Trillium Diagnostik 2018; 16(4): 238-239
Wer glaubt, dass ein halbes Jahrhundert nach der Entdeckung des Von-Willebrand-Faktors alle analytischen und diagnostischen Fragen beantwortet sind, irrt: Eine ganze Reihe von Studien weisen darauf hin, dass bestimmte Mutationen im VWF-Molekül zu einer veränderten Metabolisierung führen.
Schlüsselwörter: Von-Willebrand-Syndrom, VWF, VWFpp
Bei einem Mangel an Von-Willebrand-Faktor (VWF) kommt es zu einer Beeinträchtigung der Hämostase mit Blutungen, während erhöhte Werte ein erhebliches Thromboserisiko darstellen [1]. Der multimere VWF (Molekulargewicht bis über 20.000 kDa) hat wichtige Funktionen in der Primärhämostase, insbesondere bei der Adhäsion und Aggregation der Thrombozyten an Kollagen in verletzten subendothelialen Bereichen der Gefäßwand. Außerdem ist VWF das Trägerprotein für Faktor VIII und schützt diesen vor vorzeitiger Proteolyse, sodass man bei VWF-Mangel oft, aber nicht immer, niedrigere Spiegel von FVIII – verbunden mit einer abnormalen aPTT – findet.
Schwierige Diagnostik
Dem Von-Willebrand-Syndrom (VWS) liegt ein VWF-Mangel zugrunde. Dieser ist weltweit mit einer Häufigkeit von ca. 1% der Bevölkerung die häufigste vererbte Blutungserkrankung. Die schwierige Diagnostik und die Zuordnung des VWF-Mangels zu einem Subtypen erfolgt mit einer Kombination von verschiedenen Labortests [2]. Je nach Befundkombination mit Anamnese, Antigen- und verschiedenen Funktionstests, aPTT und FVIII, Plättchen-Aggregometrie, Sequenzierung des Gens, Multimerenanalyse sowie Berücksichtigung der Blutgruppe und Thrombozytenzahl werden Patienten mit VWS in verschiedene Kategorien unterteilt: Typ 1 mit teilweisem Mangel bzw. Typ 3 mit komplettem Fehlen von VWF (sehr selten) sowie Typ 2 mit einem funktionellen Mangel (häufiger), der in verschiedenen Varianten 2A, 2B, 2M und 2N auftritt.
Enttäuschendes Ergebnis
Eine aktuelle Studie von Boender et al. [3] zeigt die diagnostischen Schwierigkeiten, die trotz immer besserer und hochautomatisierter Tests für VWF nach wie vor bestehen. Bei 661 Patienten mit VWS wurden verschiedene häufig verwendete VWF-Tests miteinander verglichen, darunter auch neue vollautomatisierte Verfahren. Dabei zeigte sich erfreulicherweise eine insgesamt sehr gute Korrelation der Methoden, jedoch wurden immerhin ca. 20% der Patienten unterschiedlichen Subtypen des VWF-Mangels zugeordnet. Dieses doch etwas enttäuschende Ergebnis veranlasste die Autoren, die Diagnostik des VWF-Mangels noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Eine Möglichkeit für eine genauere Klassifizierung ergibt sich, wenn man neben strukturellen Unterschieden durch Mutationen, die insbesondere für die Typ-2- Varianten verantwortlich sind, auch die unterschiedliche Metabolisierung von VWF-Varianten berücksichtigt. VWF wird in Endothelzellen und Megakaryozyten zunächst in einer komplizierten Reihe von Schritten synthetisiert, an der auch eine Reihe von Enzymen beteiligt sind, die zum Beispiel die Anheftung von Kohlenhydraten, Bildung von Disulfidbrücken oder proteolytischen Spaltungen katalysieren.