ASH 2019 Maligne Lymphome

Antikörper-Toxin-Konjugate, Checkpoint-Inhibitoren oder neue zielgerichtete Substanzen: Ihnen scheint die Zukunft in der Lymphom-Therapie zu gehören – die Chemotherapie wird immer mehr zurückgedrängt. Das ist zum wiederholten Mal ein Fazit, das man aus den Ergebnissen ziehen kann, die bei der Jahrestagung der American Society of Hematology in Orlando, Florida, präsentiert wurden. Und diese Entwicklung ist bei so gut wie allen Entitäten zu beobachten.

Schlüsselwörter: Lymphome, Checkpoint-Inhibition, CAR-T-Zellen, periphere T-Zell-Lymphome, bispezifische Antikörper, Brentuximab Vedotin, Mosunetuzumab, Ibrutinib, Rituximab, Rixathon, Obinutuzumab, Nivolumab, Hodgin-Lymphom, HL, Non-Hodgkin-Lymphom, NHL, Mantelzell-Lymphom, T-Zell-Lymphom

Hodgkin-Lymphom

PD-1-Inhibition in Erstlinie wirksam

Das Hodgkin-Lymphom gehört zu den Tumoren mit besonders hoher Expression des Immuncheckpoint-Moleküls PD-L1 und deshalb hoher Empfindlichkeit gegenüber den PD-1-Immuncheckpoint-Inhibitoren Nivolumab und Pem-brolizumab. Diese sind beim rezidivierten oder refraktären (r/r) klassischen Hodgkin-Lymphom nach autologer Stammzelltransplantation und Behandlung mit Brentuximab Vedotin zugelassen und bewirken in dieser Situation hohe Ansprechraten. Komplettremissionen sind jedoch selten, und die meisten Patienten werden irgendwann wieder progredient.
Deshalb wird dieser Therapieansatz derzeit in der Erstlinie getestet, beispielsweise in der randomisierten Phase-II-Studie NIVAHL der Deutschen Hodgkin-Studiengruppe (GHSG).
Die Patienten mit frühem Hodgkin-Lymphom und ungünstiger Prognose erhielten den Checkpoint-Inhibitor in Kombination mit einer Chemotherapie aus Doxorubicin, Vinblastin und Dacarbazin (AVD), in Kohorte A (n = 55) gleichzeitig über 4 Zyklen (NivoAVD), während in Kohorte B (n = 54) zunächst viermal alle 2 Wochen Nivolumab und darauf folgend 2 Zyklen NivoAVD sowie 2 weitere Zyklen AVD gegeben wurden, so Paul Jan Bröckelmann, Köln [1]. Bei anschließender Bestrahlung der betroffenen Lymphknotenläsionen war die Therapie gut verträglich und sehr effektiv, mit einer Gesamtansprechrate nach Ende der Nivolumab-Behandlung von 100 % (Kohorte A) bzw. 96 % (Kohorte B) und mit Komplettremissionsraten von 85 % bzw. 53 %. Nach Ende der gesamten systemischen Therapie lagen die Komplettremissionsraten bei 81 % bzw. 86 %, nach Ende der gesamten Behandlung (inkl. Bestrahlung) bei 90 % bzw. 94 %. Die progressionsfreien Überlebensraten nach median 12 Monaten betrugen 100 % bzw. 98 %.  
Die Krankheitskontrolle mit diesem Regime scheint also wirksamer zu sein als mit den bisherigen Standards ABVD bzw. „2 + 2“ (je 2 Zyklen BEACOPPeskaliert bzw. ABVD), so Bröckelmann. Bei ausgewählten Patienten könne man sogar diskutieren, ob ein negatives PET zu einem frühen Zeitpunkt gestatten würde, die Behandlung auf eine Monotherapie mit PD-1-Inhibitoren zu beschränken.

Checkpoint-Inhibition als effektive Salvagetherapie

Beim r/r Hodgkin-Lymphom wird standardmäßig eine Salvage-Chemotherapie und nachfolgend eine autologe Stammzelltransplantation verabreicht. Weitere Optionen in dieser Situation sind das Antikörper-Toxin-Konjugat Brentuximab Vedotin sowie der Checkpoint-Inhibitor Nivolumab. Die Kombination dieser beiden Substanzen als erste Salvagetherapie und als Bridging-Möglichkeit zur Transplantation hat hohe Ansprechraten und ein langes progressionsfreies Überleben gezeitigt, ist aber bislang nicht zugelassen. Außerdem wurde die Zu-lassung von Brentuximab Vedotin auf die Erstlinie erweitert, sodass eine multizentrische US-amerikanische Phase-II-Studie nun die Rolle von Nivolumab als Salvage-Monotherapie untersuchte [2].
Bisher 43 Patienten erhielten laut Matthew Mei, Duarte, sechsmal im zweiwöchigen Abstand den Checkpoint-Inhibitor (3 mg/kg); nach 3 und nach 6 Dosen wurde ein PET/CT und bei einer Komplettremission nach 6 Zyklen eine auto-loge Stammzelltransplantation durch-geführt; die übrigen Patienten erhielten 2 Zyklen Nivolumab in Kombination mit Ifosfamid, Carboplatin und Etoposid (NICE) und wurden danach bei Erreichen einer partiellen oder kompletten Remission transplantiert. Primärer Endpunkt war die Komplettremissionsrate, die bei 70 % der Patienten bereits mit Nivolumab alleine erreicht wurde; nur neun Patienten mussten die Chemotherapie erhalten. Nach Ende der vollständigen Therapie (inkl. Transplantation) waren 37 von 41 auswertbaren Patienten in Remission (90 %), 36 (88 %) in kompletter. Die Therapie war gut verträglich, so Mei, nur drei Patienten mussten den Checkpoint-Inhibitor wegen Nebenwirkungen absetzen. Nach median einem Jahr liegt die progressionsfreie 1-Jahres-Überlebensrate bei beeindruckenden 74 %.
Die Salvagetherapie mit Nivolumab stellt also, gegebenenfalls ergänzt durch eine zusätzliche Chemotherapie, eine effektive und gut verträgliche Salvagetherapie und Bridging-Option zur autologen Stammzelltransplantation dar.

Indolente Non-Hodgkin-Lymphome

Molekulare Marker, Chemotherapie

Das follikuläre Lymphom (FL) wird in der Erstlinie normalerweise mit einer Chemoimmuntherapie behandelt. Welche Chemotherapie für den einzelnen Patienten die optimale ist, lässt sich möglicherweise durch molekulargenetische Marker herausfinden.
Der FLIPI (Follicular Lymphoma International Prognostic Index) war über lange Jahre das wichtigste klinische Werkzeug für die Prognoseabschätzung beim FL. In die an der Universität München entwickelte erweiterte Version m7-FLIPI gehen zusätzlich der ECOG-Performancestatus und der Mutationsstatus von 7 Genen (EZH2, ARID1A, MEF2B, EP300, FOXO1, CREBBP und CARD11) ein [3]. Damit lässt sich die Risikostratifizierung von Patienten mit fortgeschrittenem FL unter einer Erstlinien-Immunchemotherapie deutlich präzisieren. Entwickelt wurde der m7-FLIPI an Kohorten von Patienten, die R-CHOP bzw. R-CVP erhalten hatten; im Kollektiv der Studie GALLIUM wurde er nun an Patienten überprüft, die als CD20-Antikörper Rituximab oder Obinutuzumab und als Chemotherapien CHOP, CVP oder Bendamustin bekommen hatten [4].
Laut Vindi Jurinovic, München, war eine Hochrisiko-Klassifizierung nach m7-FLIPI tatsächlich signifikant mit einem kürzeren progressionsfreien Überleben assoziiert (HR 1,52; p = 0,030), signifikant allerdings nur für Patienten, die Rituximab (HR 1,67; p = 0,037), nicht hingegen für die, die Obinutuzumab erhalten hatten (HR 1,24; p = 0,49; [5]). Auch bei den Chemotherapien CHOP und CVP übertraf der m7-FLIPI den klassischen FLIPI bezüglich seiner Vorhersagegenauigkeit deutlich (HR 2,05;
p = 0,013), nicht aber bei Bendamustin-basierter Therapie (HR 1,23; p = 0,42).
Ausschlaggebend von den im m7-FLIPI berücksichtigten Mutationen sind vor allem solche im EZH2-Gen: Sie verlängerten unter CHOP oder CVP deutlich das progressionsfreie Überleben (HR 0,25; p = 0,0036), nicht aber unter Bendamustin (HR 1,11; p = 0,71). Für Patienten ohne EZH2-Mutation war daher Bendamustin den anderen Chemotherapien überlegen (HR 0,55), für solche mit Mutation unterlegen (HR 2,42), und zwar mit beiden Antikörpern. Sollte sich dies bestätigen, könnte der Nachweis einer EZH2-Mutation als Biomarker hilfreich bei der Wahl der Chemotherapie beim neu diagnostizierten FL sein.

Chemotherapie-frei in der Erstlinie?

Auch beim FL versucht man, auf Chemotherapien zu verzichten. Lenalidomid kann die Hemmung von T-Lymphozyten und natürlichen Killerzellen durch das immunsuppressive Microenvironment des FL aufheben, aktuell wurde die Kombination von Rituximab und Lenalidomid für rezidivierte FL zugelassen.
Im Rezidiv ist die Kombination aus Obinutuzumab und dem Immunmodulator Lenalidomid wirksam und gut verträglich [6], und in einer Phase-II-Studie am M.D. Anderson Cancer Center in Houston wurde sie daher auch bei neu diagnostizierten Patienten mit hoher Tumorlast getestet [7]. Obinutuzumab wurde bei den 90 unbehandelten Patienten über zweieinhalb Jahre gegeben, Lena-lidomid für die ersten 6 Monate mit 20 mg/Tag für 3 von 4 Wochen und je nach Qualität des Ansprechens in der Dosierung reduziert. Die progressionsfreie 2-Jahres-Überlebensrate, so Loretta Nastoupil, Houston, lag bei 96 %, d. h. nur zwei Patienten waren bis zu diesem Zeitpunkt progredient. Nach 4 Zyklen lag die Gesamtansprechrate bei 98 %, die Komplettremissionsrate bei 2 %. Die Verträglichkeit war gut, und die offensichtlich sehr gute Wirksamkeit rechtfertige eine weitere Überprüfung des Regimes beim neu diagnostizierten FL, so Nastoupil.

Mantelzell-Lymphom

Ibrutinib und Rituximab beim indolenten Mantelzell-Lymphom

Aggressivität und Prognose sind beim Mantelzell-Lymphom sehr uneinheitlich: Bisher 40 Patienten mit sehr indolenter Erkrankung, so Eva Gine, Barcelona, wurden in die Phase-II-Studie ICML-2015 der spanischen Lymphom-Studiengruppe GELTAMO eingeschlossen [8]. Ihnen sollte die übliche Chemotherapie erspart und durch eine Erstlinientherapie aus dem BTK-Inhibitor Ibrutinib und dem CD20-Antikörper Rituximab ersetzt werden. Als indolent galt hier eine Erkrankung ohne Lymphom-bedingte Symptome, mit einem ECOG-Performancestatus von 0–1, mindestens dreimonatiger Therapiefreiheit, nicht-blastoider Histologie, Ki-67-Titern von unter 30 % und einem Durchmesser der größten Läsion von nicht mehr als 3 cm. Leukämische und nodale Formen waren zugelassen.
Die Patienten erhielten täglich 560 mg Ibrutinib und insgesamt 8 Dosen Rituximab (je 375 mg/m2), die ersten 4 im Wochen- und die übrigen im zweimonatigen Abstand. Nach 2 Jahren konnte auch die Ibrutinib-Behandlung bei Patienten beendet werden, die mindestens für 6 Monate keine minimale Resterkrankung (MRD) mehr aufgewiesen hatten. Von 33 Patienten, die bislang 12 Zyklen erhalten hatten, war die Behandlung bei zweien wegen Toxizität beendet worden. 27 (82 %) erreichten eine Remission, die bei 25 (75 %) komplett war. Von 23 Patienten, bei denen nach 12 Zyklen MRD-Messungen stattfanden, waren diese in 20 Fällen negativ. Nur bei einem dieser 13 Patienten, die bis zum 24. Zyklus behandelt worden waren, war wieder eine MRD aufgetreten. Neun der zwölf übrigen konnten daher die Ibrutinib-Behandlung protokollgemäß beenden, bei dreien war der Inhibitor bereits früher wegen Intoleranz abgesetzt worden.
Alle beobachteten Remissionen hielten nach median 25 Monaten noch an. Insgesamt, so Gine, lebten nach 15 Monaten 96 % der Patienten noch progressionsfrei. Die Kombination aus Ibrutinib und Rituximab zeigte damit selbst für diese indolenten Erkrankungen außerordentlich hohe Wirksamkeit, mit anhaltender MRD-Negativität in den meisten Fällen und vorhersagbarem Toxizitätsprofil.

CAR-T-Zellen erfolgreich

Die Prognose von Patienten mit Ibrutinib-refraktärem Mantelzell-Lymphom ist mit einer medianen Überlebenszeit von etwa 5,8 Monaten ähnlich schlecht wie beim r/r diffus-großzelligen B-Zell-Lymphom (r/r DLBCL); eine allogene Stammzelltransplantation ist nur selten eine Option [9]. CAR-T-Zellen mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) gegen das auf B-Zell-Lymphomen exprimierte CD19-Antigen sind beim r/r DLBCL zugelassen und werden nun auch beim Mantelzell-Lymphom erprobt. Die bisher 28 Patienten mit r/r Mantelzell-Lymphom in der Phase-II-Studie ZUMA-2 hatten ein Maximum von fünf Vortherapien erhalten; darunter mussten eine Chemotherapie, ein CD20-Antikörper und ein BTK-Inhibitor sein. Sie erhielten autologe CAR-T-Zellen mit einem Gen für einen Anti-CD19-Rezeptor (KTE-X19;[10]), das dem für das DLBCL zugelassenen Axi-cabtagen Ciloleucel ähnelt, so Michael Wang, Houston; allerdings umfasst die Herstellung der Zellen einen weiteren Aufreinigungsschritt für Lymphozyten.
Bei einer Gesamtansprechrate von 86 % mit 57 % Komplettremissionen sind drei Viertel der Responder und 64 % aller behandelten Patienten in anhaltender Remission. Die 1-Jahres-Raten für Ansprechdauer, progressionsfreies und Gesamtüberleben liegen bei 83 %, 71 % und 86 %. Zur Erinnerung: Unter konventioneller Salvagetherapie ist nach einem halben Jahr nur noch die Hälfte der Patienten am Leben. Die Therapie war gut verträglich, Zytokin-Release-Syndrome und Neurotoxizitäten vom Grad 3 oder 4 waren nicht sehr häufig und fast immer reversibel. Todesfälle gab es nicht, sodass der klinische Nutzen der Therapie in dieser Situation offensichtlich ist.

Aggressive NHL

CAR-T-Zellen beim DLBCL: auch in der Praxis hocheffektiv

CAR-T-Zellen haben die Behandlung von Patienten mit weit fortgeschrittenen hämatologischen Malignomen revolutioniert. Zur Behandlung des r/r DLBCL sind bislang 2 solche Zellsysteme zugelassen, deren CARs CD19 erkennen. In Orlando wurden zu beiden Präparaten Real-World-Daten gezeigt.
So zeigen 47 Patienten aus 26 US-amerikanischen Zentren, die Tisagenlecleucel erhalten hatten, nach median 5,8 Monaten eine Ansprechrate von 59,6 %, darunter 38,3 % komplette Remissionen. Zytokin-Release-Syndrome und neurologische Nebenwirkungen ab Grad 3 traten bei jeweils 4,3 % der Patienten auf. 14 Todesfälle (29,8 %) waren ausschließlich durch die fortschreitende Grunderkrankung bedingt. Die Wirksamkeit war vergleichbar mit der in der Zulassungsstudie JULIET.
In einer weiteren Studie wurden die Real-World-Ergebnisse aus 8 US-amerikanischen Zentren mit den beiden zugelassenen Zellprodukten  Tisagenlecleucel (n = 79) und Axicabtagen Ciloleucel (n = 163) verglichen [11]. Die Wirksamkeit war für beide Präparate mit 44 % gegenüber 43 % Komplettremissionen am Tag 30 vergleichbar.
Eine weitere Real-World-Studie nutzt Daten zur Anwendung von Axicabtagen Ciloleucel, die beim Center for International Bone and Marrow Transplant (CIBMTR) gesammelt werden [12]. Bis zu 1.500 Patienten sollen eingeschlossen werden; in Orlando wurden Daten von 533 Patienten aus 43 US-amerikanischen Zentren vorgestellt, bei denen wenigstens die erste Nachuntersuchung nach 3 Monaten durchgeführt worden war. Die Remissionsrate lag für alle Patienten bei 74 %, bei denen, die mindestens 6 Monate nachbeobachtet worden waren, bei 84 %; auch Komplettremissionen nahmen über die Zeit weiter zu. Über 65-jährige Patienten schnitten tendenziell etwas besser ab als die jüngeren, aber die Unterschiede waren nicht signifikant. Ähnliches galt für die wichtigsten Toxizitäten Zytokin-Release-Syndrom und neurologische Nebenwirkungen. Von den 150 Patienten, die bisher verstorben sind, war die Todesursache in drei Viertel der Fälle die Grunderkrankung. Fünf Patienten starben an Neurotoxizitäten, vier hatten an einem Zytokin-Release-Syndrom und gleichzeitig an einem Rezidiv ihres
Lymphoms gelitten, und in drei Fällen waren Blutungen die Todesursache.

Vergleich legt Überlegenheit nahe

Da es zur Therapie mit CAR-T-Zellen keine randomisierten Studien gibt, wurden die Daten der Phase-II-Zulassungsstudie ZUMA-1 für Axicabtagen Ciloleucel mit denen der SCHOLAR-1-Studie verglichen, der größten retrospektiven Analyse zur Prognose von Patienten mit refraktärem DLBCL, die bis dato verfügbare Salvagetherapien erhalten hatten [13, 14]. Zum Ansprechen gab es Daten von 508, zum Gesamtüberleben von 497 Patienten, in ZUMA-1 hatten 101 Patienten Axicabtagen Ciloleucel erhalten.
Obwohl die ZUMA-1-Patienten erheblich stärker vorbehandelt waren, waren die Gesamtansprechrate (72 %) und Komplettremissionsrate (54 %) deutlich besser als in SCHOLAR-1 mit 22 % bzw. 7 % (Odds Ratio 7,2 bzw. 11,5; p < 0,0001 für beide Vergleiche). Auch das Gesamtüberleben war in der ZUMA-1-Studie mit einer 2-Jahres-Rate von 50 % viermal höher als in SCHOLAR-1 (12 %; HR 0,27; p < 0,0001). Auch wenn es sich nur um eine retrospektive Analyse zweier völlig unabhängiger Studien handelt, bestätigt der deutliche Unterschied die bisherigen Befunde, wonach CAR-T-Zellen beim refraktären DLBCL allen bisherigen Salvage-Regimes überlegen sind.

Früh Steroide, weniger Toxizitäten

In den Kohorten 1 und 2 der Studie ZUMA-1, die für die Zulassung von Axicabtagen Ciloleucel maßgeblich waren, wurden eine Ansprechrate von 83 % und eine Komplettremissionsrate von 58 % erzielt, wobei bei 11 % der Patienten ein Zytokin-Release-Syndrom und bei 32 % neurologische Ereignisse ab Grad 3 registriert wurden [15]. In einer weiteren Kohorte 4 wurden bei ersten niedriggradigen Anzeichen für diese CAR-T-Zell-typischen Nebenwirkungen Kortikosteroide verabreicht, um ein Fortschreiten  zu verhindern [16]. Außerdem war in dieser Kohorte im Gegensatz zu den anderen eine Bridging-Therapie vor der Verabreichung der CAR-T-Zellen erlaubt.

Die 41 Patienten erhielten laut Protokoll Steroide bereits bei neurologischen Nebenwirkungen vom Grad 1 und bei einem Zytokin-Release-Syndrom vom Grad 1, das sich nach 3 Tagen supportiver Maßnahmen nicht gebessert hatte. Bei vergleichender Betrachtung bekamen erwartungsgemäß mehr Patienten in Kohorte 4 Steroide (73 % vs. 27 %) und den Interleukin-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab (76 % vs. 43 %) als in den Kohorten 1 und 2. Die kumulative Dosis an Steroiden war jedoch in Kohorte 4 deutlich geringer, und außerdem wurden hier erheblich weniger Zytokin-Release-Syndrome (2 % vs. 13 %) und Neurotoxizitäten vom Grad ≥ 3 (17 % vs. 28 %) regis-triert als in den beiden anderen Kohorten. Die Gesamtansprechrate lag in Kohorte 4 bei 73 % mit 51 % Komplettremissionen; bei 54 % der Patienten konnte die Remission über mindestens 6 Monate aufrechterhalten werden. In den Kohorten 1 und 2 war das zum gleichen Zeitpunkt nach Therapie bei 44 % der Patienten der Fall gewesen. Wenn die initiale Tumorlast statistisch berücksichtigt wurde, war die Effektivität in beiden Populationen vergleichbar. Das Gleiche galt in einer
exploratorischen Analyse für die Dauer des Ansprechens (Kohorte 4: median 8,9 Monate, Kohorten 1 + 2 median 8,1 Monate, Abb. 1) sowie das progressionsfreie Überleben und die Kinetik der CAR-T-Zellen, wenn diese auf die initiale Tumorlast bezogen wurde.

Biomarker, die mit neurologischen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht werden – wie Ferritin- und Interleukin-2-Konzentrationen – schienen in Kohorte 4 niedriger zu sein. Es scheint also, dass man durch frühen Steroid-Einsatz das Risiko für höhergradige Zytokin-Release-Syndrome und neurologische Toxizitäten vermindern kann, ohne die Effektivität der CAR-T-Zell-Therapie zu beeinträchtigen.

Was kommt nach den CAR-T-Zellen?

Auch nach Behandlung mit CAR-T-Zellen gibt es Patienten, deren Erkrankung rezidiviert oder refraktär wird. Ein bispezifischer Antikörper, der zytotoxische T-Zellen und Lymphomzellen gezielt in Kontakt miteinander bringt, könnte hier Abhilfe schaffen: Mosunetuzumab bindet sowohl an das CD3-Antigen auf zytotoxischen T-Lymphozyten als auch an das CD20-Antigen auf den Zellen von B-Zell-Lymphomen. Durch den engen räumlichen Kontakt können die aktivierten T-Zellen eine direkte und starke zytotoxische Wirkung auf die Lymphomzellen ausüben. Im Gegensatz zu CAR-T-Zellen hat der Antikörper den Vorteil, dass er nicht individualspezifisch zubereitet werden muss und ohne Verzögerung sofort gegeben werden kann.
In einer großen Phase-I/Ib-Studie, die Stephen Schuster, Philadelphia, in der Plenarsitzung des ASH-Kongresses vorstellte [17], erhielten bisher 270 Patienten mit rezidivierten oder refraktären Non-Hodgkin-Lymphomen Mosunetuzumab. Der Fokus der Präsentation lag auf den 30 Patienten, die zuvor bereits CAR-T-Zellen erhalten hatten – 17 mit diffus-großzelligem B-Zell-, acht mit transformiertem follikulärem und fünf mit anderweitig nicht mehr therapierbaren follikulären Lymphomen. Sie hatten vorher im Me-dian 5 (max. 14) Therapielinien erhalten. Die Mehrzahl war refraktär gegen Anti-CD20-Therapien (96,7 %), gegen die letzte vorherige Therapielinie (83,3 %) bzw. gegen CAR-T-Zellen (73,3 %).
Insgesamt 37,1 % der Patienten mit aggressiven und 62,7 % mit indolenten Non-Hodgkin-Lymphomen sprachen an, davon 19,4 % bzw. 43,3 % mit einer Komplettremission; bei den mit CAR-T-Zellen vorbehandelten Patienten waren es über alle Histologien hinweg 38,9 % (22,2 % Komplettremissionen). Die Komplettremissionen können darüber hinaus dauerhaft sein: Von 24 Komplettremissionen bei aggressiven Lymphomen dauern 17 (70,8 %) bis zu mindestens 16 Monate an, von 29 bei indolenten Lymphomen 24 (82,8 %) bis zu 26 Monate lang. Auch eine Re-Exposition ist möglich: Von vier Patienten, die nach Mosunetuzumab rezidiviert waren, sprachen drei wieder darauf an, einer sogar mit einer kompletten Remission. Während der wiederholten Behandlung kam es in keinem Fall zu einem Zytokin-Release-Syndrom. Bei einem Patienten, so Schuster, der nach vier Zyklen Mosunetuzumab residuelle, CD20-negative Läsionen aufwies, konnte mit einer anschließenden, gegen CD19 gerichteten CAR-T-Zelltherapie eine komplette Remission erzielt werden.
Zytokin-Release-Syndrome wurden bei etwa jedem vierten Patienten gesehen, die meisten davon (20 %) vom Grad 1 und nur eines vom Grad 3. Neurologische Toxizitäten waren häufiger (43,3 %), aber auch nur in einem Fall von Grad 3. Mosunetuzumab, so Schuster, zeigt damit ein vielversprechendes Nutzen-Risiko-Profil mit einem für dieses stark vorbehandelte Kollektiv eindrucksvollen Anteil an Komplettremissionen, der unabhängig von der Vorbehandlung war. Studien mit Mosunetuzumab als Monotherapie ebenso wie in Kombinationen laufen derzeit, auch bei nicht vorbehandelten Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen.