ASH 2019 CLL: Chemotherapiefreie Kombinationstherapien weiter auf dem Vormarsch
Wenn es um die Entwicklung und Zulassung neuer Medikamente geht, ist die chronische lymphatische Leukämie (CLL) derzeit die hämatologische Erkrankung mit der größten Dynamik, wenngleich die „Revolutionsphase“ der vergangenen Jahre nun eher in eine Evolutionsphase übergegangen ist. Der Trend, dass klassische Immunchemotherapien durch zielgerichtete, chemotherapiefreie Kombinationsbehandlungen ersetzt werden, ist jedoch ungebrochen.
Schlüsselwörter: chronische lymphatische Leukämie, Ibrutinib, Acalabrutinib, Zanubrutinib, Obinutuzumab, Venetoclax, CLL
In der Primärtherapie der CLL deutet sich an, dass die Chemoimmuntherapie zukünftig nur noch bei IGHV-mutierter CLL eine Rolle spielen wird. Ein Update der E1912-Studie, die die Kombination aus dem Bruton-Tyrosinkinase(BTK)-Inhibitor Ibrutinib plus Rituximab (IR) mit dem Chemotherapieregime FCR (Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab) vergleicht, ergab in der Patienten-Gesamtpopulation trotz hoherAbbruchquote unter Ibrutinib von 28 % in 4 Jahren zwar weiterhin eine Überlegenheit der chemotherapiefreien Kombination hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS), doch gilt das nicht für Patienten mit IGHV-Mutation. Wie eine beim ASH 2019 präsentierte Subgruppenanalyse der E1912-Studie zeigt, war IR bei IGHV-unmutierten Patienten dem FCR-Regime signifikant überlegen (HR 0,28; p < 0,0001), während der Unterschied bei Patienten mit IGHV-Mutation nicht signifikant war (HR 0,42; p = 0,086) [1].
In einer weiteren Erstlinienstudie (ELEVATE TN) wurden Daten zum Zweitgenerations-BTK-Inhibitor Acala-brutinib vorgestellt. In der dreiarmigen Studie wurde Acalabrutinib kombiniert mit dem Anti-CD20-Antikörper Obinutuzumab mit einer Acalabrutinib-Monotherapie und Obinutuzumab/Chlorambucil verglichen. Hinsichtlich des primären Endpunkts PFS zeigte sich nach einem medianen Follow-up von 28,3 Monaten eine signifikante Überlegenheit von Acalabrutinib/Obinutuzumab gegenüber Obinutuzumab/Chlorambucil (HR 0,10; p < 0,0001), wobei der Vorteil alle untersuchten Patientensubgruppen betraf und sich auch in einem verbesserten OS widerspiegelte (HR 0,47; p = 0,058) [2]. Zusammen mit den Daten der ASCEND-Studie, in der Acalabrutinib im Vergleich zu Bendamustin/Rituximab (BR) oder Idelalisib/Rituximab eine signifikante Verbesserung des PFS bewirkt hatte [3], führte die ELEVATE-TN-Studie im November 2019 zur Zulassung von Acala-brutinib in den USA. Die Substanz wird in Studien der Deutschen CLL-Studiengruppe (DCLLSG) künftig als Monotherapie bei gebrechlichen Patienten ab 80 Jahren (FRAIL-Studie) und bereits jetzt in der BAAG-Studie in Kombination mit Obinutuzumab und dem BCL2-Inhibitor Venetoclax im Rezidiv getestet.
Erfolgreiche Kombination
Die offene randomisierte Phase-III-Studie CLL-14 der DCLLSG vergleicht bei 432 unbehandelten CLL-Patienten mit relevanten Komorbiditäten die Kombi-nation Venetoclax/Obinutuzumab mit Chlorambucil/Obinutuzumab. Entscheidend ist, dass es sich um eine auf 12 Zy-klen bzw. 10,5 Monate begrenzte Therapie handelt. Bereits nach einem medianen Follow-up von knapp 30 Monaten hatte sich eine Gesamtansprechrate (ORR) von rund 85 % unter Venetoclax/Obinutuzumab versus 71 % unter Chlorambucil/Obinutuzumab gezeigt (p = 0,001), wobei unter Venetoclax/Obinutuzumab die Rate an kompletten Remissionen, ermittelt durch Knochenmarkpunktion, gegenüber Chlorambucil/Obinutuzumab verdoppelt wurde (49,5 vs. 23,1 %) [4]. Nach einem Follow-up von knapp 40 Monaten wurde ein um rund 70 % vermindertes Progressionsrisiko unter Venetoclax/Obinutuzumab gegenüber der Vergleichstherapie dokumentiert (HR für das PFS 0,31; p < 0,0001) [5]. Von der neuen Kombination profitierten auch Patienten mit 17p-Deletion, wenn auch in schwächerem Umfang als die Gesamtpopulation. Eine Analyse zur minimalen Resterkrankung (MRD) zeigte weiterhin eine hohe Rate an MRD-Negativität (< 10-4) unter Venetoclax/Obinutuzumab und bestätigte, dass die MRD-Rate als Surrogatmarker für das PFS dienen kann [5]. In den USA ist die Kombination bereits in der Erstlinie bei CLL und Kleinzelligem B-Zell-Lymphom (SLL) zugelassen.
Rezidiv: Venetoclax/Rituximab auch im Langzeitverlauf gut wirksam
Auch zur Rezidivtherapie der CLL wurden beim ASH wichtige Daten präsentiert. So bestätigten die 4-Jahres-Daten der Phase-III-Studie MURANO den bereits in der Erstanalyse nach median 24 Monaten beobachteten klinische Nutzen einer Kombinationsbehandlung mit Venetoclax/Rituximab (VenR) [7] auch im Langzeitverlauf [8]. Die laufende Studie vergleicht die Wirksamkeit und Sicherheit von VenR und BR bei Patienten mit rezidivierter/refraktärer CLL. Die Daten der Erstanalyse nach 2 Jahren Nachbeobachtung hatten aufgrund der signifikanten Überlegenheit des auf 2 Jahre begrenzten chemotherapiefreien Regimes zur Zulassungserweiterung von Venetoclax kombiniert mit Rituximab geführt.
Die Raten für PFS und OS blieben im VenR-Behandlungsarm im Gegensatz zum BR-Behandlungsarm auch im Langzeitverlauf stabil. Die geschätzte 48-Monats-Rate für das PFS betrug für VenR-Patienten 57,3 % gegenüber 4,6 % für BR-Patienten mit einer Reduktion des Progressionsrisikos um 81 % (HR 0,19; p < 0,0001) [8]. Nach 4 Jahren sind geschätzt also immer noch über die Hälfte der Patienten unter VenR ohne Progress.
Auch für CLL-Patienten, die resistent gegen übliche Therapien sind, gab es ermutigende Daten: Bei Patienten mit Ibrutinib-resistenter CLL konnte durch Einsatz von LOXO-305, einen hoch-selektiven, nicht kovalent bindenden BTK-Inhibitor der nächsten Generation, die Resistenzmutation BTK-481 überwunden werden [9]. Als zukünftige Option nach Versagen einer BTK- und BCL2-Inhibitor-Therapie werden außerdem CAR-T-Zelltherapien geprüft.