Nachhaltigkeit im Labor: Jetzt handeln!

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.01.03

Während das Thema Nachhaltigkeit im Privatleben vieler Menschen bereits eine Rolle spielt, gewinnt die Thematik in der Labormedizin nur langsam an Bedeutung. Doch auch hier muss dringend gehandelt werden, da jeder Mensch und jeder Sektor der Industrie mit verantwortlich dafür ist, dass zukünftige Generationen eine lebenswerte Umwelt vorfinden. Dieser Beitrag soll in knapper übersichtlicher Form Anregungen für eine nachhaltige Labormedizin geben

Schlüsselwörter: Klimaerwärmung, CO2-Fußabdruck, Energiemanagement, Abfallmanagement, POCT

Es kann und darf so nicht weitergehen: Sehenden Auges gehen wir dem Klima­kollaps entgegen. Alle Zahlen, die zum Thema veröffentlicht werden, weisen in dieselbe Richtung und es sind kaum Verbesserungen festzustellen. Auch das Jahr 2022 stellte mit seiner hohen Durchschnitts­temperatur einen neuen Rekord auf [1].

Nachhaltigkeit ist nicht nur Thema für die Industrie und Politik, sondern sie geht uns alle an: Wir sind dafür verantwortlich, dass auch Generationen nach uns eine lebenswerte Welt vorfinden. Um dies zu gewährleisten, müssen wir alle zusammen an vielen Gewohnheiten und Annehmlichkeiten arbeiten und auch Verzicht üben.

Im industriellen Bereich wurden bereits viele Initiativen gestartet und es können erste bescheidene Erfolge verzeichnet werden. Im Jahr 2022 aber führten weltpolitische Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine und die weitere Abholzung des Regenwaldes in Brasilien zu neuen Herausforderungen. Diese scheinen den Klimawandel weiter zu beschleunigen: Beispielsweise ist die fossile Energie (Öl, Kohle, Gas) wieder in den Vordergrund gerückt. Glücklicherweise sind auch die Bestrebungen hin zu erneuerbarer Energie deutlich vorangetrieben worden.

 

Historie

Hannß Carl von Carlowitz (1645–1714), ein Berghauptmann aus Freiberg in Sachsen, wird als Vater der Nachhaltigkeit angesehen. Er beschrieb als Erster das Thema [2]: „Wo Schaden aus unterbliebener Arbeit kommt, da wächst der Menschen Armuth und Dürftigkeit. Es lässet sich auch der Anbau des Holzes nicht so schleunig wie der Acker-Bau tractiren; … Wird derhalben die größte Kunst, Wissenschaft, Fleiß, und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen, wie eine sothane Conservation und Anbau des Holzes anzustellen, daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe, weiln es eine unentbehrliche Sache ist, ohnewelche das Land in seinem Esse nicht bleiben mag.“

 

Definition nach Hauff

„Nachhaltig ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende.“ [3].

Globale Umweltprobleme des 21. Jahrhunderts [4] führen zur Verelendung und Migration, sie sind somit nicht zukunftsfähig. Hierzu gehören nach Rogall [4]

„(I) die Klimaveränderung durch Freisetzung von Klimagasen (z. B. CO2) und das Ozonloch durch ozonzerstörende Gase (z. B. FCKW), die Ausbreitung von Wüsten und Dürregebieten, der Rückgang der Ernte­erträge, die Zunahme von Naturkatastrophen (Überschwemmungen, Stürme), die Ausdehnung der Meere, das Abschmelzen der Pole, die Überflutung von Küsten und Gefahr der Abschwächung des Golfstroms,

(II) der Verlust biologischer und landschaftlicher Vielfalt mit dem Umkippen von Ökosystemen und mit Einschränkung des Genpools, wodurch u. a. Seuchen gefährlicher werden,

(III) die Gefahren für die menschliche Gesundheit (Vergiftung und Verlärmung der Biosphäre durch Umweltgifte, Immissionsbelastungen, Verkehrslärm, Kontaminierung der Böden, Waldsterben, ungesunde Ernährung), die zu einer Verminderung von Lebensqualität und Gesundheit führt (z. B. Allergien oder Krebserkrankungen) und

(IV) die Übernutzung der natürlichen Ressourcen (Wälder, Süßwasser- und Fischbestände, Boden), durch die die Nahrungsmittelproduktion zurückgeht (Hunger­katastrophen), die Klimaveränderung beschleunigt wird und Ökosysteme zusammenbrechen.“

 

Der Fußabdruck

Ein besonderer Fokus wird auf die CO2-Abgabe in die Natur gerichtet. Unser CO2-Fußabdruck soll erfasst und verringert werden, um Emissionen zu vermeiden.  Der CO2-Fußabdruck ist das Resultat der Berechnung der Emission bzw. der CO2-Bilanz. Sein Wert gibt an, welche Menge von Treibhausgasen durch eine Aktivität, einen Prozess oder eine Handlung freigesetzt wird. So kann ein CO2-Fußabdruck beispielsweise für Geschäfts- oder Produktionsprozesse von Unternehmen benannt werden. Auch Produkte haben einen CO2-Fußabdruck, der die Summe der Emissio­nen umfasst, die durch die Herstellung, die Nutzung sowie durch die Verwertung und Entsorgung des jeweiligen Produktes entstehen.

Auch für viele weitere Aktivitäten und Prozesse lässt sich ein CO2-Fußabdruck ermitteln – zum Beispiel für eine Dienstreise, eine Hotelübernachtung oder die Bereitstellung einer bestimmten Dienstleistung wie die Testung einer Patientenprobe.

Üblicherweise wird der CO2-Fußabdruck in sogenannten CO2-Äquivalenten (CO2e) angegeben und neben Kohlenstoffdioxid wird auch die Freisetzung von fünf anderen Treibhausgasen berücksichtigt, wie sie im Kyoto-Protokoll [5] benannt werden. Hierbei handelt es sich um Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), Methan (CH4), Lachgas (N2O), Perfluorcarbone (PFC) Schwefelhexafluorid (SF6) und Stickstofftrifluorid (NF3). Das Treibhauspotenzial liegt teilweise deutlich über dem von CO2. Im Falle von Methan liegt es um den Faktor 21 und von SF6 um den Faktor 22.800 über dem von CO2.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gibt auf seiner Homepage Stand 2020 [6] an: „Der durchschnittliche CO2e-Fußabdruck pro Kopf liegt in Deutschland bei 10,8 Tonnen. Davon sind 31 %, also 3,4 Tonnen, auf den sonstigen Konsum zurückzuführen. 2,2 Tonnen beziehen sich auf das Wohnen, 5 % auf Strom und 20 % auf Mobilität. Zusätzlich ergeben sich 1,7 Tonnen pro Kopf aufgrund der Ernährung und 0,8 Tonnen durch die öffentliche Infrastruktur im Allgemeinen. Das Klimaziel legt einen Fußabdruck von unter einer Tonne CO2e pro Kopf in Deutschland fest. Je nach Körpergewicht, Körpermasse und Aktivität der Person atmet ein Mensch zwischen 168 und 2.040 Kilogramm CO2 pro Jahr aus.“ Der CO2-Gehalt der Aus­atem­luft liegt recht konstant bei 4 %, also 40 Milliliter CO2 pro Liter Luft.

Das Gesundheitswesen ist für etwa 5 % der globalen Emissionen verantwortlich. Unser aller Ziel ist es also, einen möglichst niedrigen CO2e-Fußabdruck zu hinterlassen; dies gilt auch für das medizinische Labor. Für das mikrobiologische Labor sind Daten zum CO2e-Fußabdruck veröffentlicht worden [7].

 

Das medizinische Labor

Seit der Coronavirus-Pandemie sind die Abfallmengen im Gesundheitswesen enorm gestiegen. Maske, Einweg-Handschuhe, Abstrichtupfer, Pufferröhrchen und Testkassette sind vielen Menschen im Lauf der Pandemie begegnet (Abb. 1).

Die Müllberge wuchsen erheblich. Nach Angabe der Süddeutschen Zeitung führten die ers­ten acht Milliarden verabreichten Impfdosen gegen Sars-CoV-2 zu 144.000 Tonnen Abfall in Form von gläsernen Ampullen, Spritzen, Nadeln und Entsorgungsboxen [8].

An dieser Stelle soll nicht auf die allgemeine Müll- und Abfallproblematik eingegangen werden, sondern wir wollen uns den Möglichkeiten widmen, die wir im medizinischen Labor haben, um unseren Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Schutz unserer Umwelt zu leisten.

Das medizinische Labor ist in Bezug auf Abfälle und Abwässer eine besondere Herausforderung, denn es fallen nicht nur Papier- und Plastikabfälle, sondern auch infektiöses Material, Chemikalien und z. T. große Mengen Abwasser an.

In Bezug auf die Labormedizin ist bisher wenig zur Nachhaltigkeit publiziert worden [9–14]. In den Veröffentlichungen werden meist allgemeine Empfehlungen gegeben [9–13]; einige Beiträge enthalten aber auch konkretere Informationen [10, 12, 13]. Die EFLM (European Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine) brachte das Thema im Jahr 2022 in den Fokus der Aufmerksamkeit [13], und so wird es in nächster Zeit einige Aktivitäten (z. B. Workshops, Publikationen, Konferenzen) im Bereich der Labor­medizin geben.

Im Kasten auf S. 17 ist aufgeführt, welche Aktionen das Laborpersonal durchführen oder beachten kann, um einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Die Aufstellung ist nicht vollständig und kann ständig erweitert werden.

 

Ausblick

Bei allen Aktivitäten zur Vermeidung von Abfall und Reduktion von Emissio­nen ist natürlich zu beachten, dass das Thema Qualität und Patientensicherheit nicht aus dem Fokus gerät. An erster Stelle steht selbstverständlich die Sicherheit der Patient:innen und des Personals (z. B. Infektionsschutz) sowie die Qualität der Ergebnisse (z. B. zuverlässige Laborwerte).

Dennoch ist es angesichts der voranschreitenden Klimaerwärmung unbedingt notwendig, die Augen nicht vor dem Thema Nachhaltigkeit zu verschließen. Derzeit haben nur wenige medizinische Labore konkrete Pläne, das Thema Nachhaltigkeit umzusetzen. Die meisten Labore würden sich aber eine Anleitung wünschen. Allgemeine Informationen findet man beispielsweise auf der Webseite der United Nations [18]. Zertifizierungsprogramme für das „grüne Labor“ sowie Beraterfirmen bieten einen speziell auf Labore zugeschnittenen Service an.

Autor
Oswald Sonntag
Unabhängiger Berater
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