Zecken und von Zecken verursachte Erkrankungen in Deutschland: Beyond Lyme-Borreliose und FSME

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2025.02.05

Nach dem Abebben der SARS-CoV-2-Pandemie erklimmen Zecken und durch Zecken übertragene Erkrankungen wieder die mediale Hitliste. Dabei infiltrieren zunehmend neue Zecken wie die „Riesenzecke“ Hyalomma marginatum und weitere Erkrankungen wie Tularämie, Babesiose oder Neoehrlichiose – abgesehen von der Lyme-Borreliose und der Frühsommer-Meningoenzephalitis – das mediale Blickfeld. Im Folgenden finden Sie deshalb einen „kurzen“ Überblick über die aktuelle Situation zum Vorkommen relevanter Zecken und der von ihnen übertragenen humanmedizinisch bedeutsamen Pathogene in Deutschland.

Schlüsselwörter: Tick-borne Disease, Babesia, Rickettsia, Francisella, Anaplasma, Neoehrlichia, Alpha-Gal-Syndrom

Zecken und von Zecken übertragene Erreger sind keine Erscheinung der Neuzeit: Sie besiedeln schon seit wenigstens 50 Millionen Jahren – also lange vor Erscheinen des Homo sapiens – unseren Planeten und dürften wohl die gesamte Evolution des Menschen begleitet haben. Selbst die Forschungsthemen finden sich in ähnlicher Form, nämlich Zeckenfieber, Rückfallfieberborreliose, Babesiose oder Rickettsiosen, schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts [1, 2]. Erneute Relevanz erfährt dieser Themenkomplex durch massive anthropogene Umweltveränderungen, die Globalisierung und den Klimawandel mit noch zu klärendem Einfluss auf Zecken und von diesen übertragene Erreger. Deshalb ist das Wissen um einheimische wie auch „neue“ Zecken inklusive der von ihnen übertragenen Erreger eine entscheidende Voraussetzung für die optimale medizinische Versorgung betroffener Personen, aber auch für die Etablierung präventiver Maßnahmen durch den Öffentlichen 
Gesundheitsdienst.

Humanmedizinisch bedeutsame Zecken in Deutschland

Zecken zählen zur Klasse der Spinnentiere, genauer zur Unterklasse der Milben (sind also keine Insekten!), und sind als blutsaugende Ektoparasiten landlebender Wirbeltiere mit mehr als 900 Arten auf der ganzen Welt verbreitet. Mit den beiden wichtigsten Untergruppen Leder- und Schildzecken sind sie nach den Stechmücken die wohl wichtigsten Krankheitsüberträger für Mensch und Tier. In Deutschland sind etwa 20 verschiedene Zeckenarten heimisch, wobei bei uns derzeit nur Schildzecken humanpathogene Erreger übertragen.

Ixodes ricinus

Die mit Abstand bedeutendste Zecke in Deutschland ist Ixodes (I.) ricinus – auch als Gemeiner Holzbock bekannt. Aus etwa 2.000 bis 3.000 Eiern pro Gelege schlüpfen transparente, kaum sichtbare, etwa 0,5 mm messende sechsbeinige Larven, aus denen sich nach einer Blutmahlzeit etwa 1,5 mm messende achtbeinige Nymphen entwickeln und nach einer weiteren Blutmahlzeit bis 4 mm messende (adulte weibliche Zecke) adulte Tiere, Letztere mit Blut vollgesogen bis über 1 cm. Die Speisekarte des Gemeinen Holzbocks ist dabei beachtlich und umfasst mehr als 300 verschiedene Wirtstierspezies – von der Eidechse über Vögel, Kleinnager, Hunde und Katzen bis hin zu Kühen und Hirschen. 

Der bevorzugte Lebensraum sind Wälder, Waldwege, naturnahe Parkanlagen und auch innerstädtische Gärten. I. ricinus ist in praktisch allen europäischen Ländern anzutreffen – mit einer Ausbreitungstendenz nach Norden und in höhere Lagen. In Deutschland findet man diese Zeckenart bis in etwa 1.500 m Höhe. 

Ixodes ricinus besitzt keine Augen und lauert deshalb passiv auf der Vegetation bis etwa 1,5 m Höhe überwiegend von März bis Oktober auf ihre Opfer, von denen sie sich abstreifen lässt. Wegen der immer häufiger auftretenden milden Wetterlagen kann der Gemeine Holzbock auch vermehrt im Winter aktiv sein.

Dank hochsensitiver Methoden wie der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) wurden zahlreiche Erreger mit I. ricinus in Verbindung gebracht, u. a. auch Chlamydien, Mykoplasmen, Yersinien oder Staphylokokken, für die der Gemeine Holzbock sicherlich keine Vektorfunktion ausübt – die Übertragungswege sind hinreichend bekannt. Die für Europa relevanten Erreger umfassen neben Borrelia (B.) burgdorferi sensu lato (s. l.) und dem Frühsommer-Meningoenzephalitis(FSME)-Virus v. a. auch Anaplasma (A.) phagocytophilum, Babesia-Spezies, Borrelia miyamotoi (eine Rückfallfieberborrelien-Art), Candidatus Neoehrlichia mikurensis, Francisella (F.) 
tularensis und Rickettsien [3].

Ixodes inopinatus

Die phänotypisch nur schwer von I. ricinus unterscheidbare I. inopinatus wurde 2014 als eigenständige Spezies beschrieben, ist aber als solche umstritten. Soweit bekannt, findet sie sich in demselben Habitat wie I. ricinus und beherbergt dieselben Humanpathogene, ist aber deutlich seltener [4]. Die Vektorkompetenz von I. inopinatus für die verschiedenen Pathogene ist dabei weitgehend unklar. 

Dermacentor-Zecken

Von den mehr als 30 Dermacentor-Arten sind zwei auch in Deutschland heimisch: die Auwaldzecke (D. reticulatus) und die Schafzecke (D. marginatus). Die sehr ähnlich aussehenden Zecken messen als weibliche Tiere bis 6 mm – vollgesogen bis 16 mm – und haben bei erwachsenen männlichen Tieren ein bunt marmoriertes Rückenschild („Buntzecken“). Die adulten Tiere befallen vornehmlich große Säugetiere wie Rotwild, Pferde oder Schafe, stechen aber auch Hunde und selten den Menschen, während es die kurzlebigen Juvenilstadien v. a. auf Kleinsäuger abgesehen haben. 

Obwohl in Deutschland eher selten, finden sich für D. reticulatus mittlerweile in ganz Deutschland verteilt Populationen, während D. marginatus v. a. im Südwesten anzutreffen ist [5]. Adulte Zecken finden sich vornehmlich in der kalten Jahreszeit – schon im Januar und Februar – auf sonnenexponierten Flächen hungrig auf der Vegetation in bis etwa 1,5 m Höhe auf ihre Opfer lauernd. 

Für Dermacentor-Zecken gilt eine Vektorkompetenz für F. tularensis und Rickettsien als gesichert, dagegen unklar für u. a. B. burgdorferi s. l., A. phagocytophilum, Coxiella burnetii und das FSME-Virus [6, 7].

In der Veterinärmedizin hat die Auwaldzecke aufgrund der Übertragung von Babesia canis, Erreger der „Hundemalaria“, zweifelhafte Berühmtheit erlangt.

Hyalomma marginatum

Seit 2018 wird vermehrt über Funde von „Riesenzecken“ in Deutschland berichtet. Dahinter verbirgt sich meist die 2006 erstmals in Deutschland beschriebene, im Vergleich zu I. ricinus gut doppelt so große Hyalomma (H.) marginatum. Diese Zeckenart ist in Asien, Afrika und Süd­europa heimisch; aus Deutschland sind keine etablierten Populationen bekannt.

Wie kommt diese Zeckenart nach Deutschland? Wirte für H. marginatum-Juvenilstadien sind in ihren Heimatgefilden in erster Linie Vögel, auf denen sie für mehrere Wochen parasitieren – sie haben so genügend Zeit, um aus dem Süden nach Norden, u. a. nach Deutschland, mitzureisen, wo sie dann normalerweise der Kältetod ereilt. Nur wenn es bei Ankunft der vollgesogenen Nymphen im April bis Mai ausreichend warm ist, wie beispielsweise in 2018, können sie sich zu adulten Zecken entwickeln und dann Großsäuger wie Pferde, Rotwild oder Menschen befallen [8]. 

Hyalomma marginatum besitzt auffällig gestreifte Beine, bewegt sich sehr rasch (weshalb sie gerne mit Spinnen verwechselt wird) und besitzt die der Gattung namensgebenden Augen (griech. hyalos = Glas; omma = Auge). Die Zecken können ihre potenzielle Beute also sehen und bis zu mehrere hundert Meter aktiv verfolgen. Von H. marginatum übertragene Erreger umfassen Rickettsien, Babesien und das gefürchtete Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber-Virus (CCHF). Ob und – wenn ja – wann sich diese Zecke auch in Deutschland klimatisch willkommen fühlt, bleibt weiterer Forschung vorbehalten.

Haben Zecken eigentlich einen Sinn?

Diese Fragestellung kommt ganz auf den Blickwinkel an: Für den Menschen sind Zecken primär Lästlinge und Krankheitsüberträger. Aus dem Blickwinkel parasitischer Erzwespen hingegen sind sie eine wichtige „Kinderstube“: Die Wespen injizieren ihre Eier in die Juvenilstadien der Zecken, und die Wespenlarven fressen später die adulten Zecken von innen her auf. Verschiedene Erreger wie Borrelien oder das FSME-Virus benötigen die Zecken als Vektor, während für verschiedene Insekten – Raubwanzen oder Käfer – und auch Vögel Zecken als willkommener Leckerbissen gelten. 

Rückfallfieberborreliose 

Borrelia miyamotoi

Borrelia (B.) miyamotoi – in Europa, in den USA und in Asien sympatrisch mit B. burgdorferi in Ixodes-Zecken nachweisbar – ist die bislang einzige von Schildzecken übertragene humanpathogene Rückfallfieberspirochäte [9, 10]. 

Klinik

Im Vordergrund stehen unspezifische grippeähnliche Symptome wie Fieber, Schüttelfrost sowie Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen; in seltenen Fällen waren ein Erythema migrans und – speziell bei Immunsupprimierten – eine Neuroborreliose nachweisbar. Rezidivierende Fieberschübe – das namensgebende Symptom der Rückfallfieberborreliosen – wurden nur bei wenigen Fällen beschrieben [11].

Diagnostik

Der Nachweis von Erreger-DNA aus EDTA-Blut und Liquor mittels PCR ist derzeit die Diagnostik der Wahl. Andere Methoden wie Antikörpernachweis, Erregeranzucht oder lichtmikroskopischer Nachweis stehen für die Routinediagnostik nicht zur Verfügung [10].

Therapie

Bei nicht befriedigender In-vitro- und In-vivo-Studienlage wird als Therapie primär Doxycyclin empfohlen [10]. 

Hasenpest (Tularämie)

Erreger und Epidemiologie

Francisella (F.) tularensis sind kleine, gramnegative, intrazelluläre, pleomorphe, geißel- und sporenlose, umweltresistente Stäbchenbakterien. Die Tularämie ist praktisch nur auf der Nordhalbkugel anzutreffen, wobei jährlich etwa 500 bis 1.000 Fälle aus Europa registriert werden – davon weniger als 100 aus Deutschland. Klinisch relevant sind die F. tularensis-Subspezies tularensis (nur Nordamerika) sowie die -Subspezies holarctica (nördliche Hemisphäre). 

Nachgewiesen wurde F. tularensis bei mehr als 200 Haus- und Wildtierarten (Feldhasen!), in Umweltproben (Wasser und Erde) sowie in blutsaugenden Arthropoden inklusive Zecken [12]. Infektionen sind meist durch Kontakt mit erkrankten Tieren oder deren Ausscheidungen verursacht – z. B. beim Schlachten gejagter Hasen. Als Berufskrankheit kann sie u. a. Jäger:innen, Köch:innen, Metzger:innen, Landwirt:innen und Tiermediziner:innen betreffen. Weitere mögliche Infektionsquellen umfassen Staub, kontaminiertes Wasser, ungenügend erhitzte Nahrungsmittel und blutsaugende Arthropoden, speziell I. ricinus in Europa und D. reticulatus in den USA. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist nicht nachgewiesen. Infektiöse Proben können bei Kühlschranktemperatur mehrere Wochen, bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sogar monatelang infektiös bleiben. 

F. tularensis-Subspezies tularensis gehört gemäß Biostoffverordnung zur Risikogruppe 3, alle anderen Subspezies sind der Risikogruppe 2 zugeordnet. Francisella tularensis gilt als potenzieller Biowaffenerreger. 

Klinische Symptomatik

Schwerste Erkrankungen kann insbesondere die Subspezies tularensis verursachen, während bei Infektionen mit der Subspezies holarctica nur selten schwere Verläufe auftreten. Die Inkubationszeit beträgt meist drei bis fünf Tage – selten mehrere Wochen – und die Erkrankungsdauer meist zwei bis drei Wochen. Spontanheilungen sind häufig, und Todesfälle – auch ohne Behandlung – sind in Europa selten; allerdings kann speziell die pulmonale Infektion mit der F. tularensis-Subspezies tularensis unbehandelt in 30 bis 60 % der Fälle tödlich verlaufen [13]. In Abhängigkeit von der Eintrittspforte können sich unterschiedliche fieberhafte Formen entwickeln: 

  • ulzeroglandulär – nach Hautkontakt oder Arthropodenstich mit Ulkusbildung und lokaler Lymphknotenschwellung;
  • okuloglandulär – Infektionsweg über das Auge, mit Konjunktivitis, Lidödem, Tränenfluss, Lichtempfindlichkeit sowie regionaler Lymphknotenschwellung;
  • oropharyngeal – nach oraler Aufnahme mit Stomatitis, Pharyngitis, Tonsillitis und regionaler Lymphadenitis;
  • pulmonal – nach Inhalation der Erreger mit u. a. trockenem Husten, Bronchopneumonie, Brustschmerzen und hilärer Lymphknotenschwellung. 

Als systemische Infektion finden sich bei der typhoiden Verlaufsform vielfältige uncharakteristische Symptome. 

Komplikationen in Form von sekundärer Pneumonie, Septikämie, Endokarditis sowie Leber- und Nierenversagen treten v. a. bei Subspezies tularensis auf, bei Subspezies holarctica gelegentlich Meningitis, Sepsis oder Pneumonie. Bei beiden Subtypen können Hauterscheinungen wie Erythema nodosum und Erythema multiforme auftreten.

Labordiagnostik

Der Nachweis einer akuten Infektion erfolgt am besten mittels molekularbiologischer Verfahren aus betroffenem Gewebe wie Wundabstrichen, Lymphknotenbiopsien oder respiratorischen Proben. Meist wird die Infektion retrospektiv durch den Nachweis erregerspezifischer Antikörper diagnostiziert. Ein einmalig hoher Titer oder ein Anstieg des Titers (Akut- vs. Rekonvaleszenzserum) spricht für eine vorangegangene Infektion. 

Eine Anzucht des Erregers aus optimalerweise vor Therapie gewonnenen klinischen Proben sollte immer versucht werden, wobei die besonderen Wachstumsansprüche und langsames Wachstum beachtet werden müssen. Zur weiteren Charakterisierung – Subtypisierung und Resistenztestung – sollten Isolate aus dem Routinelabor an ein Speziallabor (z. B. Konsiliarlabor für Tularämie, ZBS 2 oder Robert Koch-Institut) übergeben werden [12, 14].

Da typischerweise vielfältige unspezifische klinische Symptome im Vordergrund stehen, ist das differenzialdiagnostische Spektrum entsprechend breit, u. a. Toxoplasmose, Katzenkratzkrankheit, Mykobakteriosen, Syphilis, Pest, Rickettsiosen, Staphylokokkeninfektionen, Legionellose, Typhus, Brucellose oder Q-Fieber.

Therapie

Für die Therapie milder bis moderater Verläufe wird Ciprofloxacin oder Doxycyclin empfohlen, bei schweren Fällen eine Kombination aus Ciprofloxacin mit Gentamicin. 

Weitere Hinweise zur Therapie der Tularämie gibt der Ständige Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger (STAKOB). 

Meldepflicht

Nach § 7 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis von F. tularensis namentlich meldepflichtig, soweit er auf eine akute Infektion hinweist.

Mit Zecken assoziierte Rickettsiosen

Neben der im Folgenden besprochenen Zecken-Fleckfieber-Gruppe mit mehr als 20 Arten können noch die Übergangsgruppe mit R. felisR. akari und R. australis sowie die epidemische Fleckfieber-Rickettsien-Gruppe mit R. prowazekii und R. typhi unterschieden werden. Blutsaugende Arthropoden – Zecken, Flöhe, Läuse oder Milben – fungieren als Vektoren für die Übertragung der Erreger auf den Menschen. Für weitere Informationen zu zeckenübertragenen Rickettsien empfehlen wir die Lektüre von Parola et al.  [15]. Klinisch relevante Rickettsiosen sind in Deutschland besonders im Bereich der Reisemedizin zu erwarten, während autochthon in Deutschland erworbene Infektionen als Rarität gelten. 

Erreger

Bei den Rickettsien handelt es sich um kleine, gramnegative, obligat intrazelluläre Bakterien, die sich mittels Genotypisierung gut differenzieren lassen. In Deutschland wurden bis dato vier potenziell humanpathogene Rickettsia-Spezies nachgewiesen: Rickettsia (R.) slovaca, Erreger der TIBOLA (Tick-borne-Lymphadenopathie), sowie R. helvetica, R. monacensis und R. massiliae – die letzten drei nachgewiesen in Assoziation mit Zeckenstichen gefolgt von unspezifischen fieberhaften Erkrankungen, ohne dass deren Humanpathogenität als ausreichend gesichert angesehen werden kann.

Erkrankungen beim Menschen

Nach einer Inkubationszeit von drei bis 14 Tagen können in Abhängigkeit von der infizierenden Spezies Erkrankungen von üblicherweise asymptomatisch (z.  B. R. monacensis) über primär lokale Symptomatik (R. slovaca; TIBOLA) bis potenziell tödlich (R. rickettsii; Rocky-Mountain- Fleckfieber [RMSF]) auftreten.

Rickettsiosen in Deutschland 

Selten wurde über eine in Deutschland erworbene TIBOLA berichtet.  Diese wird durch die von D. reticulatus übertragene R. slovaca verursacht. Typisch ist ein im Kopf-Nacken-Bereich gelegener Eschar (schmerzlose, erythematöse, indurierte Plaque mit Schorfbildung; im Verlauf schwarze, zentrale Nekrosebildung) mit umgebender Alopezie. Begleitende Symptome umfassen Lymphadenopathie, Kraftlosigkeit, Fieber, Kopfschmerzen und selten auch Hautausschlag [16]. Rickettsia helvetica, R. monacensis und R. massiliae wurden in einzelnen Fällen in Assoziation mit unspezifischen fieberhaften Erkrankungen berichtet [17].

Reisemedizin

Relativ häufig werden Fälle von Mittelmeer-Fleckfieber (R. conorii; MSF) und von Afrikanischem Zeckenbissfieber (R. africae; ATBF), seltener von Rocky-Mountain-Fleckfieber (RMSF) auffällig. Prominente Symptome umfassen abrupt einsetzendes Fieber mit Schüttelfrost sowie Kopf- und Gliederschmerzen, bei schweren Verläufen Schwindel, Erbrechen und Bauchschmerzen. Ein makulopapulöses oder papulovesikuläres Exanthem findet sich drei bis fünf Tage nach Fieberbeginn regelmäßig bei MSF und RMSF, seltener bei ATBF. Ein Eschar (Tache noir) lässt sich oft schon vor Fieberbeginn häufig bei ATBF und MSF und selten bei RMSF nachweisen. Bei ATBF können mehrere Eschars vorhanden sein, da die Betroffenen häufig mehrere Zeckenstiche aufweisen.

Diagnostik

Die PCR aus Hautbiopsie eines Exanthems, Eschar-Abstrichen oder seltener EDTA-Blut hat sich für die Akutdiagnostik bewährt. Eine Anzucht wird nur von Speziallaboratorien angeboten.

Bei entsprechender klinischer Symptomatik und Anamnese ist der Antikörpernachweis anzustreben. Er ist frühestens nach fünf, meist erst nach zehn Krankheitstagen positiv. Diagnostisch ist der vierfache Titeranstieg beim Vergleich Akut- versus Rekonvaleszenzserum, weshalb bei der Erstkonsultation Serum gewonnen werden sollte. Es besteht breite Kreuzreaktivität innerhalb der Zecken-Fleckfieber-Gruppe.

Differenzialdiagnostisch kommen u. a. Sepsis, bakterielle Meningitis, Typhus, Läuse-Rückfallfieber, Ehrlichiose, Brucellose, Leptospirose, Tularämie und Pest in Betracht.

Therapie

Mittel der Wahl für alle Rickettsiosen ist Doxycyclin; es ist – zumindest bei schwerem Verlauf – auch für Kinder unter neun Jahren empfohlen [18]. Alternativ steht Azithromycin und Clarithromycin zur Verfügung [24]. 

Prophylaxe

Da kein Impfstoff zur Verfügung steht, sind die Expositionsprophylaxe und ggf. die frühzeitige Zeckenentfernung die einzigen Schutzmöglichkeiten.

Humane Anaplasmose und Ehrlichiose

Erreger und Epidemiologie

Erreger der Humanen Granulozytären Anaplasmose (HGA) – Anaplasma (A.)phagocytophilum – und der Humanen Monozytären Ehrlichiose (HME) – Ehrlichia (E.) chaffeensis – sind kleine gramnegative, kokkoid-pleomorphe, obligat intrazelluläre Bakterien. Sie vermehren sich in intrazytoplasmatischen Vakuolen in Monozyten (E. chaffeensis) oder in neutrophilen Granulozyten (A. phagocytophilum). Die wegen eines auffälligen Punktes auf dem Rücken auch „Lone Star Tick“ genannte, nur in den USA vorkommende Amblyomma americanum ist Hauptüberträger für E. chaffeensis. Hauptwirt ist der Weißwedelhirsch [19]. In den USA werden etwa 2.000 Fälle pro Jahr gemeldet. 

Hauptvektoren für A. phagocytophilum sind I. ricinus in Europa, I. persulcatus im asiatischen Raum, I. scapularis und I. pacificus in den USA. Hauptwirte sind Wiederkäuer wie Schafe oder Hirsche, wahrscheinlich auch Igel, verschiedene Kleinnager und Vögel. Für Europa wurden bislang weniger als 100 humane Erkrankungen publiziert, während in den USA die Meldezahlen auf mittlerweile bis nahe 7.000 Fälle pro Jahr angestiegen sind [19]. Auffällig ist, dass bislang kein in Deutschland erworbener Fall einer HGA publiziert worden ist, obwohl der Erreger lokal in bis zu mehr als 20 % der Zecken nachweisbar ist und die Seroprävalenz bei Risikogruppen wie z. B. Waldarbeitenden bis zu 20 % erreichen kann.

Klinische Manifestationen

Nach einer Inkubationszeit von fünf bis 14 Tagen stehen bei beiden Erkrankungen unspezifische Symptome mit Fieber, Unwohlsein, Kopfschmerzen, Myalgien und Arthralgien im Vordergrund, wobei die HME meist schwerer als die HGA verläuft. Makulopapuläre Exantheme und Petechien zeigen sich häufig bei HME, selten bei HGA. Bei etwa 20 % der HME-Erkrankten – dagegen nur selten bei HGA-Betroffenen – findet sich eine neurologische Beteiligung wie Meningitis oder Meningoenzephalitis. Die Letalität wird mit 2 bis 3 % für HME und weniger als 1 % für HGA angegeben. Wichtig: Chronische Verläufe sind nicht bekannt [19].

Diagnostik

Variabel nachweisbare Laborveränderungen umfassen die Erhöhung von CRP, von Transaminasen, LDH, AP, Thrombozytopenie, Leukopenie sowie Anämie bis Panzytopenie.

Die Diagnostik der Wahl für HGA und HME ist der Nachweis erregerspezifischer DNA mittels PCR aus möglichst frühzeitig entnommenem EDTA-Blut mit höchster Sensitivität in der ersten Krankheitswoche. 

Intrazytoplasmatische Einschlüsse (Morulae) in Granulozyten bei HGA und Monozyten bei E. chaffeensis können im Giemsa-gefärbten Blutausstrich sichtbar sein. Allerdings erfordert die Methode sehr erfahrenes diagnostisches Personal und ist wenig sensitiv.

Der Nachweis von Antikörpern eignet sich zur retrospektiven Bestätigung der Diagnose. Es findet sich ein mindestens vierfacher Titeranstieg zwischen Akut- und Rekonvaleszenzserum. Bei teilweise hohen Seroprävalenzraten besitzt ein einzelner positiver Wert keine relevante Aussagekraft. Auch ist die serologische Kreuzreaktivität zwischen Ehrlichien und Anaplasmen speziell in den USA zu beachten [19].

Die schwierige kulturelle Anzucht ist primär für die Forschung von Interesse. 

Therapie

Die Therapie der Wahl für beide Erreger ist Doxycyclin, auch für Kinder unter neun Jahren [18]. Entfieberung ist innerhalb 24 bis 48 Stunden zu erwarten, und die Therapie soll mindestens drei bis fünf Tage nach Fieberabfall fortgesetzt werden. Bei absoluten Kontraindikationen kann alternativ Rifampicin eingesetzt werden [19].

Prophylaxe

Da kein Impfstoff zur Verfügung steht, sind der Schutz vor Zeckenstichen und die möglichst frühzeitige Entfernung die einzigen prophylaktischen Möglichkeiten.

Neoehrlichiose 

Erreger und Epidemiologie

Neoehrlichia mikurensis (NM) wurde erstmalig 2004 aus Japan, Insel Mikura, beschrieben. Es handelt sich um ein obligat intrazelluläres, kleines, gramnegatives, pleomorphes Bakterium. 

Hauptvektoren sind Ixodes (I.) ricinus und in Asien I. persulcatus. NM ist einer der häufigsten in I. ricinus nachweisbaren Erreger in Europa. Als Wirtstiere gelten v. a. verschiedene Nager, möglicherweise auch weitere Kleinsäuger und Vögel [20].

Klinik

Die Erstbeschreibung von Erkrankungsfällen datiert auf das Jahr 2010; bis 2020 wurden etwa 20 Fälle aus Europa berichtet. Häufig waren die Betroffenen immunsupprimiert, und 40 % konnten einen Zeckenstich erinnern. Die klinische Symptomatik ist unspezifisch mit Fieber (z. T. Monate vorbestehend), Schüttelfrost, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie erythematösen und erysipelartigen Hautmanifestationen. Häufig besteht auch eine Gefäßbeteiligung wie tiefe Venenthrombosen, thromboembolische Komplikationen, Aneurysmen und Arteriitiden. 

Diagnostik 

Bei fieberhaften Erkrankungen mit unspezifischen Symptomen nach Zeckenstich – speziell bei immunsupprimierten Betroffenen mit Gefäßbeteiligung – sollte die Neoehrlichiose in der Differenzialdiagnostik erwogen werden. CRP-Erhöhung, Leukozytose und Anämie finden sich regelmäßig. Die Methode der Wahl ist der Nachweis von NM mittels PCR aus EDTA-Blut und Knochenmark; weitere Methoden stehen nicht zur Verfügung [21]. 

Die Diagnose der Neoehrlichiose stellt eine große Herausforderung dar, was sich nicht zuletzt an der häufig langen Zeit zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung zeigt: In einer Studie mit immerhin elf Patient:innen betrug sie durchschnittlich 60 Tage [22]. 

Therapie 

Erfolgreich angewendet wurde Doxycyclin, selten Rifampicin oder Rifampicin mit Doxycyclin [21].

Prophylaxe

Da kein Impfstoff zur Verfügung steht, sind der Schutz vor Zeckenstichen und die frühzeitige Zeckenentfernung die einzigen prophylaktischen Möglichkeiten. 

Babesiose 

Erreger und Epidemiologie

Die zu den Apicomplexa zählenden Babesien sind ca. 4 x 2 µm messende, intraerythrozytäre, durch Ixodes-Zecken übertragene Parasiten. Als Reservoir für die mehr als 100 beschriebenen Babesia-Spezies mit v. a. veterinärmedizinischer Bedeutung fungieren Vögel und Säugetiere. 

Als humanpathogen gelten Babesia (Ba.) microti (v. a. USA), Ba. divergens (v. a. Europa), Ba. duncani (nur USA) und Ba. venatorum (USA, Europa und China). Aus Europa wurden seit der Erstbeschreibung im Jahr 1956 insgesamt weniger als 100 Fälle publiziert, während in den USA etwa 2.000 Fälle pro Jahr gemeldet werden. Die Hauptvektoren sind in Europa I. ricinus und in den USA I. scapularis; allerdings scheint die Wahrscheinlichkeit, nach dem Stich einer Babesien-infizierten Zecke zu erkranken, sehr gering zu sein. Eine weitere Möglichkeit der Infektion besteht in der Übertragung durch Blutprodukte, die in den USA für über 200 Fälle beschrieben wurde [23, 24]. 

Klinische Symptomatik der Babesiose

Nach einer Inkubationszeit von ein bis sechs Wochen nach Zeckenstich und bis zu sechs Monaten nach Transfusion infizierter Blutprodukte findet sich ein breites klinisches Spektrum von häufig asymptomatischen oder leichten Erkrankungen bis hin zu fulminant letalen Verläufen.

Bei Immunkompetenten sind schwere Verläufe selten; meist stehen nur grippeartige Symptome im Vordergrund. Schwere Verläufe zeigen sich insbesondere bei Immunsupprimierten mit hohem Fieber und vielen unspezifischen Symptomen wie Kopfschmerz, Schüttelfrost, Myalgien, Dyspnoe und weiteren Schmerzen. In der Folge können u. a. Ikterus, dunkler Urin, Hepato- und Splenomegalie sowie retinale Einblutungen auftreten. Mögliche Komplikationen umfassen u. a. Herz-, Nieren- und respiratorische Insuffizienz, disseminierte intravasale Gerinnung sowie Multiorganversagen [23, 24]. 

Diagnostik 

Auffällige Laborparameter sind u. a. Anämie, Thrombo- und Leukopenie, erhöhte Transaminasen, Hämaturie und Hämoglobinurie in variabler Ausprägung. 

Intraerythrozytäre Parasiten können im Giemsa-gefärbten Blutausstrich nachweisbar sein, wobei die Abgrenzung gegen Plasmodien schwierig sein kann. Die PCR, die auch eine Speziesidentifikation ermöglicht, hat sich mittlerweile als sensitivere Methode etabliert. Für den Nachweis Babesien-spezifischer Antikörper gilt ein vierfacher Titeranstieg von Akut- zu Rekonvaleszenzserum als diagnostisch. Antikörper sind auch nach überwundener Infektion bis zu sechs Jahre nachweisbar [23, 24]. 

Therapie

Als antibiotische Therapie wird Atovaquon mit Azithromycin oder Chinin mit Clindamycin eingesetzt. Eine Austauschtransfusion kann bei schweren Erkrankungen, z. B. Parasitämie > 10 % und schwere Hämolyse, in Betracht gezogen werden [23, 24]. 

Prophylaxe

Da kein Impfstoff zur Verfügung steht, stehen die Vermeidung von Zeckenstichen und die frühzeitige Zeckenentfernung im Vordergrund.

Das Alpha-Gal-Syndrom

Zecken übertragen nicht nur gemeine Erreger, nein, sie können auch eine Allergie „übertragen“: das Alpha-Gal-Syndrom (AGS), auch als Rotes-Fleisch-Allergie bekannt. Das Disaccharid Galaktose-α-1,3-Galaktose (Alpha-Gal [AG]) – im Tierreich häufig vorkommend – ist ein für den Menschen immunogener Zucker. Entdeckt wurde das AGS 2006 in den USA: Nach Erstgabe von Cetuximab (IgG1-AK zur Therapie des metastasierenden Kolonkarzinoms) fanden sich gehäuft anaphylaktische Reaktionen. Grund waren Anti-AG-IgE-Antikörper bei den Betroffenen und eine AG-Glykosilierung bei Cetuximab. Im weiteren Verlauf wurden Zecken – u. a. Amblyomma, Hyalomma, Ixodes und Rhipicephalus – als AG-Träger und Induktoren des Anti-AG-IgE identifiziert [25, 26]. 

Symptome des AGS können ausgelöst werden durch AG-haltige Nahrungsmittel (u. a. Säugetierfleisch außer Primaten, Innereien, Milch und deren Produkte sowie Süßigkeiten mit Gelatine) wie auch AG-haltige Arzneimittel und säugetiergewebebasierte Medizinprodukte (u. a. Cetuximab, Schlangengegengifte, Gelatine in Volumenexpandern oder Impfstoffen, Heparin sowie Herzklappenersatz). Das AGS ist mithin als Nahrungsmittel- und Medikamentenallergie anzusprechen.

Klinische Symptomatik

Die sehr vielfältige Symptomatik kann inter- und intraindividuell stark variieren. Etwa zwei bis sechs Stunden (Bereich 30 Minuten bis 24 Stunden) nach relevantem Allergenkontakt kann es zu Beschwerden im Gastrointestinaltrakt (u. a. Schmerzen, Erbrechen und Durchfall), Juckreiz, Angioödem, Urtikaria bis hin zur Anaphylaxie mit Atemnot, Kreislaufdysregulation sowie Bewusstlosigkeit kommen [25, 26]. 

Interessanterweise können AG-spezifische IgE ohne weitere Zeckenstiche innerhalb von drei bis sechs Monaten deutlich abfallen, was mit einer Verbesserung der Antigentoleranz verbunden sein kann.

Diagnostik

Basis ist die sorgfältige Anamnese, gefolgt vom Nachweis von anti-AG-spezifischen Antikörpern der Klasse IgE. Zur weiteren Absicherung stehen Expositionstests zur Verfügung [25, 26].

Therapie 

Akutsymptome werden entsprechend symptomatisch therapiert. Die Betroffenen sollten zunächst potenzielle Allergene meiden, also insbesondere rotes Fleisch und Innereien von Säugetieren, gelatinehaltige Süßigkeiten, ggf. auch Milch und Milchprodukte beziehungsweise schlussendlich das identifizierte Agens. 

Nach Nachweis eines AGS sollte die betroffene Person über die verschiedenen Aspekte des AGS aufgeklärt werden und einen Allergiepass, eine ausführliche diätetische Beratung und ein allergologisches Notfallset erhalten [25, 26].  

Autoren
Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Sing, M. A. DTM&H
Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie
Dr. Volker Fingerle
Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie
NRZ für Borrelien
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)
Aus der Rubrik