Die Labormedizin ist ein zentraler Bestandteil moderner Medizin: Schätzungsweise 60 bis 70 % aller klinischen Entscheidungen beruhen auf labordiagnostischen Befunden. Und dennoch bleibt unser Fach für viele unsichtbar – für Patient:innen, für Studierende, für Kolleg:innen anderer Disziplinen und für die Politik. Hier kann Wissenschaftskommunikation Sichtbarkeit schaffen, Verständnis fördern und dazu beitragen, Begeisterung für ein hochrelevantes, aber häufig unterschätztes Fach zu wecken.
Nachwuchs gewinnen – Begeisterung wecken
Während für viele Medizinstudierende der erste Blick in Richtung Klinik und direkte Patientenversorgung geht, bleibt die Labormedizin zunächst häufig im Hintergrund. Dabei bietet unser Fach nicht nur eine tragende Rolle in der Diagnostik und Therapieüberwachung, sondern auch ein enormes wissenschaftliches Entwicklungspotenzial. Die Herausforderung liegt darin, diese Faszination erlebbar zu machen – frühzeitig, praxisnah und mit authentischen Einblicken in den Berufsalltag.
Wissenschaft kommunizieren – aber wie?
In unserer Session auf dem DKLM widmen wir uns genau dieser Frage: Wie gelingt es, junge Menschen für ein indirekt patientenversorgendes hochrelevantes Fach zu begeistern? Als Vorsitzende des Jungen Labors bringt Dr. Anna Katharina Mundorf Einblicke mit, wie Nachwuchsförderung konkret gestaltet werden kann. Sei es durch Mentoring-Programme, digitale Formate oder Veranstaltungen für Studierende – der Zugang zum Fach muss niedrigschwellig und positiv belegt sein.
Motivation durch Vorbilder und Offenheit
Insbesondere die persönliche Geschichte von Wegbereiter:innen kann inspirieren. Welche Motivationen stehen hinter der Entscheidung für die Labormedizin? Wie sieht der berufliche Alltag aus? Und welche Freiräume gibt es für Forschung, Innovation und Lehre? Indem wir diese Fragen offen ansprechen, können wir stereotype Bilder aufbrechen und neue Begeisterung wecken.
Dieser Teil unserer Session bietet Erfahrungsberichte, Reflexionen und vor allem den Austausch über Ideen, wie wir unsere Leidenschaft für die Labormedizin wirksam weitergeben können.
Fachzeitschriften
Die Kommunikation richtet sich aber nicht nur an die Öffentlichkeit, die Politik und die Medien, sondern auch nach innen – an die Fachgemeinschaft selbst. Fachzeitschriften, Kongresse und CME-Formate spielen hierbei eine wichtige Rolle.
Während wissenschaftliche Zeitschriften mit Originalpublikationen in erster Linie neue Studiendaten publizieren, mit dem Peer-Review-Verfahren einen wichtigen Beitrag zur Selbstkontrolle der Wissenschaft leisten und so die Forschung vorantreiben, verfolgen fortbildende Fachzeitschriften ein anderes Ziel: Sie bereiten vorhandenes Wissen auf, ordnen neue Studien in den Gesamtkontext ein und übersetzen komplexe Ergebnisse in praxisnahe Empfehlungen. CME-Formate und Kasuistiken erleichtern den Transfer in den klinischen Alltag. Dadurch werden sie zu einem Instrument der kontinuierlichen Weiterbildung. Sie dienen nicht allein der Wissensvermittlung, sondern strukturieren den Diskurs, halten Kolleg:innen über Entwicklungen auf dem Laufenden, übersetzen Studien in Praxisempfehlungen und sichern damit kontinuierlich die Qualität.
Im Vordergrund für die Fachredaktionen steht dabei folgende Frage: Wie lassen sich komplexe Inhalte so aufbereiten, dass sie sowohl wissenschaftlichen Standards als auch der Verständlichkeit für unterschiedliche Zielgruppen genügen?
Zielgruppenorientierung
Bei der Auswahl eines geeigneten Mediums muss die Zielgruppe für zu vermittelnde Information im Vordergrund stehen: Wissenschaftliche und fortbildende Fachzeitschriften richten sich beispielsweise an ein Fachpublikum, während populärwissenschaftliche Zeitschriften Laien ansprechen. Um einen Text gut lesbar zu machen, ist es wesentlich, Komplexität zielgruppenspezifisch zu reduzieren – ohne aber zu trivialisieren. Zudem muss die Sprache an das Zielpublikum angepasst werden: Weiterbildungsassistent:innen, Entscheider:innen und interessierte Laien sollen jeweils diejenigen Informationen bekommen, die sie wirklich benötigen – und das in einer für sie verständlichen Sprache. Dabei darf die Qualitätssicherung nicht zu kurz kommen: Quellen müssen nachvollziehbar und Methoden transparent sein; Unsicherheiten (z. B. Prätestwahrscheinlichkeit) müssen offen benannt werden.
Redaktionelle Unabhängigkeit
Zentral bei der Erstellung von Inhalten ist auch die redaktionelle Unabhängigkeit: Wissenschaftliche Ergebnisse dürfen nicht unkritisch übernommen oder im Sinne einzelner Interessengruppen verkürzt dargestellt werden. Pressemitteilungen von Firmen können Anstöße geben, ersetzen aber nie die sorgfältige Prüfung durch die Fachredaktion und den Peer Review. Gerade im medizinischen Kontext gilt es, Trennlinien klar zu ziehen – zwischen Information und Werbung, zwischen Daten und Interpretation, zwischen wissenschaftlichem Befund und politischer Positionierung.
Häufig sind Studien zu einem neuen Biomarker von der Industrie finanziert. Das ist in vielen Fällen notwendig und an sich nicht problematisch. Entscheidend ist jedoch, dass Ergebnisse nicht ausschließlich über die Pressemitteilung des Unternehmens kommuniziert werden. Eine redaktionelle Prüfung muss sicherstellen, dass methodische Details, Limitationen und mögliche Interessenkonflikte transparent dargestellt werden. Nur so kann verhindert werden, dass ein Verfahren vorschnell als „Durchbruch“ gilt, obwohl die Evidenzlage noch unsicher ist. Potenzielle Interessenkonflikte der Autor:innen müssen konsequent offengelegt werden.
Digitalisierung als Chance und Verantwortung
In den vergangenen Jahren hat die Digitalisierung die Art und Weise, wie wir kommunizieren, grundlegend verändert. Wissenschaftliche Kommunikation in der Labormedizin war lange Zeit klar geregelt: Sie fand ihren Platz in Fachzeitschriften, auf Kongressen oder in persönlichen Netzwerken. Veröffentlichungen erschienen in festen Abständen, der Peer Review gab den Rhythmus vor, und die Adressaten waren fast ausschließlich Kolleg:innen aus dem eigenen Fach.
Dieses Fundament besteht weiterhin – Zeitschriften, Kongresse und persönliche Begegnungen sind nach wie vor unverzichtbar. Doch hinzugekommen ist eine Vielzahl neuer Kanäle: Preprint-Server, Open-Access-Plattformen, Podcasts, Webinare, Videoformate und soziale Medien wie X, LinkedIn oder TikTok. Sie ermöglichen Austausch in Echtzeit, machen die Schwelle zur Beteiligung niedriger und öffnen die Tür zu Zielgruppen weit über die Fachwelt hinaus.
Darin liegt eine große Chance, aber auch eine Verantwortung: Reichweite darf nicht auf Kosten von Genauigkeit gehen und Kürze nicht auf Kosten von Kontext. Digitale Kommunikation folgt häufig den Logiken von Algorithmen und der Aufmerksamkeitsökonomie. Was sich gut zugespitzt und emotional erzählt, erzielt schnell hohe Sichtbarkeit, kann aber wichtige wissenschaftliche Nuancen verdecken.
Für die Praxis heißt das: Kernaussagen klar herausstellen, Zahlen richtig einordnen, Unsicherheiten offen benennen, Interessenkonflikte transparent machen und die Grenze zwischen Information und Meinung sauber ziehen. Wo kurze Social-Media-Beiträge Aufmerksamkeit schaffen, braucht es ergänzende Formate, die mehr Tiefe bieten: Hintergrundartikel, Podcasts oder Links zu den Originalquellen.
Ausblick: Kommunikation als Zukunftsaufgabe
Wissenschaftskommunikation gehört heute selbstverständlich zur Labormedizin. Sie sorgt dafür, dass unser Fach sichtbar bleibt, unterstützt die Nachwuchsgewinnung, erleichtert die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen und trägt dazu bei, Vertrauen in diagnostische Prozesse zu erhalten. Besonders wichtig sind die Schnittstellen – zwischen Forschung und Versorgung, zwischen Fachredaktion und Öffentlichkeit sowie zwischen Wissenschaft und digitaler Gesellschaft. Eine klare und nachvollziehbare Kommunikation hilft, Missverständnisse zu vermeiden und die Rolle der Labormedizin verlässlich zu vermitteln.