SABCS 2019 Metastasiertes Mammakarzinom
Beim San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) im Dezember 2019 wurde auf dem Gebiet der metastasierten Tumoren eine Reihe vielversprechender neuer Therapien vor allem für Patientinnen mit HER2-positiven Tumoren vorgestellt. Eine interessante Neuentwicklung gab es aber auch bei der Chemotherapie: Durch einen pharmakologischen Trick ist es gelungen, ein orales Galenikum von Paclitaxel zu kreieren, das gegenüber der intravenösen Form überraschend gut abschnitt.
Schlüsselwörter: Mammakarzinom, Brustkrebs, HER2, Tucatinib, Margetuximab, Trastuzumab Deruxtecan, CDK4/6-Inhibitoren, Durvalumab, Encequidar
HER2+ Mammakarzinom
Ein neuer HER2-Tyrosinkinase-
Inhibitor …
Für Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom, die nach mehreren gegen HER2 gerichteten Therapien progredient sind, wird dringend nach neuen therapeutischen Optionen gesucht, ganz besonders für diejenigen, bei denen sich die Erkrankung auch im Gehirn ausgebreitet hat – das ist immerhin rund die Hälfte aller Patientinnen. Ein neuer,
niedermolekularer Inhibitor der Tyrosinkinase des HER2-Rezeptors, Tucatinib, hat in präklinischen und frühen klinischen Studien Wirksamkeit in dieser Situation gezeigt. In der nordamerikanisch-europäischen Phase-III-Studie HER2CLIMB, an der auch die German Breast Group beteiligt war, wurden deshalb 612 Patientinnen mit vorbehandeltem HER2-positivem Brustkrebs im Verhältnis 2 : 1 randomisiert, Tucatinib in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin oder Placebo/Trastuzumab/Capecitabin zu erhalten [1].
Wie Rashmi Murthy, Houston, in San Antonio berichtete, und wie inzwischen auch publiziert wurde [2], hatten die Patientinnen im Median vier Vorbehandlungen erhalten, und knapp die Hälfte von ihnen wies eine zerebrale Beteiligung auf. Bei sämtlichen Endpunkten zeigte sich der Tucatinib-Arm überlegen, zum Beispiel war beim primären Endpunkt progressionsfreies Überleben das Risiko um 46 % reduziert (median 7,8 vs. 5,6 Monate; 1-Jahres-PFS 33 % vs. 12 %;
HR 0,54; p < 0,00001). Das Mortalitätsrisiko war um etwa ein Drittel vermindert (median 21,9 vs. 17,4 Monate; 2-Jahres-OS 45 % vs. 27 %; HR 0,66;
p = 0,0048). Von den Patientinnen mit Hirnmetastasen lebte nach einem Jahr im Placebo-Arm keine einzige mehr progressionsfrei, im Tucatinib-Arm hingegen noch jede vierte (median 7,6 vs. 5,4 Monate; HR 0,48; p < 0,00001; Abb. 1a). Der Vorteil des neuen Inhibitors erstreckte sich auch auf alle anderen Subgruppen, für die die Patientinnen stratifiziert worden waren (Abb. 1b).

Bei einer Zulassung, so die Autoren, dürfte sich Tucatinib in dieser Kombination rasch als neuer Standard für Patientinnen etablieren, die mindestens drei vorangegangene, gegen HER2 gerichtete Therapielinien erhalten haben.
… ein neuer HER2-Antikörper …
Eine weitere neue Option für vorbehandelte Patientinnen mit metastasiertem HER2+ Mammakarzinom ist der neuartige Anti-HER2-Antikörper Margetuximab, der genetisch so optimiert wurde, dass er eine höhere Affinität zum aktivierenden Fcγ-Rezeptor CD16A und eine geringere Affinität zu dem inhibierenden Rezeptor CD32B aufweist. Daraus resultiert eine verstärkte immunologische Aktivität, vor allem eine CD16A-vermittelte, Antikörper-abhängige zelluläre Zytotoxizität (ADCC), ein größeres T-Zell-Repertoire sowie eine stärkere HER2-spezifische T- und B-Zell-Antwort, so Hope Rugo, San Francisco, die die zweite Interimsanalyse der SOPHIA-Studie vorstellte [3]: Darin waren 506 Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs, die bereits mindestens zwei Anti-HER2-Therapien erhalten hatten, randomisiert mit Margetuximab oder Trastuzumab, jeweils zusätzlich zu einer Chemotherapie, behandelt worden. Hinsichtlich der Verträglichkeit unterschieden sich beide Therapien nicht, aber beim primären Endpunkt PFS war Margetuximab mit median 5,8 versus 4,9 Monaten signifikant überlegen (HR 0,76; p = 0,033). Noch etwas besser fiel dieses Ergebnis mit 6,9 versus 5,1 Monaten (HR 0,68; p = 0,005) bei Patientinnen aus, bei denen im CD16A-Gen das 185F-Allel gefunden worden war. Beim Gesamtüberleben ist bisher mit einer Hazard Ratio von 0,95 (95-%-KI 0,69–1,31) noch kein Unterschied zu erkennen, ein positiver Trend hingegen wiederum bei Trägerinnen des 185F-Genotyps, wenngleich auch hier noch keine Signifikanz erreicht wurde (HR 0,79; 95-%-KI 0,61–1,04; p = 0,087).
… und ein neues HER2-Antikörper-Toxin-Konjugat
Eine dritte neue Therapieoption, die am HER2-Rezeptor angreift, wurde in der Phase-II-Studie DESTINY-Breast01 untersucht: [Fam-]Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd, DS-8201a) ist ein neues Antikörper-Toxin-Konjugat, das ebenfalls gegen HER2 gerichtet ist und aus drei Komponenten besteht: einem Trastuzumab-ähnlichen Antikörper, einer Linker-Komponente auf Basis eines Te-trapeptids sowie pro Antikörper aus acht Molekülen eines Topoisomerase-I-Inhibitors. Zum Vergleich: Bei Trastuzumab Emtansin trägt der Antikörper drei bis vier Moleküle des Zytostatikums. Diese große Menge an „Nutzlast“, so Ian Krop, Boston, hatte schon in der Phase I zu gutem Ansprechen geführt, das sich nun in der DESTINY-Studie bestätigte [4, 5]:
Bei 184 Patientinnen, die median 6 Vorbehandlungen erhalten hatten –
darunter in jedem Fall Trastuzumab Emtansin –, wurde eine Ansprechrate nach RECIST von 60,9 % erzielt, mit 6 % kompletten Remissionen; Abb. 2 zeigt, dass nahezu alle Patientinnen eine Abnahme der Tumorgröße erfuhren, auch wenn diese nicht immer einer partiellen Remission nach RECIST entsprach.

Die Wirkung war für alle untersuchten Subgruppen erkennbar. Das progressionsfreie Überleben erreichte median 16,4 Monate, die Gesamtüberlebensrate lag nach einem Jahr noch über 80 %.
Die Therapie war insgesamt gut verträglich: Nebenwirkungen ab Grad 3 bestanden vor allem in Zytopenien und Nausea; besondere Aufmerksamkeit, so Krop, verdient aber eine interstitielle Lungenerkrankung, die mit der Therapie in Verbindung gebracht wurde und die in der Studienpopulation vier Todesfälle verursachte. Nach Zulassung der wirksamen Behandlung, die in den USA bereits kurz nach dem SABCS erfolgt ist, wird deshalb ein sorgfältiges Monitoring von Lungensymptomen obligat sein. Es laufen Phase-III-Studien mit Trastuzumab Deruxtecan, etwa die DESTINY-Breast03-Studie, in der die Substanz direkt mit Trastuzumab Emtansin verglichen wird.
HR-positives, HER2-negatives Mammakarzinom
Mechanismen der endokrinen und der CDK4/6-Resistenz
CDK4/6-Inhibitoren haben sich in den letzten Jahren fest in der Therapie von Patientinnen mit Hormonrezeptor(HR)-positivem, HER2-negativem Mammakarzinom und endokriner Resistenz etabliert, aber auch gegen diese Substanzen treten nicht selten De-novo- oder erworbene Resistenzen auf. Caramine de Angelis, Houston, berichtete zunächst über Zellkultur-Experimente, in denen sich in Zellen, die gegen Palbociclib resistent waren, eine Aktivierung der Interferon-α- und Interferon-γ-Signalwege gezeigt hatte [6]. In zwei neoadjuvanten klinischen Studien mit Palbociclib (NeoPalANA) und Abemaciclib (neoMONARCH) ließ sich durch den Nachweis eines aberranten Interferon-Signals tatsächlich eine Resistenz gegen diese Substanzen vorhersagen.
Auch die Grundlagen der endokrinen Resistenz werden immer besser verstanden, wie Ofir Cohen, Boston, erläuterte [7]: Während aus der PALOMA-3-Studie bereits bekannt war, dass eine erworbene endokrine Resistenz mit Mutationen im ESR- und im PIK3CA-Gen einhergehen kann, zeigte er anhand umfassender genetischer Untersuchungen an Biopsie-Material von 60 Patientinnen, dass aktivierende Mutationen etwa in den Rezeptor-Tyrosinkinasen HER2 und dem Rezeptor für den Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGFR) eine Resistenz gegen endokrine Therapien und gleichzeitig CDK4/6-Inhibitoren vermitteln können. Dadurch wird die Tumorzelle in einen mehr Stammzell-ähnlichen mesenchymalen Status versetzt. Möglicherweise, so Cohen, könnten diese Resistenzen durch Kombinationen mit spezifischen Tyrosinkinase-Inhibitoren überwunden werden.
Checkpoint-Inhibitor als Erhaltung nach Zytostatika
Florence Dalenc, Toulouse, präsentierte eine Phase-II-Studie, in der die Rolle des PD-L1-Inhibitors Durvalumab in der Erhaltungstherapie randomisiert gegen Chemotherapie getestet wurde [8]. Der Einsatz in dieser Situation ist besonders erfolgversprechend, so Dalenc, denn
• die vorangegangene Chemotherapie hat das Tumorwachstum unterdrückt,
• die Krankheitslast – per se eine Ursache für Immunsuppression – wurde reduziert,
• Tumor-infiltrierende Lymphozyten ins Tumorbett gelockt, und
• ein Ansprechen auf die Chemotherapie könnte zur Selektion immunogener Tumorzellen geführt haben.
Durvalumab hatte außerdem in einer neoadjuvanten Studie die pathologische Komplettremissionsrate beim triple-negativen Mammakarzinom erhöht. In der SAPHIR-02-BREAST-Studie wurde daher eine Untergruppe von 199 Patientinnen, die nach 6 bis 8 Zyklen einer Chemotherapie mindestens eine Krankheitsstabilisierung erreicht hatten und deren Tumor keinen Biomarker für eine zielgerichtete Therapie aufwies, im Verhältnis 2 : 1 randomisiert, entweder Durvalumab oder eine Erhaltungschemotherapie zu bekommen. Insbesondere triple-negative Tumoren wiesen etwa zur Hälfte eine Expression von PD-L1 auf.
Interessanterweise schnitt Durvalumab beim progressionsfreien Überleben insgesamt schlechter ab (median 2,7 vs. 4,6 Monate; HR 1,40; p = 0,047), während beim Gesamtüberleben eine Tendenz zugunsten der Immuntherapie zu beobachten war (median 21,7 vs. 17,9 Monaten; HR 0,84; p = 0,42). Bei beiden Endpunkten profitierten vor allem Patientinnen mit triple-negativen Tumoren vom Antikörper, beim Gesamtüberleben auch jene mit PD-L1-Expression, während bei HR-positiven Tumoren die Chemotherapie besser zu wirken schien.
Orales Paclitaxel: wirksamer und besser verträglich
Taxane gehören beim Mammakarzinom nach wie vor zu den fundamentalen Grundlagen der Tumortherapie. Dabei ist die intravenöse Applikation eher ein Nachteil, der bisher nicht zu vermeiden war: Vermutlich aufgrund der hohen Spitzenkonzentrationen nach der Infusion sind periphere Neuropathien eine der wesentlichsten Nebenwirkungen, die Patienten sehr belasten können. Eine orale Gabe wäre bequemer, man könnte immer wieder auftretende Infusionsreaktionen vermeiden, und eine prophylaktischen Gabe von Steroiden wäre nicht notwendig.
Verhindert wurde die orale Applika-tion etwa von Paclitaxel bislang dadurch, dass es durch P-Glykoprotein effektiv aus Zellen entfernt wird und deshalb keine Absorption aus dem Gastrointestinaltrakt erfolgt. Das lässt sich umgehen, indem man Paclitaxel in einer verflüssigten Form mit Encequidar, einem Inhibitor der P-Glykoprotein-Pumpe, kombiniert. In einer pharmakokinetischen Studie erreichten die Spitzenkonzentrationen von Paclitaxel mit dem oralen Galenikum nur etwa ein Siebtel dessen, was bei intravenöser Gabe gemessen wurde.
In einer in Südamerika durchgeführten Phase-III-Studie mit 2 : 1-Randomisierung, die G. Umanzor, Honduras, vorstellte, wurden beide Galenika bei 360 Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom verglichen [9]. Oral wurden dabei über drei Wochen an jeweils drei aufeinanderfolgenden Tagen 205 mg/m2 Paclitaxel und 15 mg Encequidar verabreicht, im I.-v.-Arm erhielten die Frauen alle 3 Wochen 175 mg/m2 des Taxans als dreistündige Infusion.
Bei der Ansprechrate war die orale Form mit 40,4 % vs. 25,6 % (1,3 % vs.
0,8 % komplette Remissionen) überlegen (p = 0,005). Beim progressionsfreien Überleben war kein signifikanter Vorteil zu sehen (median 9,3 vs. 8,3 Monate;
HR 0,760; p = 0,0773), wohl aber beim Gesamtüberleben (median 27,9 vs.
16,9 Monate (HR 0,684; p = 0,0353).
Die orale Formulierung war insgesamt besser verträglich, mit weniger Fällen von Neuropathien ab Grad 2 (7,6 % vs. 31,1 %) und Grad-2-Alopezie (28,8 % vs. 48,1 %), dagegen mit mehr gastrointestinalen Nebenwirkungen ab Grad 3 (Diarrhö 5,3 % vs. 1,5 %; Übelkeit/Erbrechen 6,8 % vs. 0,7 %). Die orale Gabe von Paclitaxel verbessert damit das klinische Profil des Taxans deutlich und könnte laut den Autoren eine wertvolle neue Option zur Therapie von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom (und vermutlich auch anderen Tumorentitäten) werden.