Von Vektoren und dem Klimawandel: Anpassung als Überlebenskunst

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2025.02.04

Die derzeitige globale Erwärmung bringt Änderungen mit sich, die Mensch und Tier sowie die gesamte Vegetation betreffen – auch verschiedene Vektoren und Mikroben. Bei einem Vergleich mit den Bedingungen vor 50 bis 100 Millionen Jahren wird beispielsweise evident, dass Infektionserreger – von den Viren und Bakterien bis hin zu den Protozoen – diesen Zeitraum im Gegensatz zu anderen Spezies wie den Dinosauriern überdauert haben. Auch viele Vektoren zeichnen sich hier durch ein hohes Anpassungspotenzial aus.

Schlüsselwörter: Temperaturanstieg, Paläoklima, Prognosen, Naturkatastrophen, Kohlendioxid

Auf der Erdoberfläche gab es bereits seit dem Entstehen dieses Planeten Temperaturschwankungen. Dies ist in jüngerer Zeit einfach zu belegen, zum Beispiel durch die Reste tierischer und pflanzlicher Fossilien auf Grönland, Kohlevorkommen auf Spitzbergen und Reste tropischer Wälder in der Antarktis. Abhängig von den Modellen, die für die historische Temperaturberechnung gewählt werden, schwanken die Angaben. Sie ergeben aber, dass vor 17.000 bis 65.000 Jahren die Temperatur ca. 0,5 °C über derjenigen der vorindustriellen Zeit lag [1]. Berechnungen aus den geologischen Daten von der Nordsee (sog. Doggerland) ergeben, dass die Eisschmelze im Holozän, gespeist von den Gletschern in Nordamerika und Europa, zu einem Anstieg des Meeresspiegels von etwa 38 Metern führte [2]. Ein weiterer relevanter Faktor, der einen Einfluss auf die Erderwärmung hatte und auch für die weitere Entwicklung von Bedeutung sein wird, ist die vulkanische Aktivität, die abhängig vom Grad der Emission die Sonneneinstrahlung bis zu 50 % regional temporär einschränken kann [3].

Paläoklima und Auftreten des Menschen

Forschende haben versucht, aus den Daten des Paläoklimas die zukünftige Entwicklung unseres Klimas vorherzusagen [4]. Vor etwa 100 Millionen Jahren lag die mittlere Temperatur wahrscheinlich bei ca. 30 °C und fiel dann bis heute auf etwa 15 °C ab. Begleitet wurde dieser Temperaturrückgang von einem CO2-Abfall von 1.000 ppm auf 100 ppm vor etwa zehn Millionen Jahren [4] – mit entsprechenden Schwankungen (Abb. 1). 

Nachdem der Mensch als Homo sapiens und Homo neanderthalensis und seine Vorfahren seit ungefähr 700.000 Jahren die Erde bevölkern, war der Mensch wohl von diesen CO2- und Temperaturänderungen nicht betroffen [5]. 

Dass eine Spezies aber innerhalb kürzester Zeit ausgelöscht werden kann, zeigt sich am Beispiel der Dinosaurier, die die Erde vor etwa 250 bis 50 Millionen Jahren bevölkert haben [6, 7]. 

 

Umgang mit einer Erwärmung > 1,5 °C

Bei der Prognose der zukünftigen Entwicklung der Umweltbedingungen sollte mit einbezogen werden, dass die erhöhte und die reduzierte Erwärmung auf der Erdoberfläche nicht homogen verlaufen. Schwankungen in der Polar- und der Äquatorregion zeigen hierbei besonders hohe Abweichungen [8]. Verschiedene Prognosen kommen – mit der Einschränkung, die alle Voraussagen betrifft – zu dem Schluss, dass der anthropogene Einfluss nur teilweise zur Erwärmung beiträgt; weitere Einflussgrößen sind z. B. vulkanische Aktivität, Eruptionen auf der Sonnenoberfläche, Dichte der regionalen Vegetation und großflächige Brände [9]. Einige Beispiele, wie man auf die Folgen des Klimawandels reagieren kann, finden Sie in Tab. 1.

Tab. 1: Bekannte Ereignisse des Klimawandels und adäquate Reaktionen.

EreignisKonsequenz und Reaktion
Temperaturanstieg regionalÄnderung in der Landwirtschaft mit Saat und Ernte sowie Fruchtfolge [10]. Änderung der Pflanzenarten und Änderung der Behausung.
Häufigkeit von RegenfällenNördliche Hemisphäre besonders beeinflusst; Einschränkung der anthropogenen Emission von Schadstoffen; Chemikalien wie Kohlenwasserstoffverbindungen; landwirtschaftliche Adaptation [11]. 
Entwaldung (Amazonas-Region, Kongobecken)CO2-Aufnahme des Bodens wesentlich vermindert, was zu mangelnder Biomasse führt [12]; aber das Vorhandensein einer mikrobiellen Besiedelung fördert die CO2-Speicherung im Boden [13]. 

Dürre und Wildfeuer 

(Australien, Kanada, 

Kalifornien)

Luftverschmutzung mit Tod und Siechtum für Mensch und Tier. Verhinderung durch Waldpflege, Totholzbeseitigung und künstliche Bewässerung über Stauseen in trockenen Zeiten [14]. 
Verdunstung von Ozeanwasser und HypersalinitätStarkes Abdampfen von Wasser, besonders im Indischen Ozean, verbunden mit vertikalen und horizontalen Strömungen. Verhinderung nur durch Vermeiden von weiterem Temperatur­anstieg. Salinität beeinflusst neben dem Leben von Fischen auch das Mikrobenwachstum im Wasser [15, 16]. 
Menschliche und tierische Migration verbunden mit Hunger und Seuchen bei Mensch und TierJe schlechter die Lebensbedingungen werden, umso häufiger kommt der Entschluss, das Habitat zu verlassen; dieser wird beschleunigt bei Nahrungsmangel, Seuchen und Krieg [17]. Lösbar nur durch langfristige externe Unterstützung und Vermeiden von Krieg und Bürgerkrieg.

Einfluss auf Vektoren

Die Klimaerwärmung wird dauerhaft auch die Epidemiologie von Vektoren beeinflussen, die zur Verbreitung von Krankheiten bei Mensch und Tier beitragen. Ob sich diese Vektoren vermehrt oder vermindert ausbreiten, hängt dabei von den jeweiligen lokalen Bedingungen ab. Wenn man die Evolution von Vektoren betrachtet, zeigt sich, dass die meisten von ihnen ein hohes Anpassungspotenzial besitzen und steigende Temperaturen ohne Funktionsverlust überstehen können. In diesem Beitrag werden nur morphologisch kleinere Vektoren behandelt [17]: Mücken wie Anopheles und Aedes, Zecken, Trypanosomen (zu Deutsch: Schraubengeißlinge) und Schnecken (wegen der Übertragung der Bilharziose).

Mücken

Anopheles

Die Gattung Anopheles ist mit den Culicoides-Mücken verwandt und besteht aus sieben Subgenera. Sie ist etwa 90 Millionen Jahre alt und hat sich neben Stethomyia-, Kerteszia- und Nyssorhynchus-Mücken entwickelt. Heute kann bei der Untergattung Anopheles zwischen ungefähr 180 Subspezies unterschieden werden [18]. Plasmodium falciparum hat sich je nach Haplotyp an die verschiedenen Anopheles-Spezies adaptiert und weiterentwickelt [19]. Das Alter der Divergenz zwischen Menschen- und Affenplasmodien wird mit ca. 26 Millionen Jahren berechnet und das der Differenzierung von Plasmodium von Mensch und Javaner-Affen-Malaria mit etwa 30 Millionen Jahren. Plasmodium ovale ist seit etwa vier Millionen Jahren mit adaptierter Pathogenität im Menschen etabliert [20].

Aedes

Aedes albopictus und Aedes aegypti sind ebenfalls mit den Culicoides-Mücken eng verwandt. Diese Stechmücken kommen heute in allen Tropenzonen vor, aber auch in subtropischen Regionen wie in Europa im gesamten Mittelmeerraum. Aedes-Mücken verbreiten verschiedene Viren wie Flaviviren, beispielsweise das Gelbfiebervirus, und das Chikungunyavirus. Das evolutionäre Alter von Aedes ist etwa gleich dem von Anopheles [21]. In Deutschland sind beide Aedes-Mücken inzwischen heimisch [22], doch sind sie bisher nicht als Virusüberträger in Erscheinung getreten. Wie in Italien und Frankreich bereits geschehen, wird sich dies in Zukunft wohl ändern.

Fliegen

Fliegen (Musca domestica) sind vor allem bekannt für ihren Beitrag zur Übertragung von Bakterien aus dem Fäkalbereich. Zu Letzteren gehören u. a. Salmonellen und Vibrionen, die über Lebensmittelkontamination zu lokalen Ausbrüchen führen können. Fliegen der Spezies Musca sorbens haben sich auf die salzhaltige Flüssigkeit des Auges spezialisiert und verbreiten Chlamydia trachomatis – beim Menschen besonders im Kindesalter.

Ein weiterer wesentlicher Vektor unter den Fliegen ist die Sandfliege Phlebotomus, die in vielen ariden Zonen der Welt mit dem Stich zur Blutaufnahme die Leishmaniose (Leishmaniasis) bei Mensch und Tier verbreitet und häufig chronisches Siechtum auslöst. Leishmanien sind wahrscheinlich 200 Millionen Jahre alt und haben sich an Wirtsspezies und Umweltbedingungen immer gut adaptiert [23].

Die Tsetse-Fiege (Glossina sp.) überträgt beim Blutsaugen Trypanosoma brucei rhodiense beziehungsweise Trypanosoma brucei gambiense auf Mensch und Tier und führt jährlich zu Millionen von toten Farm- und Wildtieren. Die Tsetse-Fliege kann mit einfachen Mitteln wie einem blauen und schwarzen Stoff, der mit Duftstoffen und insektiziden Substanzen getränkt ist, dezimiert werden [24]. Daher kommen menschliche Infektionen nur noch in sehr wenigen westafrikanischen Regionen vor.

Zecken

Zecken haben ein Evolutionsalter von etwa 50 Millionen Jahren – in Europa von ca. 35 Millionen Jahren [25]. Zecken der Stämme Ixodes sind blutsaugende Parasiten und mit den Milben verwandt. Sie verfallen abhängig von der Temperatur in Kältestarre und können außerhalb des Wirts monatelang überleben. Die Zeckenpopulation in Europa besteht vorzugsweise aus den verschiedenen Ixodes-Stämmen, die bei Temperaturen von – 30 °C unter der Schneedecke bis + 40 °C überdauern. Bei weiterer Erwärmung wird sich die Zeckenverbreitung angepasst an die Luftfeuchtigkeit und Temperatur nach Norden verschieben. An der Saisonalität der Zeckenaktivität wird sich wenig ändern. Bei weiterer Verbreitung nach Norden ist die bevorzugte Wildtierpopulation für die Blutmahlzeit kaum vorherzusagen [26].

Amblyomma-Zecken in Brasilien, die das lateinamerikanische Fleckfieber (sog. Läuse-Fleckfieber) übertragen, überleben Temperaturen von mehr als + 50 °C nicht und werden aus einigen Regionen in Brasilien eliminiert werden [27].

Schnecken als Vektoren für die Übertragung von Schistosomen

Würmer sind ungefähr 200 Millionen Jahre alt. Historisch war eine schnelle Verbreitung von Schistosomen mit dem Reisanbau, der vor ungefähr 10.000 Jahren begonnen hat, verbunden [28]. Weltweit werden jährlich etwa 250 Millionen Fälle von Schistosomiasis (Bilharziose) besonders in Afrika registriert – vor allem in armen Ländern mit unzureichender Wasserhygiene [29, 30]. Das seit etwa 15 Jahren eingeführte Eliminationsprogramm umfasst die Beseitigung von Schnecken und die Austrocknung ihres Lebensraums. Dazu gehört auch die Chemotherapie aller Schulkinder mit Praziquantel beginnend ab zwei Jahren, welche abhängig von der Prävalenz der Bilharziose ein- bis dreimal jährlich gegeben wird. Ferner sind die Behandlung von mit Schistosomen befallenen Erwachsenen sowie die Verhinderung von Reinfektionen für die Epidemiologie bedeutend.

Mehr als zehn verschiedene Impfstoffe sind in Erprobung, um eine Immunantwort gegen die Wurmbestandteile zu verstärken [30]. Der Erfolg der Impfung wird in etwa zehn Jahren messbar sein. 

Fazit

Prognosen zum Klimawandel sind aufgrund des ständig wachsenden, aber noch unvollständigen Wissens nur eingeschränkt möglich. Sie können viele unvorhersehbare Einflüsse – etwa menschliches Fehlverhalten, politische Konflikte, Kriege sowie Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, Stürme, Brände, Dürren oder Überschwemmungen – nicht vollständig berücksichtigen. Auch das Auftreten neuer Krankheiten lässt sich kaum vorhersagen. Klar ist jedoch: Vektoren und Krankheitserreger werden sich an veränderte Umweltbedingungen anpassen.