Sepsis wird als eine akut lebensbedrohliche Organdysfunktion entsprechend der dritten internationalen Konsensusdefinition (Sepsis-3) definiert, hervorgerufen durch eine inadäquate Wirtsantwort auf eine Infektion [1]. Trotz beeindruckender Fortschritte in der Intensivmedizin steigt sowohl die Inzidenz von Sepsis als auch die Zahl der damit assoziierten Todesfälle. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 48,39 Millionen Fälle mit Sepsis und elf Millionen Sepsis-bedingte Todesfälle erfasst; somit verursachte Sepsis fast 20 % aller weltweiten Todesfälle [2]. Die mit Sepsis verbundene 30- und 90-Tage-Mortalität liegt bei 24 % bzw. 32 % [3].
Die Aktivierung der Gerinnung und Entzündung sind wesentliche Reaktionen für die Wirtsabwehr. Engelmann und Massberg beschrieben erstmalig das enge Zusammenspiel von Gerinnung und angeborener Immunität als „Immunthrombose“, die durch Bildung von intravaskulären Mikrothromben die Erkennung, Eindämmung und Zerstörung der eindringenden Krankheitserreger erleichtert [4]. Die lokale Mikrothrombosierung spielt eine entscheidende Rolle bei der Frühantwort, da sie als eine physikalische Barriere für die Erreger dient und in geringen Mengen für den Wirt vorteilhaft ist. Die Fehlregulierung der Gerinnungsaktivierung und der Entzündung führt aber zur gegenseitigen Verstärkung und schließlich entwickelt sich eine „Thromboinflammation“.
Die anhaltende Thrombusbildung führt zum Gewebeschaden und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren mit konsekutiven Blutungen.
Pathophysiologie
Mikroorganismen und ihre Bestandteile, die auch „pathogenassoziierte molekulare Muster“ (PAMPs) genannt werden, stimulieren Monozyten zur Expression von Gewebefaktor (tissue factor, TF) und Freisetzung von inflammatorischen Zytokinen und extrazellulären Vesikeln. TF ist der entscheidende Initiator der extrinsischen Gerinnungskaskade. Die inflammatorischen Zytokine (v. a. TNF-a, IL-1 und IL-6) aktivieren die Neutrophilen, die NETs (neutrophil extracellular traps) durch NETose ausstoßen. NETs bestehen aus einer Matrix aus DNA und Histonen und verstärken die Immunthrombose vielfältig:
a) Sie aktivieren den intrinsischen Gerinnungsweg über Faktor XII.
b) Sie aktivieren den extrinsischen Gerinnungsweg über TF.
c) Sie binden an den Von-Willebrand-Faktor (VWF) und fördern die Rekrutierung von Thrombozyten.
d) Die Histone H3 und H4 von NETs aktivieren die rekrutierten Thrombozyten.
e) Sie unterstützen die lokale Anreicherung von Enzymen wie neutrophile Elastase und Myeloperoxidase, die die natürlichen Inhibitoren wie Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) und Thrombomodulin inaktivieren [4].
Die Bildung von NETs trägt erheblich zum Endothelschaden bei, der zur weiteren Rekrutierung und Aktivierung von Leukozyten und Thrombozyten führt. Thrombozyten spielen auch in der Regulation der Thromboinflammation durch ihre Wechselwirkungen mit Leukozyten, NETs und Endothelzellen eine zentrale Rolle. Aktivierte Blutplättchen setzen eine Vielzahl von entzündlichen und hämostatischen Mediatoren wie P-Selektin, TF, Plättchenfaktor-4, VWF und Faktor VIII frei und aktivieren somit neben der Thrombozytenaggregation auch Leukozyten, Monozyten und Endothelzellen (siehe Abb. 1, [5]).