Die G-Protein-gekoppelte Signaltransduktion im Immunsystem

DOI: https://doi.org/10.47184/ti.2021.01.04

Die mit Abstand größte Familie der Membranrezeptoren bilden die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR). Dabei handelt es sich um heptahelikale Transmembranproteine, deren extrazelluläre Schleifen der Ligandenbindung dienen und deren größte intrazelluläre Schleife mit einem heterotrimeren G-Protein assoziiert ist. GPCR kommen in zahlreichen Formen auf unterschiedlichen Zellen des menschlichen Körpers vor und spielen eine zentrale Rolle in einigen grundlegenden physiologischen Vorgängen, beispielsweise der Muskelkontraktion, dem Zellstoffwechsel durch Bindung von Hormonen, der optischen und olfaktorischen Wahrnehmung sowie der Regulation des Immunsystems. Aufgrund ihrer stark verbreiteten Expression und vielfältigen Wirkungsweisen ist es kaum verwunderlich, dass einige GPCR auch mit pathophysiologischen Vorgängen des menschlichen Körpers assoziiert sind. Im Folgenden werden die verschiedenen Signaltransduktionswege der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren und ihre Bedeutung hinsichtlich der Regulation von Immunzellen vorgestellt. Anhand von ausgewählten Beispielen wird in diesem Kontext die klinische Relevanz einzelner GPCR verdeutlicht und diskutiert.

Schlüsselwörter: GPCR, heterotrimere G-Proteine, Chemokinrezeptoren, HIV, WHIM-Syndrom, SLE, Autoimmunerkrankung, Anti-GPCR-Antikörper

Vielfalt und Funktionsweise der GPCR

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren haben ein sehr breites Wirkspektrum, das nicht nur durch ihre große Anzahl und Unterschiedlichkeit, sondern ebenfalls durch die variable Funktionsweise jedes einzelnen GPCR als Reaktion auf einen spezifischen externen Stimulus zustande kommt.
Die ca. 800 bislang identifizierten GPCR des Menschen durchdringen die Zellmembran in der Regel mehrfach in Form von sieben α-helikalen Proteindomänen und werden folglich als heptahelikale Transmembranrezeptoren bezeichnet. Trotz dieser Gemeinsamkeit unterscheiden sie sich teilweise sehr stark in ihrer Größe und Aminosäurenabfolge, wodurch die Affinität der Rezeptoren zu einer großen Menge unterschiedlicher Liganden zustande kommt. Die einzelnen GPCR sind außerdem in der Lage, mehr als nur einen Liganden zu binden; sie besitzen also mehrere extrazelluläre Ligandenbindungsstellen. Jeder dieser Liganden hat einen einzigartigen Effekt auf den Rezeptor, der durch die Interaktion seine Konformation in einer spezifischen Art und Weise ändert. Diese ligandeninduzierte Konformationsheterogenität der GPCR ist eine wichtige Basis für die vielfältige Funktionsweise der Rezeptoren. Teilweise wird durch eine solche Konformationsänderung eine Homo- oder Heterodimerisierung des Rezeptors gefördert, also eine Komplexbildung mit einem identischen Rezeptor oder einem anderen Protein [1].
Grundsätzlich werden durch die Konformationsänderung des Rezeptors die heterotrimeren G-Proteine aktiviert. G-Proteine sind sogenannte molekulare Schalter, die in zwei Zuständen vorliegen können: aktiv und inaktiv. In ihrer aktiven Form binden die Proteine GTP und können durch dessen Hydrolyse zu GDP in den inaktiven Zustand übergehen [2]. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher heterotrimerer G-Proteine, die sich aus jeweils einem der 16 verschiedenen α-, fünf β- und zwölf γ-Untereinheiten des Menschen zusammensetzen können. Je nachdem welches G-Protein aktiviert ist, werden verschiedene intrazelluläre Signalkaskaden in Gang gesetzt (siehe Hauptsignalwege der GPCR) [3]. Ein Rezeptor kann gleichzeitig an mehrere unterschiedliche G-Proteine gekoppelt sein und ihre spezifische Aktivierung hängt stark von dem gebundenen extrazellulären Liganden ab [1].
In verschiedenen Zelltypen unterscheiden sich zusätzlich die Effektormoleküle des downstream Signalweges, woraus schließlich eine große Bandbreite an liganden-, zell-, rezeptor- und G-Protein-spezifischen biologischen Antworten resultiert [2]. Die Signalweiterleitung der GPCR wird außerdem durch verschiedene Regulator-Moleküle beeinflusst. Dabei handelt es sich z. B. um RGS (regulators of G-Protein signaling), GRKs (G-protein coupled receptor kinases) oder β-Arrestin, die im aktiven Zustand mithilfe von unterschiedlichen molekularen Mechanismen die GPCR-Signaltransduktion inhibieren können [4, 5].
Allgemein sind GPCR in der Lage, sehr sensibel und spezifisch auf Veränderungen des extrazellulären Milieus zu reagieren. Ein Wechsel zwischen ihrem aktiven und inaktiven Zustand kann sehr schnell erfolgen und trägt maßgeblich zur Wirkungsweise des Rezeptors bei – ebenso wie die Expressionsstärke in der Zelle. Da auch unter physiologischen Bedingungen stets Fluktuationen der Umgebung stattfinden, spiegelt die momentane Expressionsstärke der GPCR einer Zelle ihre aktuelle, spezifische Reaktion auf externe Signale wider [6].

Klassen der heterotrimeren G-Proteine

Bevor näher auf die verschiedenen Signaltransduktionswege der GPCR eingegangen wird, empfiehlt sich ein kurzer Exkurs zur Klassifizierung und Funktionsweise der unterschiedlichen heterotrimeren G-Proteine. Diese besitzen als second messenger der Signalkaskade eine zentrale Aufgabe. Je nachdem welcher G-Protein -Typ an den GPCR gekoppelt ist, verlaufen die Signalwege in verschiedene, teilweise gegensätzliche Richtungen. Insgesamt lassen sich die heterotrimeren G-Proteine in vier Familien unterteilen, wobei ausschließlich die Art der Gα-Untereinheit entscheidend für diese Einteilung ist:

  1. Die Gs-Familie der trimeren G-Proteine wird durch die Bindung von Katecholaminen, Glucagon, Purinen, Histamin, Vasopressin, Prostaglandin E2 und einigen Hormonen (LSH, TSH, FSH) aktiviert. Zu ihr zählen außerdem sämtliche G-Proteine, die an GPCR des Riechepithels gekoppelt sind. Die Gs-Proteine aktivieren das Effektor-Enzym Adenylatcyclase, das für den Anstieg von cAMP in der Zelle verantwortlich ist.
  2. Eine Subgruppe der heterotrimeren G-Proteine ist die Gi-Familie, die beispielsweise durch die Liganden Angiotensin, Glutamat, Somatostatin, Purine, verschiedene Chemokine oder Katecholamine aktiviert wird. Auch die G-Proteine, die bei der Licht- und Geschmackswahrnehmung involviert sind, gehören zu dieser Klasse und werden durch Opsine, Photonen oder Geschmacksstoffe stimuliert. Sie wirken allesamt inhibitorisch auf ihr jeweiliges Effektormolekül, bei dem es sich um Adenylatcyclase oder cGMP-Phosphodiesterase handeln kann. Als Folge sinkt die Konzentration der cAMP- bzw. cGMP-Moleküle in der Zelle.
  3. Wird hingegen die Gruppe der Gq-Proteine durch die Bindung von Liganden wie Bradykinin, Angiotensin oder Katecholaminen an den jeweiligen GPCR in ihren aktiven Zustand versetzt, so wird das Effektormolekül Phospholipase Cβ aktiviert, wodurch schließlich die zytoplasmatische Calciumionenkonzentration ansteigt [2].
  4. Die vierte Subgruppe der heterotrimeren G-Proteine wird als G12/13-Familie bezeichnet. Ihre Aktivierung erfolgt durch Bradykinin, TSH oder Bombesin und resultiert in der Stimulation der Rho-Kinase, die Veränderungen im Zytoskelett der Zelle bewirken kann [4].

Wie hier am Beispiel von Angiotensin deutlich wird, ist die Signaltransduktion bestimmter Liganden nicht nur auf eine Art von G-Protein beschränkt. Ihre Wirkweise hängt stark von der Zielzelle ab, an die sie binden, sowie dem GPCR und dessen downstream Effektormolekülen.

Hauptsignalwege der GPCR

Signaltransduktion mittels Adenylatcyclase

Ist die extrazelluläre Ligandenbindungsstelle eines GPCR nicht besetzt, so liegt der Rezeptor in seiner inaktiven Form vor. Dabei hat er an seiner intrazellulären Domäne ein heterotrimeres G-Protein gebunden, dessen α-Untereinheit mit einem GDP-Molekül assoziiert ist und somit auch in seinem inaktiven Zustand vorliegt. Bindet ein entsprechender Ligand an den G-Protein-gekoppelten Rezeptor einer Zelle, so kommt es zu einer Konformationsänderung der Transmembranhelices zueinander. Durch diesen Prozess wird dieGuanine-exchange-factor(GEF)-Domäne des Rezeptors stimuliert, die den Austausch des vom G-Protein gebundenen GDP zu einem aktivierenden GTP-Molekül katalysiert. Das nun aktive G-Protein zerfällt in seine α- und βγ Untereinheit und dissoziiert vom Rezeptor (Abb. 1).

Handelt es sich dabei um ein G-Protein der Gs- bzw. Gi-Familie, so ist das erste Effektormolekül der Signaltransduktion die Adenylatcyclase. Dieses Enzym ist durch seine zwölf Transmembrandomänen in der inneren Zellmem­bran verankert und sorgt mit seiner katalytischen Untereinheit für die Bildung von zyklischem AMP aus dem ubiquitär vorhandenen ATP der Zelle. Durch die Bindung der Gα-Untereinheit des aktivierten G-Proteins an die regulatorische Domäne der Adenylatcyclase wird die Aktivität des Enzyms beeinflusst. Gi- Proteine (inhibitory) hemmen die katalytische Fähigkeit des Enzyms, wohingegen die Gs-Proteine (stimulatory) dessen Aktivität fördern. Dementsprechend führt dies entweder zu einer Reduzierung oder einem Anstieg der intrazellulären cAMP-Konzentration.
Ist ausreichend cAMP in der Zelle vorhanden, kann eine ganze Reihe von cAMP-abhängigen Reaktionen ablaufen, wobei es sich bei der Aktivierung der Proteinkinase A (PKA) wohl um die bekannteste Funktion des cAMP handelt. Diese Serin/Threonin-Kinase wird bei einem Anstieg der cAMP-Konzentration aktiviert und ist nun in der Lage, ihre spezifischen Substrate zu binden und zu phosphorylieren. In den folgenden spezifischen Signalkaskaden werden weitere Effektorproteine so modifiziert, dass schließlich die gewünschte zelluläre Antwort generiert wird [2]. Die sogenannte Phosphorylasekinase beispielsweise ist ein Substrat der PKA, die durch die Phosphorylierung aktiv wird. Das Enzym selbst ist ebenfalls eine Kinase, die wiederum die Glykogenphosphorylase phosphorylieren kann und somit den Glykogenabbau initiiert [7].
Auch die Genepression der Zelle kann durch einen Anstieg des cAMP-Spiegels verändert werden. Dazu wird die cAMP-abhängige PKA in den Zellkern transloziert, wo sie den Transkriptionsfaktor CREB (cAMP-responsive element-binding protein) phosphoryliert. Dieser Transkriptionsfaktor bindet sogenannte CRE-Regionen (cAMP-responsive element) der DNA. Dabei handelt es sich um Promotoren spezifischer Gene, deren Expression durch den cAMP-Anstieg hoch- bzw. runterreguliert werden kann [2].

Signaltransduktion mittels Phospholipase Cβ

Ist der GPCR einer Zelle an ein Gq-Protein gekoppelt, erfolgt die Aktivierung des Enzyms Phospholipase Cβ. Dieser Signalweg führt zu einem Anstieg der zytosolischen Calciumkonzentration und spielt in zahlreichen Prozessen eine wichtige Rolle.
Bindet die aktivierte, GTP-bindende α-Untereinheit des heterotrimeren G-Proteins nach Stimulation des Rezeptors an die vorgesehene Bindestelle der Phospholipase Cβ, wird diese aktiviert. Bei der Phospholipase Cβ handelt es sich um eine Phosphodiesterase, ein Enzym, das die ungesättigte Fettsäure von Phospholipiden spalten kann. In diesem Fall spaltet die Phospholipase Cβ das in der Zellmembran verankerte PIP2 (Phosphatidylinositol-4,5-Bisphosphosphat) zu IP3 (Inositol(-1,4,5)-Triphosphat) und DAG (Diacylglycerin). Beide Spaltprodukte fungieren nun als Effektormoleküle des Signalwegs und lösen gleichzeitig verschiedene Signalkaskaden aus.
Das DAG bleibt in der inneren Zellmembran verankert und löst im weiteren Signalweg die Aktivierung der Proteinkinase C (PKC) aus, einem Enzym mit breiter Substratspezifität.
Im Gegensatz zum DAG wird das IP3 als lösliches Signalmolekül von der Zellmembran getrennt und kann ins Zytosol diffundieren. Dort bindet es an seinen spezifischen IP3-Rezeptor auf der zytosolischen Seite des glatten endoplasmatischen Retikulums (ER). Dieser Rezeptor ist ein ligandengesteuerter Calciumkanal, der sich bei Bindung von insgesamt vier IP3-Molekülen öffnet und Calciumionen aus dem ER freisetzt. Der rasche Anstieg des Calciums in der Zelle beeinflusst zahlreiche weitere biologische Prozess, unter anderem auch die Aktivierung unterschiedlicher Effektormoleküle über das Calcium-aktivierte Protein Calmodulin [2].

Rolle der GPCR im Immunsystem

Auch die Zellen des Immunsystems sind mit einer Vielzahl unterschiedlicher G-Protein-gekoppelter Rezeptoren auf ihrer Zellmembran ausgestattet. In den letzten Jahren wurden zahlreiche dieser GPCR bezüglich ihrer Bedeutung für das Immunsystem untersucht und hierbei festgestellt, dass sie ein essentieller Bestandteil von Prozessen wie der Immunzellreifung, -migration, -proliferation, -adhäsion oder -suppression sind. Auch die Klasse der Chemokinrezeptoren zählt zur GPCR-Großfamilie und spielt bei der chemotaktischen Attraktion von Leukozyten an den Entzündungsherden eine zentrale Rolle [8]. Die folgenden Rezeptorklassen sind ausgewählte Beispiele der GPCR, die hinsichtlich ihrer Expression und Funktion in den Immunzellen des adaptiven Immunsystems analysiert werden:

Chemokinrezeptoren

Die meisten Chemokinrezeptoren gehören zur Klasse der Gαi-Protein-gekoppelten Rezeptoren und befinden sich auf der Oberfläche einiger unterschiedlicher Zelltypen [9]. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der chemotaktischen Migration von Leukozyten und zählen somit zu den typischerweise auf T- und B-Lymphozyten exprimierten GPCR [10].
Für die Migration, Zirkulation und Homöostase der T-Zellen sind insbesondere die drei Chemokinrezeptoren CXCR3, CXCR4 und CXCR5 verantwortlich. Nach Bindung der jeweiligen Chemokin-Liganden und folgender Aktivierung der G-Proteine werden die bekannten spezifischen Signalkaskaden in Gang gesetzt. Sie resultieren u. a. in einer Veränderung des Zytoskeletts und der Integrinexpression, was die Migration der T-Zelle ins Gewebe ermöglicht. Außerdem konnte eine erhöhte Expression der Chemokinrezeptoren CXCR4 und CXCR5 an immunologischen Synapsen während der T-Zellaktivierung beobachtet werden. Sie scheinen hier co-stimulatorischen und regulatorischen Funktionen hinsichtlich der T-Zell-Aktivierung nachzugehen [11].
Betrachtet man die Expression der Chemokinrezeptoren auf B-Lymphozyten, so wird ihre zentrale Rolle schon während der B-Zellreifung im Knochenmark deutlich. Hier steuern sie auf chemotaktische Weise die räumlich-zeitliche Migration der B-Lymphozyten und sichern dadurch ihre optimale Entwicklung. Weiterhin koordinieren Chemokinrezeptoren beispielsweise das Homing von intestinalen B-Zellen zu sekundären lymphatischen Organen, sowie deren Aufnahme in darm-assoziiertes lymphoides Gewebe, GALT (gut-associated lymphatic tissue) [12].

Purinerge Rezeptoren

Purinozeptoren sind in fast allen Geweben des menschlichen Körpers exprimiert und reagieren auf die Bindung von Nukleosiden oder ihren entsprechenden phosphorylierten Nukleotiden. Sie werden grundsätzlich in zwei Subklassen unterteilt, die Adenosin bindenden P1- Rezeptoren und die ATP bzw. ATP-Derivat bindenden P2-Rezeptoren [13]. Die intrazelluläre Signaltransduktion der Purinozeptoren ist innerhalb dieser Subklassen jedoch nicht einheitlich. In Abhängigkeit von Rezeptor, Zelltyp und Liganden können sie an Gαs-, Gαi-, Gαq- oder Gα12/13-Untereinheiten gekoppelt sein [14].
Auf T-Zellen konnten besonders zwei dieser Rezeptoren vermehrt identifiziert werden. Der A2AR (Adenosin A2A Rezeptor) ist bekannt als Suppressor immunologischer Antworten und wird von extrazellulärem Adenosin gebunden. Mit seiner intrazellulären Schleife ist er an ein Gs-Protein gekoppelt, dessen Aktivierung zur Stimulation der Adenylatcyclase führt, die mittels cAMP für die Regulation zahlreicher Effektormoleküle, wie die PKA, verantwortlich ist. In T-Lymphozyten führt diese Signalkaskade zu einer verminderten Zellproliferation und -aktivität, wodurch eine folgende Immunreaktion nur noch abgeschwächt verlaufen kann. Die Langzeit-Aktivierung des A2AR führt zu einer gesteigerten Toleranz der T-Zellen gegenüber spezifischen Antigenen und einer erhöhten Anzahl an regulatorischen T-Zellen im Gewebe, das dadurch vor inflammatorischen Prozessen geschützt wird. Im Gegensatz zum A2AR wird der purinerge Rezeptor P2Y6 auf aktivierten T-Zellen hochreguliert und bindet als Liganden das zweifach phosphorylierte UDP. Die Signaltransduktion resultiert in einer gesteigerten intrazellulären Calciumionenkonzentration und extrazellulären Freisetzung von Interleukin-2, dessen Hauptfunktion darin besteht, auf autokrinem Weg die Proliferation und das Wachstum der T-Zellpopulation selbst anzuregen [11].
In Abhängigkeit von ihrem Aktivierungsstatus werden auch in B-Zellen unterschiedliche purinerge GPCR exprimiert. Die auto- und parakrine Sekretion von Adenosin und dessen Bindung an P1-Rezeptoren auf B-Lymphozyten sorgt für eine Suppression der B-Zellaktivierung. Im Gegensatz dazu erhöhen aktivierte B-Zellen die parazelluläre ATP-Konzentration und sorgen so für eine Stimulation ihrer P2-Rezeptoren. Die Adhäsion von B-Zellen an Blutgefäßen in entzündeten Geweben wird beispielsweise durch die Aktivierung des P2X7-Rezeptors ermöglicht. Dieser sorgt durch die Aktivierung von spezifischen Matrix-Metalloproteasen (MMPs) für die Spaltung und Freisetzung bestimmter Adhäsionsproteine auf der B-Zelloberfläche. Durch diese Spaltung wird die Adhäsion der B-Zellen an das Endothel erleichtert und ihre Migration in das entsprechende, entzündete Gewebe gefördert [13].

PGE-Rezeptor

Die Aktivierung der Prostaglandin-E(PGE)-Rezeptor-Familie erfolgt über die Bindung von Prostaglandin E2, einem wichtigen Entzündungsmediator. Die vier Subtypen EP1–EP4 werden inhomogen in zahlreichen Geweben exprimiert und vermitteln Prozesse wie die Thrombozyten-Aggregation, Gefäßerweiterung und Stimulation sensorischer Nervenendigungen. Jede der Subklassen interagiert mit einer spezifischen Gα-Untereinheit: EP1 mit Gαq, EP2 und EP4 mit Gαs und EP3 mit Gαi [15].
Auf T-Zellen haben EP2 und EP4 grundsätzlich eine suppressive Wirkung und inhibieren deren Aktivierung. Eine Ausnahme bilden hierbei die Th17-Zellen, deren Differenzierung durch die Bindung von PGE2 angeregt wird. Im Unterschied dazu fördert die Aktivierung von EP1 die TH1-gesteuerte Immunreaktion durch eine Gq-Protein-vermittelte Signaltransduktion [11].
Im Reifungsprozess der B-Zellen kommt dem Prostaglandin E2 und seinem EP4-Rezeptor eine zentrale Bedeutung zu.  Wird der B-Zell-Rezeptor (engl. B-cell receptor, BCR) einer unreifen B-Zelle durch die Bindung eines Antigens stimuliert, so wird die Zelle durch eine BCR-induzierte Apoptose eliminiert. Durch die Stimulation des BCR kommt es zu einer Hochregulation des EP4-Rezeptors auf der Zellmembran. Dieser sorgt für einen Zellzyklusarrest und eine Caspase-vermittelte Apoptose der unreifen B-Zelle [16].

Klinische Relevanz

HIV

Eines der bekanntesten Beispiele für die Beteiligung von GPCR an pathologischen Prozessen im menschlichen Körper ist wohl ihre Wirkung als Co-Rezeptoren für den Zelleintritt des Humanen Immundefizienz-Virus (HIV). Die Chemokinrezeptoren CCR5 oder CXCR4 werden auf der Oberfläche von CD4-positiven T-Lymphozyten und Makrophagen exprimiert und vermitteln gemeinsam mit dem primären Eintrittsrezeptor CD4 die Aufnahme der HI-Viren in die Zellen [17, 18]. Ca. 1 % der Kaukasier besitzt ein mutiertes CCR5 Molekül, wodurch der Eintritt des HIV in die CD4-positiven T-Lymphozyten verhindert wird. Homozygote Träger dieser Mutation sind somit resistent gegenüber einer HIV-Infektion mit CCR5-Tropismus [19]. Diese Beobachtung hat man sich in der HIV-Therapieplanung zunutze gemacht und eine CCR5-basierte Gentherapie entwickelt. Diese Idee basiert auf der Beobachtung, dass ein wegen eines Lymphoms mit einem CCR5-mutierten Knochenmark transplantierter HIV-Patient plötzlich resistent gegenüber den HI-Viren wurde [20]. Die ersten gentherapeutischen Studien an HIV-Erkrankten beruhen auf einer autologen Transplantation von gentechnisch veränderten CD4-positiven T-Zellen. Mittels verschiedener molekularbiologischer Verfahren wie Zinkfinger-Nukleasen (ZFN), TALEN (Transcription activator-like effector nuclease) oder CRISPR/Cas, wird der CCR5-Genlocus der Zellen so manipuliert, dass der Rezeptor nicht länger exprimiert werden kann. In der Theorie sollen diese HIV-resistenten Zellen einen Überlebensvorteil gegenüber den nicht-modifizierten T-Zellen aufweisen und sich dadurch im Immunsystem besser ausbreiten. Die praktischen Ergebnisse zeigen allerdings nur einen geringen Prozentsatz an überlebenden HIV-resistenten T-Zellen. Es wird vermutet, dass ein Therapieerfolg stark von einer biallelischen Zerstörung des CCR5-Gens abhängt und eine Verbesserung auf der Ebene des single-cell Knockouts unerlässlich ist [21] (s. Abb. 2).

WHIM-Syndrom

Das WHIM-Syndrom wird durch eine autosomal-dominant vererbte „gain of function“-Mutation im Gen des CXCR4-Proteins verursacht. Sie gilt als die erste identifizierte Erkrankung, die auf einen genetischen Defekt eines Chemokinrezeptors zurückzuführen ist. Es handelt sich um eine seltene, angeborene Immunerkrankung, deren Hauptmerkmale durch das Akronym ‚WHIM‘ zusammengefasst werden: ‚Warzen‘, ‚Hypogammaglobulinämie‘, ‚Infektionen‘ und ‚Myelokathexis‘. Morphologisch fehlt dem Rezeptor ein Teil seines intrazellulären C-Terminus, weshalb er nach Bindung des Liganden, CXCL12, nicht internalisiert werden kann. Folge der fehlenden Herunterregulierung ist eine Überfunktion des Rezeptors nach Ligandenbindung. Dieser Defekt wirkt sich besonders stark auf Zellen des Immunsystems aus: Um das Knochenmark zu verlassen, müssen die myeloiden Zellen CXCR4 herunterregulieren. Ist dies durch die Mutation nicht möglich, so kommt es zu einer gestörten Auswanderung der Zellen in den Blutkreislauf. Die Zurückhaltung neutrophiler Granulozyten im Knochenmark wird als Myelokathexis bezeichnet und resultiert zwangsläufig in einer WHIM-typischen Neutropenie, dem Mangel an peripheren Neutrophilen. Weiterhin weisen WHIM-Erkrankte eine erniedrigte Konzentration an IgG-Antikörpern auf, auch Hypogammaglobulinämie genannt. Die Ursachen hierfür sind noch nicht geklärt, es gibt allerdings verschiedene Erklärungsansätze, z. B. ein gestörtes ‚Homing‘ der B-Gedächtniszellen durch den hyperaktiven Chemokinrezeptor oder gestörte Interaktion von B- und T-Zellen während der B-Zellaktivierung.
Insgesamt resultiert die ausgeprägte Immunschwäche der WHIM-Erkrankten in häufig wiederkehrenden bakteriellen und viralen Infektionen. Dabei ist die Anfälligkeit für humane Papillomaviren besonders hoch, die sich in einer starken Warzenbildung äußert [23, 24].

Systemischer Lupus erythematodes

Auch bei der Pathogenese des systemischen Lupus erythematodes (SLE) scheint CXCR4 eine zentrale Rolle zu spielen. SLE ist eine systemische Autoimmunerkrankung, die sich auf der Haut und inneren Organen manifestieren kann. Genetische Prädispositionen und Umwelteinflüsse scheinen wichtige Faktoren für diese Erkrankung zu sein, ebenso wie Infektionen oder andere schädliche externe Einflüsse, die zu einer vermehrten Apoptose von körpereigenen Zellen führen [25, 26]. Gekennzeichnet ist der SLE durch die pathologische Produktion von Autoantikörpern (Auto-AK) durch selbstreaktive B-Zellen. Die Ergebnisse einer klinischen Studie an SLE-Erkrankten zeigen, dass der Chemokinrezeptor CXCR4 auf der Oberfläche von Lupus-B-Zellen deutlich überexprimiert ist. Bislang ist noch ungeklärt, welche molekularen Prozesse diese Überexpression auslösen; die Folgen allerdings können gravierend sein.
Unter physiologischen Bedingungen erfüllt der CXCR4 auf aktivierten B-Zellen während der Keimzentrumsreaktion eine wichtige Aufgabe: Durch seine zeitlich optimal abgestimmte Expression koordiniert er die Migration der B-Zellen im sekundären Lymphfollikel. Ist der CXCR4 jedoch überexprimiert, so gerät das Gleichgewicht der B-Zellmigration außer Kontrolle. In diesem Fall kann es zu einer Bildung und Freisetzung von autoreaktiven B-Zellen kommen [27]. Der Prozess der Keimzentrumsreaktion und die zentrale Wirkweise des CXCR4 sollen im Folgenden kurz skizziert werden: Das Keimzentrum lässt sich in eine helle Zone (hZ) und eine dunkle Zone (dZ) unterteilen, zwischen denen die aktivierten B-Zellen zirkulieren. In der hZ sekretieren die follikulären Retikulumszellen hohe Mengen an CXCL12, einen Liganden des CXCR4 mit chemoattraktiver Wirkung. Es entsteht ein Chemokingradient, der für die Migration von CXCR4-positiven B-Zellen in die hZ sorgt. Hier findet eine starke Proliferation der B-Lymphozyten und die somatische Hypermutation des BCR statt. Um die hZ zu verlassen und in die dZ des Keimzentrums zu gelangen, müssen die B-Zellen den CXCR4 herunterregulieren. Nur dann sind sie in der Lage, entlang eines weiteren Gradienten (CXCL13/CXCR5-Achse) in die dZ zu wandern. Hier vermitteln follikuläre T-Helferzellen und regulatorische T-Zellen die positive und negative Selektion der B-Zellen. Selbstreaktive oder funktionslose B-Zellen gehen dabei entweder in Apoptose, werden zum erneuten Rezeptor-Editing zurück in die hZ geschickt oder durch regulatorische T-Zellen supprimiert [28]. Eine fehlende Herunterregulation des CXCR4, wie es auf Lupus-B-Zellen der Fall ist, führt zu einer Störung in diesem Ablauf. Selbstreaktive B-Zellen gelangen nicht in die dZ und entkommen so ihrer negativen Selektion bzw. ihrer Apoptose oder Suppression durch T-Zellen. Sie gelangen also ohne weitere Kontrolle direkt in die Blutbahn. Unabhängig von ihrer Funktion während der Keimzentrumsreaktion fördert die erhöhte CXCR4-Expression auf Lupus-B-Zellen außerdem ihre Migration zu inneren Organen entlang eines CXCL12-Gradienten. Bei SLE-Patienten mit Nierenmanifestation wurde eine Hochregulation von CXCL12 speziell in den Glomeruli und dem Tubulussystem der Niere festgestellt. Durch die CXCR4-gesteuerte Migration von autoreaktiven B-Zellen zu den Organen kommt es zu einer pathologischen Akkumulation der Lymphozyten im entsprechenden Gewebe. Starke Entzündungsprozesse mit Schädigung der betroffenen Organe sind die Folge [28] (s. Abb. 3).

Anti-GPCR-Antikörper

Meist fällt der Begriff des Auto-Antikörpers (Auto-AK) in Verbindung mit einer Autoimmunerkrankung wie dem oben beschriebenen SLE. Durch ihre systemische Wirkweise verstärken sie die Entzündungsprozesse im gesamten Körper und gelten hier grundsätzlich als pathologisch. Wie neuste Forschungen allerdings zeigen, müssen Auto-AK nicht per se schädlich sein. Dies scheint zumindest für eine ganze Reihe analysierter Auto-AK zu gelten, die spezifisch gegen GPCR gerichtet sind. Unter physiologischen Bedingungen kann über Monate und Jahre eine konstante Serumkonzentration dieser Anti-GPCR-AK nachgewiesen werden. Es wird angenommen, dass durch balancierte Sekretion der Anti-GPCR-AK exzessive Immunantworten unterdrückt und Gewebeschäden dadurch verhindert werden [6]. Ein einzelner GPCR kann aktivierende, blockierende oder neutrale Anti-GPCR-AK besitzen, die an unterschiedliche Epitope des gleichen Rezeptors binden und dessen Aktivität spezifisch beeinflussen [30]. Man vermutet, dass die Konzentration der Anti-GPCR-AK die chronische Expression der jeweiligen Rezeptoren widerspiegelt. Obwohl Anti-GPCR-AK zu den klassischen Auto-AK zählen, wird ihre Anwesenheit im Blut erst dann bedenklich, wenn die Konzentration von ihrem physiologisch ermittelten Wert abweicht. Die Tatsache, dass bei unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen sowohl erhöhte als auch erniedrigte Serumspiegel an Anti-GPCR-AK festgestellt werden konnten, spricht für die These einer physiologischen Funktion und balancierten Produktion dieser AK [31]. Für die medizinische Diagnostik, Prognose und Risikoeinschätzung von bestimmten Erkrankungen könnten die Anti-GPCR-AK Konzentrationen im Blut sowie deren Korrelationen untereinander als potentielle Biomarker dienen [32].

Zusammenfassung

Die Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren gilt als die größte und am besten untersuchteste Klasse von Membranrezeptoren des Menschen. Die Funktionen der GPCR sind so vielseitig wie die Zellen, die sie exprimieren, und teilweise noch immer unbekannt. Die komplexen Signalwege und vielfältigen biologischen Antworten, welche die GPCR in ihren Zellen auslösen können, verdeutlichen, wie komplex das Thema der Signaltransduktion ist und wie die Fehlregulation oder Mutation einzelner Moleküle in der Kaskade schwerwiegende Folgen für den Körper mit sich bringen kann. Weiterhin zeigen sie aber auch das große Potential der GPCR als therapeutische Angriffspunkte auf. Schon heute liegt der Anteil von GPCR bzw. deren downstream Si­gnalmolekülen an den zugelassenen niedermolekularen Therapeutika bei mehr als 30 % [11]. Auch an zahlreichen Prozessen des Immunsystems, wie der Lymphozytenmigration, Thrombozytenaggregation oder Aktivierung, Proliferation und Homöostase sämtlicher Immunzellen sind verschiedenste GPCR beteiligt. Fehlregulationen in diesen Prozessen können zu Krankheiten des Immunsystems wie Autoimmunität oder Allergien, Entzündungsprozessen im Gewebe oder Tumorwachstum führen. Die wissenschaftliche Forschung ist bemüht, Aufschlüsse über ihre vielseitige und komplizierte Wirkungsweise zu gewinnen. Neue Erkenntnisse wie die Identifizierung von Anti-GPCR-AK können einen beachtlichen Fortschritt im Hinblick auf das allgemeine Verständnis und somit auch auf mögliche Therapieansätze dieser Rezeptoren bedeuten.

Autoren
Elena Ringel
Molecular Medicine, Faculty of Medicine
Albert-Ludwigs-University of Freiburg
Prof. Dr. med. Prof. Dr. med. Gabriela Riemekasten
Direktorin
Klinik für Rheumatologie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
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