Entscheidungsgrenzen in der Eisenmangeldiagnostik: Licht im Dickicht der Algorithmen
DOI: https://doi.org/10.47184/td.2025.03.07 Eine sichere Diagnose des Eisenmangels bleibt herausfordernd, da es trotz zahlreicher verfügbarer Tests an ausreichend sensitiven und standardisierten Verfahren sowie allgemein akzeptierten Grenzwerten fehlt. In der klinischen Praxis sind ein fundiertes Verständnis der pathophysiologischen Grundlagen sowie eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Entscheidungsalgorithmen unerlässlich, um einen Eisenmangel rechtzeitig zu erkennen, bevor es zu einer Eisenmangelanämie kommt.
IDA, NAID, Eisenmangel, Eisenmangelanämie, Ferritin, Transferrinsättigung, Retikulozyten-Hämoglobin
Über zwei Milliarden Menschen – also rund 25 % der Weltbevölkerung – leiden an einem absoluten Eisenmangel (Iron Deficiency; ID), aber nur in der Hälfte der Fälle liegt das relativ sicher diagnostizierbare Spätstadium einer Eisenmangelanämie (Iron-Deficiency Anemia; IDA) vor [1, 2]. Die andere Hälfte wird oft weder diagnostiziert noch behandelt, mit zum Teil schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch sind es hauptsächlich die unspezifischen Symptome, die unterschiedlichen Screeningmethoden und die fehlenden allgemein akzeptierten Diagnoseschwellen für die einzelnen Messgrößen. Dieser fehlende Konsens hat negative Auswirkungen auf die Lebensqualität, Morbidität sowie Mortalität und belastet die öffentliche Gesundheit und Wirtschaft erheblich [3]. Lange Zeit wurde Eisenmangel vor allem mit Eisenmangelanämie gleichgesetzt. Allerdings stellt die Anämie das Endstadium eines Eisenmangels dar. Seine Bedeutung geht weit über die Hämoglobinsynthese hinaus. Ein zellulärer Eisenmangel beeinträchtigt auch den mitochondrialen Stoffwechsel, diverse Enzymaktivitäten, die Neurotransmittersynthese und die Immunfunktion. Bereits vor dem Auftreten einer manifesten Anämie können Symptome wie Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Leistungsknick oder sogar Herzinsuffizienz auftreten. Der Fokus richtet sich daher zunehmend auf die frühzeitige Diagnose eines „nicht-anämischen Eisenmangels“ (NAID) [4].
Ein fundiertes Verständnis des Eisenstoffwechsels ist unerlässlich, da Laborwerte lediglich verschiedene Aspekte der Eisenversorgung abbilden [5]. Das Gesamtkörpereisen verteilt sich auf die drei Kompartimente Speicher-, Transport- und Funktionseisen. Bei einem Mangel treten nacheinander die folgenden Stadien auf: Erschöpfung der Eisenspeicher, eisenrestriktive Erythropoese und schließlich IDA (Abb. 1).