Tumoren bestehen aus körpereigenen Zellen, die durch Mutationen die Kontrolle über die Regulation ihrer Zellteilung verloren haben. In den meisten Fällen ist eine Zelle selbst in der Lage, derartige Fehler zu erkennen und zu beheben. Dennoch lassen sich zwei Drittel aller Krebserkrankungen auf Fehler bei der DNA-Verdoppelung zurückführen. Mutationen in Genen, die das Wachstum von Zellen steuern und regulieren (Onkogene und Tumorsuppressorgene), könnten dazu führen, dass eine normale Zelle schließlich entartet. Diese Veränderungen werden als Treibermutationen bezeichnet. Auch angeborene Mutationen, Infektionen und Umwelteinflüsse wie Rauchen, Chemikalien, UV- und Röntgenstrahlung können eine Schädigung der DNA und damit die Entstehung von Krebs bewirken.
Täglich entstehen so in unserem Körper etwa 20.000 Mutationen; dennoch erkranken nur relativ wenige Menschen an Krebs. Das liegt daran, dass unsere Zellen über ein effizientes DNA-Reparatursystem verfügen. Wenn Schwierigkeiten bei der Zellteilung auftreten, kann die Zelle den Prozess gegebenenfalls selbst stoppen. Sollten die Fehler jedoch massiv und nicht mehr reparabel sein, können Tumorsuppressoren aktiviert werden, die die Apoptose einleiten. So kann die Entstehung von Krebszellen bereits im Frühstadium verhindert werden.
Die Rolle des Immunsystems
Sollten dennoch Zellen entarten und durch die Maschen des Überwachungsnetzes schlüpfen, ist das Immunsystem zur Stelle. An der Tumorüberwachung sind sowohl Zellen des angeborenen als auch Zellen des erworbenen Immunsystems beteiligt. Erworbene Killerzellen (zytotoxische T-Zellen) sind in der Lage, mit spezifischen T-Zell-Rezeptoren Tumorantigene auf der Zelloberfläche zu erkennen und zu zerstören. Tumorzellen, die Stresssignale zeigen oder denen Rezeptoren fehlen, die für die Überwachung der Zellen notwendig sind (MHC-I-Moleküle; Missing Self), können von angeborenen natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) auf die gleiche Weise getötet werden. Auch Antikörper, die an Moleküle auf Tumorzellen binden, können möglicherweise zur Abtötung beitragen, indem sie NK-Zellen, Makrophagen oder Komplementproteine rekrutieren, die diese dann zerstören (antikörpervermittelte Zytotoxizität; ADCC). Erst wenn sich Tumorzellen in einer Weise verändern, dass sie nicht mehr vom Immunsystem erkannt werden, kann sich ein manifester Tumor entwickeln.
Die Erkennung von körpereigenen Zellen als Krebszellen stellt das Immunsystem vor eine besonders große Herausforderung. Die Anzahl der Zielstrukturen, die spezifisch für die Expression durch Tumorzellen sind, ist vergleichsweise gering. Dazu gehören mutierte oder falsch zusammengesetzte Proteine, beispielsweise die p53-Mutation bei Kopf-Hals-Krebs, sowie Proteine von krebsauslösenden Viren. Die Ausprägung kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein und sogar innerhalb einer Tumormasse von Zelle zu Zelle variieren. Antigene, die nicht ausschließlich im Tumor vorkommen, sondern zu einem gewissen Grad oder für eine Zeitspanne auch auf anderen Körperzellen vorhanden sind oder waren, spielen eine größere Rolle. Krebszellen können beispielsweise embryonale Gene wieder aktivieren, die bei Erwachsenen nicht mehr angeschaltet sind (z. B. MAGE-A bei Blasenkrebs). In den meisten Fällen kommt es zu einer übermäßigen Expression von Genen, die normalerweise nur in sehr geringen Mengen von gesunden Zellen gebildet werden (z. B. HER2/neu, ein Hormonrezeptor bei Brustkrebs).
Tumorzellen sind jedoch in der Lage, sich der Immunüberwachung zu entziehen, indem sie sich verändern, bestimmte Antigene freisetzen oder deren Funktion ausschalten. Dieser Prozess wird als „Immunoediting“ bezeichnet. Ebenso können Tumorzellen inhibitorische Proteine produzieren (IL-10, TGF-β, Immuncheckpoints), die es ermöglichen, angreifende Immunzellen zu deaktivieren. Es wurde beobachtet, dass Tumoren mit einer festen Zellmasse einen biochemischen Schutzschild aus Milchsäure erzeugen und so die Überlebensfähigkeit von Immunzellen deutlich einschränken. Des Weiteren werden Zellen rekrutiert, die das Immunsystem hemmen, beispielsweise tumorassoziierte Makrophagen und myeloide Zellen.
Immuntherapie
Neben den klassischen Therapieformen wie der chirurgischen Entfernung (falls möglich), der Bestrahlung oder dem Einsatz diverser Chemotherapeutika existieren schon lange erste Ansätze für Immuntherapien. Zunächst wurde der Versuch unternommen, sowohl die angeborene als auch die erworbene Immunabwehr durch die Gabe von immunstimulierenden Molekülen (z. B. TLR-Agonisten, Interferon-α und Interleukin-2 [IL-2]) zu aktivieren. Leider war dies nicht so erfolgreich wie erhofft. Zudem traten erhebliche Nebenwirkungen und Autoimmunerkrankungen auf, die in einigen Fällen zum Tod von Patient:innen führten. Die Entwicklung therapeutischer Antikörper, welche an Tumorantigene auf der Oberfläche von Krebszellen binden, stellte sich als vielversprechender Ansatz mit bemerkenswerten Ergebnissen heraus. Diese entsprechend markierten Zellen werden von Immunzellen angegriffen, abgetötet oder gefressen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, Antikörper mit Wirkstoffen wie beispielsweise Zellgiften oder radioaktiven Isotopen zu koppeln, um Krebszellen auf direktem Weg und relativ spezifisch abzutöten. Diese Medikamente können dazu beitragen, den Behandelten mehr Lebenszeit zu verschaffen, auch wenn eine Heilung leider oft nicht möglich ist.
Bispezifische Antikörper
Die Entwicklung künstlicher bispezifischer Antikörper stellte einen wichtigen Fortschritt bei der Behandlung von Leukämien dar. Sie ermöglichen den direkten Kontakt zwischen Tumor- und Killerzellen, indem sie gleichzeitig an ein Tumorantigen und einen Killerzellrezeptor (CD3) binden. Die Killerzelle wird aktiviert und greift die Tumorzelle unabhängig von ihrer ursprünglichen Spezifität an. Allerdings müssen sich hierfür die Killerzelle, der Tumor und der bispezifische Antikörper in räumlicher Nähe zueinander befinden.
Viren und Impfung
Die Erkenntnis, dass bestimmte Viren in Zusammenarbeit mit dem Immunsystem Krebszellen spezifisch zerstören können, führte zu vielversprechenden neuen Therapien, die jedoch nur bei einem kleinen Teil der Betroffenen zu wirksamen Ergebnissen führten. Erste Impfungen gegen Krebs können vorbeugend einen wichtigen Beitrag leisten (z. B. schützt eine HPV-Impfung vor humanen Papillomaviren, die am häufigsten Gebärmutterhalskrebs auslösen). Für eine aktive Therapie sind sie bisher jedoch nur begrenzt geeignet.
Immuncheckpoint-Inhibitoren
Ein vielversprechender Ansatz zur Aktivierung der zellulären Immunantwort gegen Krebs, insbesondere der Aktivität von Killerzellen, ist die Entwicklung von Immuncheckpoint-Inhibitoren. Diese zielen darauf ab, die Bremsen des Immunsystems zu lösen (Inhibitoren gegen Cytotoxic T-Lymphocyte-Associated Protein 4 [CTLA-4] und Programmed Cell Death 1/Ligand 1 [PD1/PD-L1]). Dadurch konnte beispielsweise die Therapie von malignen Melanomen deutlich verbessert werden. Diese Therapie birgt jedoch das Risiko der Auslösung von Autoimmunerkrankungen.
TIL und Immunzelltransfer
Der Versuch, eine Krebstherapie durch die Isolation und die künstliche Vermehrung von zuvor erfolgreich in den Tumor eingedrungenen Immunzellen (tumorinfiltrierende Lymphozyten; TIL) zu entwickeln, die dann in den Betroffenen zurückgegeben wurden, führte leider nicht zum gewünschten Erfolg. In bestimmten Fällen hat sich ein Immunzelltransfer über eine Knochenmarktransplantation als vielversprechende Behandlungsmethode bei Blutkrebs erwiesen. Allerdings muss der Krebs zuvor durch eine Chemotherapie erfolgreich weit zurückgedrängt worden sein.
Zytotoxische T-Zellen
Eine der effektivsten Waffen des Immunsystems gegen Krebszellen sind die zytotoxischen Killerzellen (CD8+-
T-Lymphozyten). Wie James Bond besitzen sie die Fähigkeit und unter bestimmten Umständen auch die Lizenz, körpereigene Zellen zu töten. Ein unkontrollierter Einsatz dieser „Lizenz“ birgt jedoch das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen für den Körper. Deshalb wird sie nur unter bestimmten Bedingungen erteilt und unterliegt einem komplexen Genehmigungsverfahren. Dabei spielen Antigen-präsentierende Zellen (APZ), zum Beispiel dendritische Zellen, eine wesentliche Rolle. Sie verfügen über spezielle Rezeptoren auf der Zelloberfläche, die es ihnen ermöglichen, fremde oder veränderte Proteinfragmente (Antigene) aus dem Zellinneren wie einen polizeilichen Steckbrief an Immunzellen zu präsentieren (MHC-I) und diese auch zu aktivieren (B7 und 4-1BBL).
Diese Proteinfragmente entstehen, wenn alte Proteine im intrazellulären „Protein-Aktenvernichter“ (dem Proteasom) in kleine Peptide „geschreddert“ werden. Jungfräuliche, noch nicht aktivierte Killerzellen tragen T-Zell-Rezeptoren, die auf MHC-I präsentierte Peptide erkennen und binden können – sofern diese prinzipiell nicht körpereigen sind. Die Bildung dieser T-Zell-Rezeptoren erfolgt in einer beeindruckenden Vielfalt an Erkennungsspezifitäten durch einen zufälligen Prozess, der als somatische Rekombination bezeichnet wird. Allerdings kann jede einzelne T-Zelle nur ein einziges bestimmtes Antigen erkennen. T-Zellen, die während der Produktion im Thymus körpereigenes Peptid erkennen, werden in der Regel sofort aussortiert und in den Selbstmord geschickt, um zu verhindern, dass sie späteren Schaden im Körper anrichten.
Wenn eine jungfräuliche Killerzelle, die aus dem Thymus in Blut und sekundäre Lymphorgane ausgewandert ist, mit ihrem T-Zell-Rezeptor ein präsentiertes Antigen erkennt, wird sie durch die APZ aktiviert. Dies erfolgt durch weitere kostimulierende Signale, wie beispielsweise die Interaktion von B7 und 4-1BBL mit CD28 auf der APZ und 4-1BB auf der T-Zell-Seite. Der Prozess wird zusätzlich durch eine T-Helferzelle unterstützt, welche die APZ aktiviert. Im Anschluss daran beginnt die selektiv aktivierte Killerzelle, sich zu teilen, und wird auf diese Weise durch Klonen vermehrt. Dies ist erforderlich, da nur eine begrenzte Anzahl von Killerzellen entsprechende Bedrohungen erkennen kann und diese dann in großer Menge verfügbar sein müssen, um effektiv zu wirken. Als Effektorzelle ist die Killerzelle nun in der Lage, körpereigene Zellen, die das entsprechende Antigen auf ihrer Zelloberfläche durch ein MHC-I-Molekül präsentieren, anzugreifen und gegebenenfalls zu vernichten.
Es stellt sich jedoch die Frage, warum diese Bereitstellung und Aktivierung tumorspezifischer Killerzellen durch unseren Körper in der Realität oft nicht optimal funktioniert. Wie bereits beschrieben, handelt es sich bei Tumorzellen um körpereigene Zellen, die für den Körper eigentlich nicht fremd sind. Daher gibt es nur wenige Antigene, die durch T-Zellen erkannt werden dürfen, und zahlreiche Mechanismen, die zu einer Toleranz durch das Immunsystem führen.
CAR-T-Zell-Therapie
Der Pionier Dr. Carl June und andere Forschende hatten nun die Idee, eine neuartige Krebstherapie zu entwickeln, die auf der Herstellung von patienteneigenen T-Zellen beruht, die genetisch darauf programmiert sind, Tumorzellen selektiv anzugreifen und zu vernichten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein künstlicher chimärer Antigenrezeptor (CAR) konstruiert, der gezielt an ein „einprogrammiertes“ Tumorantigen bindet. Eine mit CAR ausgestattete Killerzelle wird bei Kontakt mit einer Tumorzelle unmittelbar aktiviert, zur Vermehrung angeregt und zum Angriff auf die Tumorzelle gezwungen – unabhängig von der Spezifität, die sie durch ihren T-Zell-Rezeptor eigentlich aufweist (Abb. 1).