Performance-Indikatoren in der Laboratoriumsmedizin: What gets measured, gets managed
Key Performance Indicators können entlang der gesamten Prozesskette eines medizinischen Labors betrachtet werden – von der Laborbeauftragung über die Präanalytik, die Analytik, die Befundung und die Befundübermittlung bis hin zum Qualitätsmanagement und zu Aspekten der Nachhaltigkeit. Mithilfe eines Plan-Do-Check-Act-Zyklus kann man Laborprozesse kontinuierlich optimieren. Jedes Labor sollte ein individuelles Set an Leistungskennzahlen definieren, welches auf seinen spezifischen Aufbau und seine Ziele zugeschnitten ist.
Schlüsselwörter: KPI, QPI, PDCA-Zyklus, Prozessmanagement, QM
Das Zitat „What gets measured, gets managed“ von Peter Drucker – Pionier der modernen Managementlehre – bringt verblüffend einfach und klar auf den Punkt, was Key Performance Indicators (KPIs) sind und welchen Zweck sie haben: KPIs sind Leistungskennzahlen, anhand derer das Erfüllen von Zielsetzungen gemessen und gesteuert werden kann. In der Medizin kann es auf den ersten Blick befremdlich wirken, über KPIs zu sprechen, da dies den Fokus von der individuellen Behandlung der Patient:innen auf die Leistungskennzahlen einer Einrichtung verlagert. Und doch sollten wir in einer Zeit, in der personelle und finanzielle Ressourcen immer weniger werden, nicht davor zurückschrecken. Sinnvoll gewählte KPIs können uns dabei helfen, die Prozesse im Labor zu verbessern, mit der Arbeitskraft unserer Kolleg:innen sorgsam umzugehen und eine hohe analytische Qualität zu gewährleisten. Je nach Ziel der Betrachtung (Prozess-Performance oder qualitative Performance) lassen sich prinzipiell KPIs und Quality Performance Indicators (QPIs) unterscheiden. Allerdings überlappen sich diese oft, sodass in diesem Artikel KPIs und QPIs allgemein als KPIs bezeichnet werden. Die Wahl der „richtigen“ KPIs ist stark von der Art und Größe eines Labors abhängig. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die verschiedenen KPIs entlang der gesamten Prozessstrecke eines medizinischen Labors (Abb. 1).
Eine ausführliche Auflistung möglicher KPIs finden Sie hier.
PDCA-Zyklus
In medizinischen Laboratorien erfolgen die Erstellung, Messung und Auswertung von KPIs meist in wiederkehrenden Zyklen und vorab definierten Prozessen. Eine nützliche Methode kann hierbei der PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act; Abb. 2) darstellen [1].
Im Plan-Schritt werden spezifische KPIs definiert, die für die Leistungsbewertung des Labors relevant sind. In der Do-Phase werden erste Maßnahmen implementiert und notwendige Daten zur Berechnung der KPIs erhoben. Während der Check-Phase werden die erhobenen Daten analysiert und die erreichten Werte mit den festgelegten Zielen verglichen, um Abweichungen und Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Und im Act-Schritt werden auf Basis der Analyse Maßnahmen ergriffen, um erkannte Schwachstellen zu beheben und die KPI-Ziele zu erreichen. Dieser Prozess wiederholt sich in regelmäßigen Zyklen, was eine kontinuierliche Optimierung der Laborleistung sicherstellt. Durch den PDCA-Zyklus kann das Labor frühzeitig auf Leistungsschwankungen reagieren und die Qualität seiner Dienstleistungen nachhaltig verbessern [1].
Laborbeauftragung
Zu Beginn jeder labormedizinischen Untersuchung steht die Laborbeauftragung, die neben den Patientendaten das gewünschte Analysespektrum sowie etwaige Spezialanforderungen umfasst. Der Prozess der Laborbeauftragung lässt sich in zwei wesentliche Subprozesse unterteilen: die erstmalige Anforderung und den Nachforderungsprozess.
Für eine qualitativ hochwertige Anforderung sind insbesondere eine präzise klinische Fragestellung und eine darauf abgestimmte Testanforderung von zentraler Bedeutung. Diese Kriterien können in quantitativen Erhebungen erfasst werden, um den Anteil an Anforderungen zu bestimmen, die diesen Qualitätsanforderungen gerecht werden [2, 3]. Trotz der fortschreitenden Digitalisierung gibt es nach wie vor Laborbereiche, in denen bestimmte Laboraufträge nicht digital vorliegen (z. B. in der Immunhämatologie). Daher sollte auch die Erfassung von Einsendescheinen, bei denen die Unterschrift des anfordernden Arztes oder der anfordernden Ärztin fehlt, prozentual in Bezug auf alle schriftlichen Anforderungen dokumentiert werden [2, 3].
In der Labordiagnostik ist die Möglichkeit, einem bestehenden Laborauftrag nachträglich zusätzliche Analysen hinzuzufügen, ein wesentlicher Bestandteil eines umfassenden diagnostischen (Stufen-)Prozesses. Darüber hinaus ist die Art der Nachforderung von entscheidender Bedeutung, da sie Einfluss auf die Effizienz und die Bearbeitungszeiten im Labor hat. Da Zeitersparnis in der heutigen Laborpraxis höchste Priorität hat, erweist sich die digitale Nachforderung als die effektivste Methode. Um den Schulungsbedarf im Bereich der Nachforderungen zu identifizieren und zu optimieren, ist es unerlässlich, sämtliche Wege der Nachforderung systematisch zu dokumentieren und auszuwerten.
Präanalytik
Die Materialbeschaffenheit von Laborproben wird durch verschiedene Einflussfaktoren bestimmt, von denen einige auf Fehler während des Probentransports zurückzuführen sind. Ein häufiger Fehler ist beispielsweise die Beschädigung der Probengefäße, die unsachgemäße Lagerung z. B. auf Station nach Abnahme oder die unzureichende Temperierung der Proben. Darüber hinaus können die Transportdauer und die Lagerbedingungen während des Transportes die Qualität der Proben entscheidend beeinflussen [4].
Ein zentraler Aspekt der Fehlervermeidung ist die korrekte Identifikation der Probendaten. Des Weiteren sollten Fehler bei der Arztidentifikation, insbesondere im Kontext der Anforderungen durch niedergelassene Mediziner:innen, sowie allgemeine Fehler bei der Testerfassung systematisch ausgewertet werden [4]. Sobald eine Patientenprobe im Labor eingegangen ist, müssen vor der Durchführung von Untersuchungen mehrere Faktoren berücksichtigt werden, die die Qualität der Probe beeinflussen können. Zu den häufigsten Fehlerquellen bei der Präanalytik zählen die Verwendung ungeeigneter Probengefäße, ein unzureichendes Probenvolumen, ein inkorrektes Verhältnis von Blut zu Antikoagulans, eine fehlerhafte Beschriftung der Proben sowie das Vorhandensein von geronnenem Blut [2, 3]. Zudem können hämolytische, lipämische oder ikterische Blutproben die Validität der Laborergebnisse beeinträchtigen [2, 3]. Alle genannten Faktoren haben unmittelbare Auswirkungen auf die diagnostische Genauigkeit.
Analytik
Im Bereich der Analytik findet man mit der Turnaround Time (TAT) den wohl bekanntesten KPI der Labormedizin. Hier lohnt sich ein genauerer Blick, denn es werden mitunter sehr verschiedene Zeitabstände mit der TAT assoziiert: Denken wir den Prozess von der Seite der Anforderung her, so spricht man auch von der Clinician Expectation Time, also der Arzt-Erwartungszeit, die sich von der Laboranforderung bis zum Vorliegen der Ergebnisse beim Einsender erstreckt. Aus Laborsicht wird dagegen meist die Sample to Result TAT betrachtet, welche man wiederum in die Pre-Lab TAT und die Lab TAT unterteilen kann. Um noch spezifischer zu werden, kann die Lab TAT dann noch weiter in die präanalytische TAT, die analytische TAT und die postanalytische TAT differenziert werden [5]. Ziel der Erfassung einer TAT ist die Workflow-Optimierung. So können verzögernde Prozessschritte identifiziert und angepasst werden. Im Repertoire verschiedener Laborinformationssysteme (LIS) besteht bereits die Möglichkeit, die genannten Zeitintervalle zu analysieren. Weitere klassische KPIs in der Analytik sind die Delta Check Rate (hierbei die Nutzung des Delta-Checks zur Erkennung von Probenverwechslungen [Wrong Blood in Tube Errors; WBIT]) oder die Rerun-/Verdünnungsrate. Auch die Erfassung der Top- und Flop-Parameter kann für das Management des Testportfolios hilfreich sein. Nach abgeschlossener Analytik werden die Proben archiviert. Hier kann die Erfassung der Archivauslastung die Steuerung der Archivierungszeiten und somit das Nachforderungsmanagement verbessern.
Befundung und Befundübermittlung
Der Befundbericht bildet für den Einsender die Grundlage für die Entscheidung über die weitere Behandlung der Patient:innen. Relevante KPIs sind hierbei der Anteil der Befundbereitstellungen am Tag des Probeneingangs bzw. bis maximal zwei Tage nach der Probeneinsendung sowie die Sicherstellung der zeitnahen Befundübermittlung mittels Datenfernübertragung (DFÜ) – oder verzögert per Post bzw. Kurier. Ein möglichst hoher Quotient aus der Anzahl der Endbefunde der tagesaktuellen Aufträge und der Gesamtzahl der am betrachteten Tag eingegangenen Laboraufträge zeigt die schnelle Bearbeitung der meisten angeforderten Analysen an. Anhand dieses KPI lassen sich innerhalb weniger Wochen im Routinebetrieb auch Analysen ausfindig machen, welche in den oft angeforderten Auftragsprofilen für eine Verzögerung sorgen. So kann das Labor entscheiden, ob eine Anpassung der Tagesroutine gerechtfertigt ist, um eine schnellere Befundbereitstellung zu ermöglichen. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Befundübermittlung ist der Automatisierungsgrad der Übermittlung. Gedruckte Befunde, die vom Personal händisch den Einsendern zugeordnet werden müssen, binden Kapazitäten und belasten auch durch den Papierverbrauch die ökologische Bilanz des Labors. Eine zeitgemäße Alternative ist die Befundübermittlung direkt ins Arzt- bzw. Krankenhausinformationssystem; von dort können die Befunde zeitnah abgerufen und die Analysen auch direkt in die Patientenakte eingespielt werden.
Qualitätsmanagement
Das Labor ist entsprechend den Vorgaben der Akkreditierung zur ständigen Verbesserung und Etablierung von Qualitätsindikatoren verpflichtet. KPIs finden daher in Normen wie der DIN EN ISO 15189:2023 Erwähnung. Laut DIN EN ISO 15189:2023 sollen Qualitätsindikatoren messen können, wie gut eine Organisation die Bedürfnisse und Anforderungen der Nutzer und die Qualität aller betrieblichen Prozesse erfüllt [6]. KPIs können daher auch den Bereich Qualitätsmanagement (QM) selbst betreffen (Tab. 1).
Tab. 1: Auswahl von KPIs im Qualitätsmanagement.
QM-Bereich | KPI | Ziel |
---|---|---|
Interne Qualitätskontrolle | Häufigkeit, Anzahl und Gründe von Abweichungen | Regelmäßiges Feedback zur Messgenauigkeit und Stabilität der Messverfahren |
Externe Qualitätskontrolle (Ringversuche) | Anteil der bestandenen Ringversuche | Regelmäßiges Feedback zur Richtigkeit der Messungen, Benchmarking |
Externe Begutachtung (Peer Review, Akkreditierung) | Zahl und Kritikalität der Abweichungen, Bearbeitungszeit der Abweichungen | Prozessoptimierung, Fehlerreduktion, Gesetz- und Normerfüllung |
Mitarbeiterzufriedenheit | Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen | Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit, Bindung der Mitarbeitenden, Steigerung der Mitarbeiterinitiative |
Kundenzufriedenheit | Ergebnisse der Einsenderbefragungen bzw. Patientenbefragungen | Prozessoptimierung, Erhöhung der Kundenzufriedenheit, Kundenbindung |
Beschwerdemanagement | Anzahl und Art der Beschwerden | Reduktion der Beschwerdegründe, Prozessoptimierung, Fehlerreduktion |
Mitarbeiterkompetenz | Anzahl der angebotenen internen Fortbildungen, Teilnahmequote, interne Audits | Erhöhung der Fach- und Problemlösungskompetenz der Mitarbeitenden |
Der Prozess der Überwachung von Qualitätsindikatoren beinhaltet laut DIN EN ISO 15189:2023 neben dem Aufstellen der Ziele, der Methodik und der Interpretation unter anderem auch einen Maßnahmenplan [6]. Die Auswertung der KPIs wird in vielen Laboren in die jährlich erstellte Managementbewertung aufgenommen. KPIs sind daher nicht nur für das interne QM-System des Labors relevant, sondern auch für externe Begutachtungen. Interessanterweise können positive Effekte einer Akkreditierung anhand von KPIs nachgewiesen werden. Beispielhaft sei hierfür die Publikation von Buchta et al. erwähnt, in der signifikant niedrigere Fehlerraten in der externen immunhämatologischen Qualitätskontrolle für akkreditierte versus nichtakkreditierte Labore gezeigt werden konnten [7].
Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit spielt in allen Bereichen unserer Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Auch in der Labormedizin sollte Nachhaltigkeit als Entscheidungskriterium Beachtung finden. Die EFLM trägt diesem Umstand mit einer eigenen Zertifizierung „Green and Sustainable Labs“ Rechnung. Die DGKL hat hierbei eine deutsche Übersetzung der „EFLM Guidelines for Green and Sustainable Medical Laboratories“ von 2022 zur Verfügung gestellt [8]. Die Tabelle hinter dem QR-Code listet einige der möglichen Nachhaltigkeits-KPIs auf.
Infrastrukturgrundlagen für KPIs/QPIs
Betrachten wir den gesamten Laborprozess und die in den jeweiligen Teilprozessen möglichen KPIs, so wird schnell klar, dass eine entsprechende Software-Infrastruktur zur Erfassung der KPIs notwendig ist. Einige der KPIs können direkt durch ein LIS abgebildet werden. Sobald jedoch KPIs über mehrere Prozessschritte hinweg erfasst werden sollen, wird meist die Etablierung einer Middleware notwendig. Dies können Datenaustauschserver oder maßgeschneiderte Middleware-Systeme von kommerziellen Anbietern sein. Leider können nicht alle Geräte an jede Middleware angeschlossen werden.
Ausblick
Aufgrund der Vielfalt der möglichen KPIs sollte jedes Labor in Abhängigkeit des Laboraufbaus und der gesetzten Ziele ein individuelles Set an KPIs definieren. Die größte Herausforderung bleibt dabei weiterhin die Etablierung der notwendigen Softwaresysteme zur Implementation und Erfassung der verschiedenen KPIs über alle Prozessschritte hinweg. So wie die Automatisierung der Analytik von der Arbeitsplatzautomatisierung bis hin zur Total Lab Automation die Entwicklung des Labors 3.0 hervorbrachte, wird der Fokus auf interoperable und intuitiv zu bedienende Software das Labor 4.0 schaffen.