Epigenetische Analysen in der Rheumatologie: wichtige Erkenntnisse und therapeutischer Nutzen

Rheumatoide Arthritis, DNA-Methylierung, Histonmodifikationen, epigenetische Veränderungen

Schlüsselwörter: Epigenetische Mechanismen regulieren die Genexpression und sind ein wichtiger Faktor in der Ausbildung und Erhaltung zellulärer Phänotypen. Technische Fortschritte in Analysemethoden ermöglichen detailliertere Untersuchungen in primären Patientenzellen und geben uns mehr und mehr Erkenntnisse über epigenetische Veränderungen in rheumatischen Erkrankungen. Während wir eindeutig wissen, dass es zur Modulation des Epigenoms in rheumatischen Erkrankungen kommt, ist immer noch ungeklärt, wie diese entstehen und ob sie ursächlich oder eine Folge der chronischen Entzündungsreaktion sind. In jedem Fall würde eine therapeutische Regulierung epigenetischer Veränderungen die Möglichkeit eröffnen, aktivierte Immun- und Stromazellen langfristig zu normalisieren.

Was ist Epigenetik?

Die Analyse epigenetischer Modifikationen ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Standpfeiler der biomedizinischen Forschung verschiedenster Erkrankungen geworden. Die Summe aller epigenetischen Veränderungen, das sogenannte Epigenom, kontrolliert genomweit die Zugänglichkeit des Chromatins und somit die Expression von Genen. Einerseits sind epigenetische Mechanismen sehr stabil und bleiben auch nach der Zellteilung erhalten, anderseits können sie durch äußere Einwirkungen verändert werden. Aufgrund dieser Eigenschaften wird vermutet, dass epigenetische Veränderungen vor allem in chronischen Erkrankungen wichtige Mediatoren veränderten zellulären Verhaltens und chronischer entzündlicher Prozesse sind (siehe Abb. 1). 

Epigenetische Modifikationen können direkt die DNA-Basen oder die Verpackungsproteine, die Histone, betreffen. Auch Faltungen und 3D-Interaktionen des Chromatins können die Expression einzelner Gene oder Gengruppen beeinflussen (Abb. 2).

 Die am häufigsten untersuchte epigenetische Modifikation ist die DNA-Methylierung. Dabei handelt es sich um die kovalente Anknüpfung einer Methylgruppe an die Cytosin-Base der DNA. Diese Reaktion findet vor allem in DNA-Regionen statt, die durch eine abwechselnde Aneinanderreihung von Cytosin- und Guanin-Basen gekennzeichnet sind, den sogenannten CpG-Inseln. CpG-Inseln finden sich häufig in Promotor­regionen von Genen und sind dort physiologischerweise nicht methyliert, was die Genexpression erlaubt. Eine pathologische Methylierung solcher Promotorregionen führt zur Abschaltung des Gens, was des Öfteren im Falle von Tumor-Suppressor-Genen beobachtet und als kausaler Mechanismus der Tumorentstehung angesehen wird. DNA-Methylierung ist aber auch wichtig für das permanente Abschalten genomischer Regionen, die nicht exprimiert werden sollten, das sogenannte Heterochromatin. Hier liegen repetitive Elemente, z. B. long interspersed nuclear elements (LINEs) oder short tandem repeats (STRs). Auch für das Ausschalten des zweiten X-Chromosoms weiblicher Zellen ist DNA-Methylierung wichtig.
Die Modifikationen der Histone sind ungleich vielfältiger und komplexer als DNA-Modifikationen. Histone können an verschiedenen Aminosäuren ihrer frei stehenden Fortsätze acetyliert, methyliert, phosphoryliert, ubiquitiniert oder sumoyliert werden. Die Bedeutung vieler dieser Modifikationen ist noch nicht im Detail geklärt, einige assoziieren aber eindeutig mit spezifischen regulatorischen Elementen der DNA. So findet man in Enhancer-Elementen eine Tri-Methylierung des Lysins 4 (K4) im Histon-3­Protein (H3K4me3), während man in Promotor-Elementen eine Monomethylierung dieses Lysins findet (H3K4me1). Ist zusätzlich Lysin 27 acetyliert (H3K27ac), ist der Enhancer oder Promotor aktiv; ist das Lysin 27 methyliert (H3K27me3), ist das Chromatin in dieser Region dicht gepackt und der Enhancer oder Promotor inaktiv. So kann mithilfe der verschiedenen Histonmodifikationen eine regulatorische Funktion von Genregionen abgeleitet und ihr Aktivitätszustand ermittelt werden.
Eine weitere Ebene der epigenetischen Genregulation sind dreidimensionale Chromosomenstrukturen. Einige DNA-Sequenzen interagieren häufiger miteinander als andere und beeinflussen so die Expression der Gene in dieser Region. Die Analyse der Chromatin-Konformation ist besonders wichtig in der Analyse von genetischen Risikofaktoren, die häufig in nicht-codierenden Regionen vorkommen. Interaktionen dieser Regionen mit spezifischen Genen können Hinweise auf die Folgen eines Einzelnukleotidpolymorphismus (single-nucleotide poly­morphism, SNP) geben.
Die Vielfältigkeit epigenetischer Genregulation und die Verlinkung der Funktion der einzelnen Mechanismen untereinander resultieren in einem äußerst komplexen System, dessen Erforschung alles andere als trivial ist. Der kontinuierliche Fortschritt in der Entwicklung molekularbiologischer und computerbasierter Methoden zur Analyse des Epigenoms ermöglichen aber stetig neue Einblicke in epigenetische Mechanismen und ihre Rolle in der Entstehung von Krankheiten.

Epigenetische Veränderungen in rheumatischen Erkrankungen

DNA-Methylierung

Frühe Studien in den 1980er- und 1990er-Jahren zeigten bereits einen Zusammenhang zwischen Medikamenten-induziertem Lupus und Veränderungen der DNA-Methylierung in T-Zellen. Sowohl Prokainamid als auch Hydralazin können Lupus-Symptome auslösen, und beide Medikamente sind potente Inhibitoren der DNA-Methylierung [1]. In Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) fand man einen globalen Verlust der DNA-Methylierung in T-Zel­len [2]. In-vitro-DNA-Hypomethylierung von T-Zellen führt zu Autoreaktivität dieser Zellen, die, wenn in Mäuse injiziert, eine Lupus-ähnliche Erkrankung auslösen [3]. Auch monozygote Zwillinge mit diskordantem Auftreten von SLE zeigten substanzielle Unterschiede in der DNA-Methylierung ihrer Blutzellen [4]. Basierend auf diesen Versuchen wird angenommen, dass ein Verlust an DNA-Methylierung, ausgelöst durch verschiedenste Umwelteinflüsse (Medikamente, Noxen, UV Licht etc.), Lupus-Schübe auslösen kann.
Auch Immunzellen von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) weisen Veränderungen ihrer DNA-Methylierung auf, insbesondere eine globale DNA-Hypomethylierung in T-Zellen und Monozyten [2, 5]. Globale Hypomethylierung wurde ebenfalls in stromalen Zellen der Gelenke, den synovialen Fibroblasten von Patienten mit RA, gefunden und in Zusammenhang mit ihrem invasiven Wachstum und ihren knorpeldestruierenden Eigenschaften gebracht [6, 7]. Zusätzlich wurden spezifische Genpromotoren, die von einer Veränderung der DNA-Methylierung bei RA betroffen sind, untersucht. Einige dieser Promotoren sind hypermethyliert, andere hypo­methyliert bei RA [8]. Dabei scheint das Muster der veränderten DNA-Methylierung nicht zufällig zu sein, da bevorzugt Gene mit einer etablierten Rolle in der Pathogenese der RA von diesen Veränderungen betroffen sind [9]. Regionen, die in RA-synovialen Fibroblasten hypermethyliert waren (aber nicht solche, die hypo­methyliert waren), waren teilweise auch in naiven T-Zellen von RA-Patienten hypermethyliert [10]. Übereinstimmungen wurden auch in unterschiedlich methylierten Region in RA-B-Zellen und SLE-B-Zellen gefunden [11]. Ob diese spezifischen Veränderungen in der DNA-Methylierung die Ursache bestimmter pathogenetischer Mechanismen sind oder durch diese induziert werden, ist bis jetzt jedoch ungeklärt. Interessanterweise finden sich spezifische Veränderungen der DNA-Methylierung in synovialen Fibroblasten aber schon in einem sehr frühen Stadion der Erkrankung und könnten daher eventuell als diagnostische Biomarker eingesetzt werden [12]. In der Glioblastom-Diagnose werden DNA-Methylierungsmarker schon erfolgreich in der Routinediagnostik eingesetzt, was die Praktikabilität des Einsatzes epigenetischer Biomarker bestätigt [13].

Histonmodifikationen

Epigenetische Analysen von Histonmodifikationen in Patienten mit rheumatischen Erkrankungen stehen immer noch am Anfang. Die meisten Studien befassten sich sowohl mit der Analyse der Expression und Aktivität von Enzymen, die die Modifikation von Histonen katalysieren, als auch deren Inhibitoren. Insbesondere Inhibitoren der Enzyme, die in die Acetylierung von Histonen involviert sind, z. B. Histon-Deacetylase- (HDAC) und Bromodomain-Inhibitoren, sind für die Rheumatologie interessant, da sie anti-inflammatorische Aktivität haben und auch die Aktivität von synovialen Fibroblasten positiv beeinflussen können [14, 15].
Genomweite Analysen von Histonmodifikationen in Monozyten von Patienten mit SLE zeigten Veränderungen sowohl in Enhancer (H3K4me1)- als auch in Promotor (H3K4me3)-Aktivität, was auf tiefgreifende, stabile Veränderungen der Chromatinlandschaft schließen lässt [16, 17]. Auch synoviale Fibroblasten von Patienten mit RA zeigten Unterschiede in der Aktivität ihres regulatorischen Chromatins – verglichen mit synovialen Fibro­blasten von Patienten mit Osteoarthritis (OA) [18]. Die substanziellen Veränderungen in epigenetischen Modifikationen und DNA-Methylierung erklären, warum das aggressive Wachstum von RA-synovialen Fibroblasten auch noch nach mehreren Passagen in der Zellkultur messbar ist [19]. Die nächste Herausforderung wird sein, diese grundlegenden Veränderungen pharmakologisch zu beeinflussen, um die veränderten Zellfunktionen langfristig zu normalisieren.

Chromatin-Interaktionen

Genomweite Chromatin-Konformationsanalysen wurden bis jetzt bei rheumatischen Erkrankungen noch nicht durchgeführt. Interessante Ergebnisse kommen aus selektiven Analysen von Interaktionen ausgewählter Regionen. So wurden in Blutzellen von RA-Patienten bestimmte Interaktionen von genomischen Regionen, die RA-Risikogene enthalten, gefunden, die mit dem Ansprechen der Patienten auf Methotrexat korrelierten [20]. In einem ähnlichen Ansatz in B- und T-Zelllinien wurden Interaktio­nen von Regionen, die Risikogene für RA, Psoriasis-Arthritis und juvenile Arthritis enthalten, untersucht. Diese Studie identifizierte so nicht nur einen Großteil der durch zugelassene RA-Therapien modulierten Signalwege, sondern auch Signalwege, die eventuell neu in der Therapie rheumatischer Erkrankungen eingesetzt werden könnten, wie z. B. der Signalweg des CD40-Rezeptors [21].

Schlussfolgerung

Die Analyse epigenetischer Mechanismen hat in den letzten Jahren neue und wertvolle Erkenntnisse zur Pathogenese rheumatischer Erkrankungen gebracht. Der rasche Fortschritt in der Entwicklung molekular-biologischer Technologien und umfassender Datenanalysen lässt vermuten, dass in den nächsten Jahren viele neue Einsichten über epigenetische Veränderungen in rheumatischen Erkrankungen gewonnen werden. Wesentlich wird es sein, die Frage nach Ursache und Wirkung dieser Veränderungen beantworten zu können. Durch die Stabilität dieser Mechanismen und ihrer Funktion als Genregulatoren könnten epigenetische Veränderungen ursächlich an der Chronifizierung der Entzündungsmechanismen in rheumatischen Erkrankungen verantwortlich sein und ihre therapeutische Modulierung zu einer Normalisierung der aktivierten zellulären Phänotypen genutzt werden. Damit wäre der wichtige Schritt weg von einem immunsuppressiven zu einem immunmodulatorischen Ansatz in der Therapie rheumatischer Erkrankung möglich.

Autoren
PD Dr. Dr. med. Caroline Ospelt
Zentrum für Experimentelle Rheumatologie, Klinik für Rheumatologie
Universitätsspital Zürich, Schweiz
Prof. Dr. med. Steffen Gay
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