X-chromosomale TLR7-Expression bei Frauen und Prädisposition zu Lupus-assoziierter Autoimmunität
DOI: https://doi.org/10.47184/ti.2021.01.05 Frauen entwickeln eine stärkere Immunantwort als Männer. Damit sind Vorteile bei der Abwehr von Krankheitserregern verbunden, aber auch Nachteile wie eine erhöhte Neigung zu Autoimmunerkrankungen. Toll-like-Rezeptoren (TLRs) erkennen mikrobielle Pathogene auf der Basis von charakteristischen molekularen Mustern. Die nicht-intendierte Erkennung von endogenen Liganden durch TLRs kann zur Entwicklung von Autoimmunität und Autoinflammation beitragen. TLR7 spielt hierbei eine besondere Bedeutung, für das durch Genduplikation entstandene TLR8 liegen bislang wenige Daten vor. TLR7 erkennt mikrobielle RNA. Durch die molekulare Ähnlichkeit zwischen mikrobieller und Selbst-RNA kann es jedoch besonders leicht zu einer ungewollten Erkennung von Selbst-RNA kommen, die dann autoinflammatorische Prozesse antreiben kann. TLR7 ist auf dem X-Chromosom lokalisiert. Damit haben Frauen doppelt so große Gendosis wie Männer. Während auf jeweils einem der beiden X-Chromosomen die meisten Gene epigenetisch inaktiviert werden, legt eine Reihe von Studien den Schluss nahe, dass TLR7 zu den wenigen Genen gehört, die nicht dieser X-chromosomalen Inaktivierung unterliegen. In diesem Kontext ist interessant, dass die TLR7-Gendosis der entscheidende Faktor für die Ausbildung eines Lupus-artigen Syndroms im Tiermodell ist. Damit liegt nahe, dass die doppelte Gendosis bei fehlender X-chromosomaler Inaktivierung ursächlich ist für die besondere Prädisposition von Frauen für die Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes und andere mit dem Lupus erythematodes verwandte autoinflammatorische Syndrome.
TLR7, Autoimmunerkrankungen, X-chromosomale Inaktivierung, Lupus erythematodes
Einleitung
X-Disomie oder X-Polysomie ist mit einem größeren Risiko für die Entwicklung von Autoimmunität verbunden [1–3]. So ist bei Frauen (46,XX) das Risiko für die Entwicklung eines systemischen Lupus erythematodes (SLE) 9-fach höher als bei Männern (46,XY) [4]. Im Vergleich zu gesunden Männern ist das überzählige X-Chromosom bei Männern mit Klinefelter-Syndrom (47,XXY) mit einem 15-fach höheren Risiko für SLE verbunden, und bei Frauen mit drei X-Chromosomen (47,XXX) sogar mit einem 25-fach höheren Risiko [5]. Weiterhin ist bekannt, dass Frauen mit Turner-Syndrom (45,X0) häufig an verschiedenen Autoimmunerkrankungen leiden, aber selten SLE entwickeln [6]. Das X-Chromosom umfasst 155 Mb und insgesamt über 1.000 Gene (47), darunter viele Protein- oder micro-RNA-kodierende Gene, die an der Immunantwort beteiligt sind [7–9]. Der Funktionsverlust einiger dieser Gene (z. B. BTK, WAS, IL2RG, FOXP3, SH2D1A, CYBB) verursacht X-chromosomale primäre Immundefizienz-Erkrankungen [7]. Es wurden verschiedene Mausmodelle etabliert, um den Effekt des X-Chromosoms auf die Immunantwort zu untersuchen. So wurden einerseits XX- und XY- Mäuse miteinander verglichen, die einen identischen weiblichen oder männlichen Hormonstatus besitzen [10, 11]. Dabei hat sich in zwei verschiedenen Lupus-Modellen (Pristan-induziert, spontan) gezeigt, dass im Vergleich zu XY-Mäusen XX- Mäuse eine deutlich erhöhte Neigung besitzen, Lupus zu entwickeln [10, 12].
Mehrere genetisch-bedingte Ursachen können dabei prinzipiell und unabhängig voneinander zu dem Effekt des X-Chromosoms auf die Ausbildung von Autoimmunität beitragen: (1) Unterschiede in der Gendosis von pseudoautosomalen Genen; (2) Unterschiede in X-abhängiger Genexpression, die durch Vererbung des Chromosoms durch den Vater oder die Mutter entstehen; (3) Gene die sich auf dem Y-Chromosom befinden, und deren Funktion in Reproduktions-unabhängigen Geweben bislang nicht gut verstanden ist [13–16]; und (4) Unterschiede in der X-abhängigen Genexpression, wenn Gene nicht der X-chromosomalen Inhibition unterliegen [7]. Interessanterweise liegen die Gene zweier RNA-erkennender endosomaler Toll-like-Rezeptoren, TLR7 und TLR8 [17], in einer nicht-pseudoautosomalen Region auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms (Xp) (Abb. 1).