Untersuchungen einzelner Zellen haben in der letzten Dekade vermehrt Einzug in den Alltag vieler molekulargenetischer Labore gehalten. Je nach Fragestellung erlauben es unterschiedliche Technologien, DNA-Sequenzen, deren Methylierungsstatus oder Chromatinstruktur, aber auch die verschiedenen Klassen von RNA-Molekülen und Proteine gezielt zu analysieren [1]. Zum Auslesen dieser Informationsebenen bieten sich grundsätzlich zwei Herangehensweisen an: 1) die präzise und umfassende Analytik einzelner Zellen und 2) die oberflächliche Analytik einer Vielzahl von Einzelzellen mit anschließender bioinformatischer Gruppierung auf Basis von Ähnlichkeiten der analysierten Datensätze der einzelnen Zellen. Während sich der erste Ansatz dazu eignet, hochauflösend die Informationsebenen einzelner Zellen und kleinste Veränderungen dieser Ebenen zu charakterisieren, verfolgt der zweite Ansatz vornehmlich das Ziel, Zelltypen in einer Zellpopulation zu identifizieren und Änderungen in der Häufigkeit der unterschiedlichen Zelltypen in Abhängigkeit verschiedenster interner und externer Einflüsse auszulesen. Größere Veränderungen der Informationsebenen können auch mit dem zweiten Ansatz erfasst werden; für eine präzise Charakterisierung dieser Veränderungen ist es jedoch unerlässlich, einzelne Zellen der als relevant identifizierten Zelltypen einer hochauflösenden Analytik zu unterziehen. Beide Herangehensweisen erlauben prinzipiell auch das simultane Auslesen mehrerer Informationsebenen – mit der Einschränkung, dass nicht alle Informationsebenen frei miteinander kombinierbar sind. Erste Ansätze deuten jedoch daraufhin, dass dies in Zukunft möglich sein wird.
Liquid Biopsy und Einzelzellanalyse
Ein Anwendungsgebiet, in welchem die Analyse einzelner Zellen seit über zwei Jahrzehnten etabliert ist, ist die sogenannte Flüssigbiopsie (Liquid biopsy). Mit dem Liquid-Biopsy-Konzept sollen durch molekulare Analysen von Körperflüssigkeiten medizinisch relevante Informationen zu systemischen Erkrankungen, insbesondere in der Onkologie, erhoben werden mit dem Ziel, die Diagnostik und Behandlung von Erkrankten vorzutreiben [2] Das Potenzial, solide Krebserkrankungen mittels Blutanalyse zu diagnostizieren, wurde bereits im Jahr 1869 durch den australischen Arzt Thomas Ashworth erkannt, der erstmals zirkulierende Tumorzellen („circulating tumor cells“; CTC) im Blut eines verstorbenen Patienten beschrieb [3]. Allerdings konnte aus dieser Erkenntnis lange Zeit kein Kapital geschlagen werden, da Tumorzellen bei den meisten Betroffenen mit 1–10 CTC pro Milliliter Blut sehr selten sind [4] und Technologien zur effizienten Anreicherung, Isolation und Analytik nicht zur Verfügung standen.
Die Untersuchung von CTC stellt heute einen prominenten Anwendungsfall für die Analyse einzelner, sehr seltener Zellen dar. Gerade für den Verlauf einer Krebserkrankung und die Selektion der bestmöglichen Therapiekombination können diese zelluläre Heterogenität wie auch die Identifizierung therapieresistenter Subklone eine große Rolle spielen. Zu diesem Zweck haben wir vor einigen Jahren einen semiautomatisierten Workflow zur Anreicherung, Isolation und DNA-Analytik einzelner CTC aus Patientinnen im Brustkrebs entwickelt und an klinischen Proben getestet (Abb. 1) [5].