Vektorassoziierte Infektionen - Klimawandel und Infektionserkrankungen: Globale Strategien erforderlich
Klimaveränderungen, anthropogene Umweltveränderungen und die Globalisierung sind die Trigger von Infektionskrankheiten weltweit. Dies ist unisono die Botschaft, die aus den Artikeln von Volker Fingerle und Andreas Sing, Mariam Klouche sowie Lutz Gürtler spricht: Durch die Ausbreitung von Vektoren aus wärmeren Regionen in Regionen hinein, die sich zunehmend erwärmen, oder aufgrund der erhöhten Mobilität und Migration werden Infektionskrankheiten in Regionen endemisch, in denen sie bisher nur als „Reisemitbringel“ bekannt waren. Darüber hinaus werden Entwicklungs- und Schwellenländer, die traditionell durch hohes Bevölkerungswachstum und eine schlechte Infrastruktur gekennzeichnet sind, weiterhin unter einer zunehmenden Krankheitslast durch Infektionserreger zu leiden haben.
Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das (Unglück) liegt so nah ... (frei nach Johann Wolfgang von Goethe): Während in den drei oben erwähnten Artikeln die Ausbreitung von tropischen Erregern und Vektoren im Fokus steht, wird in einer systematischen Betrachtung von McIntyre et al. klar, dass auch zwei Drittel der „einheimischen“ Infektionserreger einen Klima-Trigger aufweisen, der das Auftreten von Erkrankungen verstärken kann [1]: Hier werden in erster Linie Übertragungswege beeinflusst, die mit Nahrungsmitteln/Trinkwasser, Aerosolen und Umgebungsveränderungen (Zersiedelungen und Umweltzerstörung) assoziiert sind – und weniger mit Vektoren. Ein unschönes Beispiel hierfür ist das regelmäßige Auftreten von Norovirus-Epidemien bei Überschwemmungen nach Wirbelstürmen im Süden der USA.
Bedrohlich wirken auch Szenarien, die besagen, dass wir in Europa mit den veränderten Globaltemperaturen ein „Zeitalter von Pilzinfektionen“ in der Infektionsmedizin erleben werden: Pilze sind mit Ausnahme von Sprosspilzen (Hefen) in der Humanmedizin bislang nicht sehr „erfolgreich“, da ihre Infektiosität für schwere systemische Infektionen aufgrund der fehlenden Wärmetoleranz beschränkt ist (37 °C Körperkerntemperatur beim Menschen wirkt als natürlicher Schutz vor einer Vielzahl von Pilzinfektionen). Hier finden jedoch Anpassungsprozesse statt, die zeigen, dass auch Pilze sich rasch an Klimaveränderungen adaptieren können und Wärmetoleranz entwickeln. Das könnte aufgrund der ungeheuren Vielzahl an Pilzspezies problematisch werden, da uns weder eine entsprechende Diagnostik noch eine ausreichende Palette an Antimykotika für „neue“ Pilzerkrankungen zur Verfügung steht.
Wie bereits im Artikel von Mariam Klouche angeklungen ist, darf die Forschung über Zusammenhänge von Klimaeinflüssen und Infektionskrankheiten in Ländern, die die Mittel hierfür nicht selbst aufbringen können, keinesfalls vernachlässigt werden. Die Realität sieht zurzeit jedoch anders aus: In einer systematischen Untersuchung zur Herkunft und Finanzierung von Studien über den Zusammenhang von Infektionskrankheiten und Klimaveränderungen finden sich sowohl taxonomische als auch geografische Verzerrungen – insbesondere im Hinblick auf die Arten der Krankheitsübertragung und die untersuchten Orte. Darüber hinaus zeigen demografische Trends bei den publizierenden Institutionen und Personen, dass die Forschung eher in gemäßigten Ländern mit hohem Einkommen durchgeführt wird. Jüngste Entwicklungen über geänderte Strategien der Vergabe von Forschungsmitteln – weg von einer globalisierten Betrachtung – weisen ebenfalls in die falsche Richtung. Das zeugt von geringer Weitsicht.