ASH 2019 Multiples Myelom: neue Ansätze für die rezidivierte/refraktäre Situation
Im Hinblick auf das Multiple Myelom standen beim ASH-Meeting 2019 vor allem Studiendaten zu neuen Substanzen in den späteren, refraktären Therapielinien im Fokus. Diese neuen Therapieansätze könnten in Zukunft dazu beitragen, einen dringenden medizinischen Bedarf zu decken, der besonders bei Patienten mit refraktären Rezidiven besteht.
Schlüsselwörter: Multiples Myelom, Rezidiv, Daratumumab, Pomalidomid, Elotuzumab, CAR-T-Zellen, BiTE, MM
Durch die Einführung von Proteasom-Inhibitoren und Immunmodulatoren haben sich die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten beim Multiplen Myelom in der vergangenen Dekade wesentlich weiterentwickelt, speziell in der ersten Behandlungslinie. Die Erfolgsgeschichte in frühen Therapielinien muss aber weiterhin berücksichtigen, dass das Multiple Myelom eine Erkrankung ist, für die Rezidive typisch sind [1]. Insbesondere Patienten, die nicht mehr auf Proteasom-Inhibitoren und Immunmodulatoren sowie einen Anti-CD38 Antikörper ansprechen, haben eine schlechte Prognose.
Gerade in der refraktären Rezidiv-
situation besteht demnach ein großer Bedarf an neuen wirksamen Behandlungsoptionen [2].
Vermindertes Progressionsrisiko durch Addition von Daratumumab
Der hohe Stellenwert des monoklonalen CD38-Antikörpers Daratumumab in der Rezidivsituation hatte sich bereits in Kombination mit Bortezomib und Dexamethason in der CASTOR-Studie [3] und in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason in der POLLUX-Studie [4] gezeigt. In beiden Studien konnten mehr als eine Verdoppelung der progressionsfreien Überlebenszeit und eine deutliche Verbesserung der Gesamtansprechrate (ORR) durch Addition des Antikörpers erreicht werden [3, 4].
Beim ASH 2019 wurden nun die Daten der Phase-III-Studie CANDOR bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem (r/r) Multiplem Myelom vorgestellt, in der Daratumumab in Kombination Carfilzomib und Dexamethason (KdD) gegenüber Carfilzomib und Dexamethason (Kd) alleine getestet wurde [5]. Wie Saad Z. Usmani, Charlotte, in der Late-Breaking-Sitzung berichtete, wurden 466 Patienten aus 102 Zentren weltweit in die Studie eingeschlossen, von denen 312 mit KdD und 154 mit Kd behandelt wurden. 42,3 bzw. 90,3 % der Patienten hatten zuvor Lenalidomid- und Bortezomib-haltige Regime erhalten, 33 % waren Lenalidomid-refraktär. Primärer Studien-endpunkt war das PFS.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von knapp 17 Monaten war das mediane PFS im KdD-Arm noch nicht erreicht, und lag bei 15,8 Monaten im Kd-Arm (Hazard Ratio (HR) 0,63; p = 0,0014) (Abb. 1).

Der PFS-Vorteil zeigte sich bei den Lenalidomid-exponierten (HR 0,52) ebenso wie bei den Lenalidomid-refraktären Patienten (HR 0,45). Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug 84,3 vs. 74,7 % (p = 0,004) mit 28,5 vs. 10,4 % kompletten Remissionen. Patienten im KdD-Arm erzielten zudem ein tieferes Ansprechen mit einer fast zehnfach höheren Rate an MRD-Negativität nach 12 Monaten (12,5 vs. 1,3 %; p < 0,0001 [5].
Das mediane Gesamtüberleben war in beiden Armen noch nicht erreicht. Die Inzidenz von Nebenwirkungen ≥ Grad 3 war unter der Triplette gegenüber der Doublette leicht erhöht (82,1 vs. 73,9 %), doch lag der Anteil an Patienten, die die Behandlung wegen Nebenwirkungen
abbrachen, in beiden Armen gleichermaßen bei knapp 25 % [5].
Wie Usmani in Orlando betonte, solle die neue Kombination als effektive und verträgliche Therapieoption für Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Myelom in Betracht gezogen werden. Die Daten der CANDOR-Studie gelten als praxisverändernd.
Neben Daratumumab befindet sich mit Isatuximab ein zweiter CD38-Antikörper in der klinischen Entwicklung. Er wird derzeit in der ICARIA-MM-Studie in Kombination mit Pomalidomid und Dexamethason bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Myelom geprüft. Nachdem frühere Auswertungen bereits eine annähernde Verdopplung der progressionsfreien Überlebenszeit durch die Addition von Isatuximab gezeigt hatten (medianes PFS 11,5 vs. 6,5 Monate;
HR 0,596; p = 0,001) [6], wurde beim ASH nun eine Subgruppenanalyse für ältere Patienten präsentiert [7]. Ebenso wie jüngere Patienten oder die Gesamtpopulation der Patienten profitierten auch Patienten ≥ 75 Jahre hinsichtlich des PFS von der Therapie mit Isatuximab/
Pomalidomid/Dexamethason (Isa-Pd) im Vergleich zu Pd (medianes PFS 11,4 vs.
4,5 Monate; HR 0,48). Auch in einer Analyse zur Lebensqualität zeigte sich kein negativer Einfluss von Isatuximab, was die Effektivität dieser Therapie bei guter Verträglichkeit und gut handhabbarem Sicherheitsprofil bestätigt [8].
Effektive Kombinationen auf Pd-Basis
Da der Immunmodulator Lenalidomid beim Myelom zunehmend im Erstliniensetting, aber auch in der Erhaltung nach Transplantation eingesetzt wird, gewinnt insbesondere Pomalidomid als Alternative in der rezidivierten Situation an Bedeutung. Da war es nur konsequent, dass beim ASH aktuelle Daten und Updates zu gleich mehreren Studien mit Pomalidomid-basierten Dreifachkombinationen vorgestellt wurden.
Eine Dreifachkombination auf Basis des Regimes Pomalidomid/Dexamethason (Pd) nutzt den Anti-SLAMF7-Antikörper Elotuzumab (E). Dieser markiert nicht nur Myelomzellen und löst dadurch deren Elimination via Antikörper-abhängiger Zell-vermittelter Zytotoxizität (ADCC) aus, sondern wirkt auch immunstimulierend und in diesem Kontext synergistisch mit Immunmodulatoren wie Pomalidomid. Bereits die Erstauswertung der randomisierten Phase-II-Studie
ELOQUENT-3 hatte einen signifikanten und klinisch relevanten PFS-Vorteil für die Triplette EPd vs. Pd (medianes PFS 19,3 vs. 4,7 Monate) und eine Reduktion des Progressionsrisikos um 46 % (HR 0,54; p = 0,008) bei sehr guter Verträglichkeit ergeben [9]. Die gute Verträg-
lichkeit der Dreifachkombination EPd konnte beim ASH erneut untermauert werden: Eine Analyse der ELOQUENT-3-Studie ergab, dass die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL, explora-tiver Endpunkt), die mittels des Frage-bogens EQ-5D-3L, des myelombezogenen Symptom-Fragebogens (MDASI-MM, Abb. 2) sowie der globalen visuellen Analogskala (VAS) erhoben wurde, durch die Addition von E zu Pd nicht negativ beeinflusst wurde [10].

EPd ist seit August 2019 in der EU in Kombination mit Pomalidomid und niedrig dosiertem Dexamethason zur Behandlung des rezidivierten/refraktären Myeloms nach Vorbehandlung mit Lenalidomid und einem Proteasom-Inhibitor zugelassen.
In der OPTIMISMM-Studie wurde eine andere Kombination, nämlich Bortezomib/Dexamethason mit und
ohne Pomalidomid (PVd vs. Pd) getestet. Dabei hatte sich unter der Triplette ein signifikant verbessertes PFS im Vergleich zur Doublette gezeigt (median 11,2 vs. 7,1 Monate; HR 0,61; p < 0,0001) [11]. Auf dem ASH-Kongress 2019 wurden nun ebenfalls die Subgruppenanalysen bezüglich des Alters sowie vorangegangener Stammzelltransplantationen nach einer Vortherapie vorgestellt [12]. Hier zeigte sich sowohl bei den Patienten unter 65 Jahren als auch bei den älteren Patienten unter der Dreifachkombinationstherapie ein signifikanter Vorteil beim PFS (≤ 65 Jahre: median 22,0 vs. 13,1 Monate, p = 0,0305; > 65 Jahre: median 17,6 vs.
9,9 Monate, p = 0,0348) und Gesamtansprechen (ORR). Der signifikante PFS- und ORR-Vorteil war auch unabhängig davon, ob vorab eine Transplantation durchgeführt worden war oder nicht [12].
Eine Kombinationstherapie mit dem selektiven Exportin-1(XPO1)-Inhibitor Selinexor in Kombination mit Dexamethason hatte bereits im Vorfeld ein Ansprechen von Patienten mit Myelom gezeigt, die refraktär gegenüber allen verfügbaren Therapien waren [13]. Beim ASH wurden Daten der Phase-I/IIb-Studie STOMP präsentiert, in der 48 Patienten mit fortgeschrittenem Myelom erstmals mit der Triplette aus Selinexor, Pomalidomid und Dexamethason behandelt wurden [14]. Die Ergebnisse waren ermutigend: Patienten ohne Pomalidomid-Vorbehandlung (n = 31) zeigten eine ORR von 58 % bei einem medianen PFSvon 12,2 Monaten. Bei Patienten, die refraktär gegenüber Pomalidomid/Lenalidomid waren (n = 13), wurde eine ORR von 31 % bei einem medianen PFS von 4,2 Monaten dokumentiert. Allerdings ist die Wirksamkeit von Selinexor mit häufigen gastrointestinalen Nebenwirkungen assoziiert, etwa Übelkeit Grad 1/2 (56 % der Patienten) und Gewichtsverlust Grad 1/2 bei 33 % [14]. Es kann noch nicht beurteilt werden, ob und in welchem Maße diese unerwünschten Effekte den Einsatz des Medikaments einschränken werden.