherapie vorangestellt werden sollte. Die MRT-Befundung ist aber schwierig. Prof. Sigmar Stelzner, Leipzig, berichtete über eine Rebefundung von Patienten aus der OCUM-Studie. Es zeigte sich, dass die MRT nur eine limitierte Aussagekraft hinsichtlich IUCC-Stadium sowie T- und N-Kategorie aufwies. Viele Untersuchende gaben zudem „NX“ an, da sie Schwierigkeiten mit der korrekten Befundung der Lymphknoten hatten. 

Im zweiten Teil der Studie wurde die Rebefundung wiederholt, nachdem die „Rater“ durch die Expertin Prof. Gina Brown, London, Großbritannien, geschult worden waren und eine IT-gestützte Entscheidungshilfe implementiert worden war. Die Kategorie NX durfte nun nicht mehr angegeben werden. Gegenüber der ersten Rebefundung war die Rate richtig beurteilter UICC-Stadien von 34,0 auf 45,5 % gestiegen. Die Verbesserung war bei den als wenig erfahren eingestuften Befundenden am deutlichsten. Die Häufigkeit der korrekten Angabe der T-Kategorie lag auch nach Schulung nur bei etwa 50 %. Fasste man T2 und T3a/b zusammen, wurden 69,3 % der T-Kategorien korrekt benannt. Verbessert hatte sich die zutreffende Einordnung der N-Kategorie von 46,7 auf 63,5 %. Das Erkennen der Infiltration der mesorektalen Faszie (MRF) stieg von 86,8 auf 94,4 % an. Die extramurale Veneninvasion (EMVI) wurde wie in der ersten Rebefundung von etwa 80 % der „Rater“ korrekt benannt. 

Stelzner betonte, die auf pathologischen Messgrößen beruhende TNM-Klassifikation müsse überarbeitet werden. Aus seiner Untersuchung leitete er die Forderung nach der Zusammenfassung von T2 und T3a/b ab. Wenn bei T2–T3a/b eine Lymphknotenfreiheit festzustellen sei, entspräche das dem Stadium I.

Mehr als ein Drittel kommt für Rektumerhalt infrage

Die totale neoadjuvante Therapie mit der Option des Organerhalts bei Komplettremission unter beobachtendem Zuwarten (Watch & Wait) ist bei Patienten mit lokal begrenztem Rektumkarzinom noch eine relativ neue Option. Dr. Georgi Kalev berichtete über Erfahrungen mit dem Watch-&Wait-Konzept aus der chirurgischen Universitätsklinik Mannheim. Zwischen Januar 2021 und Dezember 2023 waren 139 Betroffene mit einem Rektumkarzinom in den UICC-Stadien I bis III behandelt worden, 80 Personen (51 Männer und 29 Frauen) erhielten eine neoadjuvante Therapie. Aufgrund einer klinischen Komplettremission (cCR) oder einer annähernden cCR wurden 30 Teilnehmende (37,5 %) bei Watch & Wait zunächst nicht operiert. Über eine mittlere Beobachtungsdauer von 17 Monaten wuchs der Tumor bei fünf von ihnen erneut aus („Regrowth“). In vier Fällen handelte es sich um ein Lokalrezidiv, das R0 und ohne Majorkomplikationen reseziert werden konnte. Ein Patient hatte Lungenmetastasen entwickelt, die bestrahlt wurden. „Wichtig für das Watch-&-Wait-Konzept ist die strukturierte Nachsorge, denn der Regrowth ist nicht selten“, betonte Kalev. Damit behält auch bei diesem Konzept die Chirurgie einen wichtigen Stellenwert. Aufgrund der strahleninduzierten Veränderungen nach der neoadjuvanten Radiochemotherapie sei eine besondere chirurgische Expertise nötig, betonte er. 

Im Notfall nicht gleich resezieren 

Eine retrospektive Analyse der Daten aus den Jahren 2008 bis 2019 des Interdisziplinären Darmzentrums der Charité-Universitätsmedizin Berlin zeigt, dass Notfallresektionen bei einem kolorektalen Karzinom (CRC) ein Risikofaktor für ein reduziertes Langzeit- und rezidivfreies Überleben sind und mit einer relevant erhöhten postoperativen Mortalität einhergehen. Definiert waren Notfallresektionen als Resektionen innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme oder Diagnosestellung. Julius Maximilian Plewe, Viszeralchirurg am Campus Charité Mitte, stellte prospektiv erhobene Ergebnisse nach Veränderung der Therapiekonzepte im Notfall vor. Ziel des Minimal-Handling-Managements waren eine Schadenkontrolle durch die Anlage von Stoma, Fistel oder einer limitierten Resektion sowie der Einsatz interventioneller Verfahren wie Drainage und Stent. Es sollte ein Bridging erreicht werden, um die onkologische Diagnostik und die Tumorkonferenz durchführen zu können und gegebenenfalls auch eine Prähabilitation zu ermöglichen. 

Ausgewertet wurden 54 kolorektale Notfälle mit Verdacht auf CRC aus den Jahren 2020 bis 2023 mit einer primären Anlage von Stoma oder Fistel. Fast alle waren mit Obstruktion/Ileus eingeliefert worden, drei hatten eine gedeckte Perforation. Bei 37 Patienten (68,5 %) wurde die Diagnose CRC bestätigt. Am verbreitetsten war die Lokalisation des Tumors im Sigma (37,8 %) oder Rektum (32,4 %). Die meisten anderen Diagnosen waren eine Divertikulitis (14,8 %) und eine Peritonealkarzinose (5,5 %). Bei den CRC-Notfällen wurde am häufigsten ein Transversostoma mit „single incisicion“ (48,65 %), ein Transversostoma laparoskopisch (29,73 %) oder ein Ileostoma (13,51 %) angelegt. 13,5 % der Patienten wurden in demselben Klinikaufenthalt reseziert, 24,3 % im Intervall, 35,1 % erhielten eine Neoadjuvanz und sekundär eine Resektion. Die übrigen wurden palliativ beziehungsweise multimodal behandelt oder waren nicht auswertbar. 

Obwohl laut Plewe knapp 73 % der Betroffenen letztlich operiert worden waren, kam es nach primärer Stomaanlage und sekundärer Resektion kaum zu höhergradigen chirurgischen Komplikationen – ganz im Gegensatz zur retrospektiv untersuchten Notfallresektionskohorte. Es sei wichtig, die Betroffenen durch einen limitierten Eingriff aus der „Akutphase“ und dem inflammatorischen Geschehen herauszuholen. Dann sei es an der Zeit, das Staging zu komplettieren, die Tumorkonferenz durchzuführen und wenn nötig eine Neoadjuvanz einzuleiten. Die limitierten Eingriffe könnten gegebenenfalls auch weniger erfahrene Chirurgen durchführen, und die eigentliche Resektion könne dann an einem Zentrum erfolgen, erläuterte er. Außerdem könnten so nicht indizierte Resektionen und die dadurch entstehenden Komplikationen vermieden werden. Dieses Vorgehen wird aktuell in der prospektiven multizentrischen deutschen Studie COMPASS mit dem Standard der Notfallresektion verglichen [1]. Primärer Endpunkt ist die 120-Tage-Mortalität.

Bericht vom 51. Deutschen Koloproktologen-Kongress vom 13. bis 15. März 2025 in Augsburg und online.