Fallbericht: Der hämolytischen Anämie auf der Spur

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2022.04.07

Eine Patientin mit schweren Symptomen einer Sepsis wurde stationär aufgenommen und mit einem Antibiotikum behandelt. Am nächsten Tag entwickelte die Patientin eine hämolytische Anämie. Zunächst bestand der Verdacht auf eine Medikamenten-induzierte immunhämolytische Anämie, aber der direkte Coombs-Test war negativ.

Schlüsselwörter: Hämoglobin, Hämolyse, Blutkultur, DIIHA, Cephalosporin, Clostridium perfringens

Eine 52-jährige Patientin wurde mit schwerer Sepsis-Symptomatik und akutem Nierenversagen stationär aufgenommen. Die Procalcitonin-Konzentration lag bei Aufnahme bei 4,04 und stieg auf 87,09 ng/ml an (Norm < 0,05 ng/ml).  Gemäß Sepsis-Standard wurden initial Blutkulturen zur mikrobiologischen Diagnostik abgenommen und eine kalkulierte Therapie mit einem Cephalosporin der dritten Generation begonnen. Im Rahmen der Ursachenabklärung zeigte sich als Fokus eine gedeckte Perforation des Colon ascendens bei Verdacht auf Tumor im terminalen Ileum. Es wurde notfall­mäßig eine Laparatomie mit Hemikolektomie durchgeführt und ein Stoma angelegt.

Am Tag 2 fiel die Hämoglobin-Konzentration stark und hämodynamisch wirksam ab, gleichzeitig stiegen die Hämo­lyseparameter Laktatdehydrogenase und Bilirubin an (Abb. 1).

Das Lithium-Heparinplasma war sichtbar hämolytisch. Es wurde die Indikation für die Gabe von Erythrozytenkonzentraten (EK) gestellt (insgesamt neun EK, sieben Plasmen). In einem hämatologischen Konsil wurde der Verdacht auf eine akute immunhämolytische Anämie – ggf. Antibiotika-assoziiert – gestellt.

Verdacht auf DIIHA

Aufgrund der initialen Verdachtsdiagnose einer Medikamenten-induzierten immunhämolytischen Anämie (Drug-induced immune hemolytic anemia, DIIHA) – die im vorliegenden Fall durch die Gabe des Cephalosporin der dritten Genera­tion hätte verursacht worden sein können – wurde die Therapie auf ein Carbapenem umgestellt. Diese Verdachtsdiagnose stellte sich als eher unwahrscheinlich heraus, da der direkte Coombs-Test, also der Nachweis von Erythrozyten mit IgG-Antikörperbesatz und Nachweis des lytischen Komplexes mit C3d, negativ ausfiel. Bei der DIIHA vom Antibiotika-Typ, eine Typ-II-Allergie vom zytotoxischen Typ, bindet sich das Antibiotikum als Hapten (Hapten: niedermolekulare Substanz, die selbst nicht immunogen wirkt) an die Erythrozytenmembran und induziert eine IgG-Antikörperantwort mit Anlagerung von IgG, die im direkten Coombs-Test positiv reagieren [1]. Der Antikörperbesatz führt nur in Anwesenheit des Antibiotikums zu einer Erythrozytenschädigung. Am häufigsten wird die DIIHA nach Antibiotikagabe von Piperacillin (15 %), Ceftriaxon (13 %) und Cefotetan (37 %) beobachtet. Im Hinblick auf die DIIHA sind bislang über 125 Medikamente als Verursacher bekannt. Die Hämolyse zeigt einen Verlauf, der mit dem einer Sepsis vergleichbar ist.

Clostridium perfringens

Zeitnah lagen im Labor die Ergebnisse der Blutkultur und der mikrobiologischen Untersuchung der intraoperativ entnommenen Abstriche vor: Es wurde bei beiden Untersuchungen Clostridium perfringens nachgewiesen. Im Blutausstrich zeigten sich sogenannte Ghost Cells (Abb. 2), die bei einer DIIHA in der Regel nicht zu finden sind.

Clostridium perfringens ist ein anaerobes, gram-positives, sporenbildendes Stäbchenbakterium. Der Erreger kann Bestandteil des physiologischen Darmmikrobioms sein [2]. Als Pathogen ist Clostridium perfringens vor allem als Erreger von Wundinfektionen und Lebensmittelintoxikationen bekannt. Es ist in der Lage zur anaeroben Fermentation, die zu einer ausgeprägten Gasbildung führt („Gasbrand“-Erreger). Darüber hinaus bildet das Bakterium eine Reihe von hämolytischen bzw. zytolytischen Enzymen: Die Phospholipase A (alpha-Toxin) hydrolysiert Phospholipide, was zu Zellmembranschädigungen mit Zelluntergang führt. Die durch die Hydrolyse von Phospholipiden freigesetzten freien Fettsäuren werden zu Triggern von Leukotrienen, Prostaglandinen und Thromboxan.

Der Nachweis von Clostridium perfringens als Sepsis-Erreger ist in seltenen Fällen mit schweren Hämolysen verbunden [3]: Unter dem Einfluss von alpha-Toxin bekommen Erythrozyten eine durchlässige Plasmamembran, die durch Verlust von Zytoplasma und Hämoglobin zu kleineren Dia­metern und einer sphärischen Form führt. Im Blutausstrich imponieren diese Zellen als transparente, kleine Erythrozyten, die als „Ghost Cells“ (Geisterzellen) bezeichnet werden. Betrachtet man Thrombozyten- (PDW) und Erythrozytenverteilungsbreite (RDW), liegen diese Zellen zwischen beiden Verteilungsbreiten und können vom Hämatologiesystem fälschlicherweise als Riesenthrombozyten identifiziert werden.

Ausgang

Die Patientin musste 15 Tage auf der Intensivstation behandelt werden und erholte sich anschließend fortwährend [4].

Autoren
Prof. Dr. Dr. Martin Ehrenschwender (korrespondierender Autor)
Prof. Dr. Andreas Ambrosch
Institut für Labormedizin, Mikrobiologie und Krankenhaushygiene
Dr. Klaus Mühlenberg
Klinik für Gastroenterologie und interventionelle Endoskopie
Alle: Krankenhaus Barmherzige Brüder, Regensburg
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