ASH 2019 Chronische myeloische Leukämie: auf dem Weg zur therapiefreien Remission

Der hohe Anteil der CML-Patienten mit Erreichen einer tiefen molekularen Remission hat eine neue Phase der ziel-gerichteten Therapie der Philadelphia-Chromosom-positiven (Ph+) chronischen myeloischen Leukämie (CML) ein-geläutet. Auch durch die Einführung von neuen Substanzen sind in der Erstlinie tiefe molekulare Remissionen möglich, die die Chance eröffnen, die TKI-Therapie abzusetzen und damit eine therapiefreie Remission zu erreichen. Wie aktualisierte, beim ASH vorgestellte Studiendaten zeigen, kann durch Ergänzung der TKI-Therapie mit pegyliertem Interferon alpha 2b (PEG-IFNα) noch schneller und häufiger ein tiefes molekulares Ansprechen – Voraussetzung für ein späteres Absetzen des TKI – erreicht werden als mit einer Nilotinib-Monotherapie. Weitere beim ASH präsentierte Studiendaten widmeten sich auch späteren Therapielinien bei der CML.

Schlüsselwörter: chronische myeloische Leukämie, CML, Nilotinib, pegyliertes Interferon, Bosutinib, Dasatinib, Ponatinib

Für die Erstlinienbehandlung der CML stehen neben dem Erstgenerations-TKI Imatinib die Zweitgenerations-TKI Nilotinib, Dasatinib und Bosutinib zur Verfügung, die Phase-III-Studien zufolge im Vergleich zu Imatinib eine schnellere und tiefere Remission induzieren [1–3]. Für Nilotinib und Dasatinib konnte auch im Langzeitverlauf gegenüber Imatinib eine erhöhte Rate an molekularen Remissionen, ein reduziertes Risiko für eine CML-Progression in akzelerierte Phasen und/oder Blastenkrise sowie ein vermindertes Risiko für CML-assoziierte Mortalität gezeigt werden [1, 2].

Beim ASH-Kongress 2019 stellte Andreas Hochhaus, Jena, aktualisierte Daten der Phase-III-Studie TIGER vor. Diese vergleicht bei 717 Patienten mit Ph+ CML in der chronischen Phase die Erstlinienbehandlung mit Nilotinib kombiniert mit pegIFNα randomisiert mit einer Nilo-tinib-Monotherapie, wobei auf die Induktionsphase bei Erreichen einer MMR (≤ 0,1 % BCR-ABLIS) jeweils eine mindestens 24-monatige Erhaltungstherapie mit Nilotinib (Monotherapiegruppe) oder pegIFNα (Kombinationsgruppe) folgt. Wird eine über mindestens 12 Monate anhaltende MR4 (< 0,01 % BCR-ABLIS) erreicht, ist in beiden Armen ein Absetzversuch vorgesehen. Koprimäre Endpunkte der Studie sind die MMR-Rate nach 18 Monaten sowie die Möglichkeit des Absetzens bei stabiler MR4 nach den jeweiligen Erhaltungstherapien, wichtige sekundäre Endpunkte umfassten das Erreichen einer MR4 (< 0,01% BCR-ABLIS) oder MR4,5  < 0,0032 % BCR-ABLIS) während der Erhaltung und nach Absetzen der Medikationen. Die mediane Beobachtungszeit seit der Rekrutierung betrug bei der beim ASH vorgestellten Analyse 44,6 Monate. 225 Patienten hatten bereits alle Medikationen abgesetzt und eine therapiefreie Remission (TFR) erreicht [4].

Schnellere und tiefere Remissionen

Wie Hochhaus in Orlando berichtete, unterschieden sich die Ergebnisse zum primären Endpunkt MMR nach 18 Monaten nicht statistisch signifikant (81,9 % Nilotinib mono und 86,5 % für Nilotinib/pegIFNα, p = 0,13), wohl aber führte die Therapieintensivierung mit PEG-IFNα im Vergleich zur Nilotinib-Monotherapie zu einer signifikant höheren Rate an MR4 (49,0 % vs. 39,2 %; p = 0,022) und MR4,5 (32,6 % vs. 23,1 %; p = 0,0097) (Tab. 1) [4]. 

Darüber hinaus erreichten die Patienten unter der Kombination deutlich früher ein tiefes molekulares Ansprechen (mediane Zeit bis zum Erreichen einer MR4 21,0 Monate unter Nilotinib mono vs. 12,0 Monate unter der Kombination).
Bislang gibt es Hinweise darauf, dass  die gute TFR-Rate längerfristig bestehen bleibt, doch ist diesbezüglich noch kein abschließendes Urteil möglich. Wie in anderen Studien zuvor erwies sich auch in der TIGER-Studie ein frühes molekulares Ansprechen nach 3 Monaten als prädiktiv für das spätere Erreichen einer MMR [1].
Hinsichtlich der dokumentierten Nebenwirkungen aller Grade unterschieden sich die Nilotinib-Monotherapie und die Kombination nicht relevant, aber unter der Kombination waren Nebenwirkungen ab Grad 3 häufiger, speziell ein Anstieg der Alanin-Aminotransferase (ALAT) und eine Reduktion der Neutrophilenzahl [4].
Bislang deuten die Interimsdaten der TIGER-Studie an, dass die Therapie mit Nilotinib in Kombination mit pegIFNα gegenüber der ebenfalls gut wirksamen Nilotinib-Monotherapie häufiger und früher zu tiefen Remissionen führt. Ob die Intensivierung der Therapie durch Addition von PEG-IFN langfristig mehr Patienten die Chance auf eine therapiefreie Remission eröffnet, kann derzeit nicht abschließend beantwortet werden. Dies wird die finale Auswertung der TIGER-Studie zeigen, die für 2021 erwartet wird.

Bestätigung durch weitere Studie

Ein ebenfalls auf dem ASH vorgestelltes Update der französischen Phase-III-Studie PETALs wies in eine ähnliche Richtung wie die TIGER-Studie. In der französischen Untersuchung bei 200 Patienten mit neu diagnostizierter CP-CML führte die Kombination von Nilotinib mit PEG-IFNα nach 12 Monaten ebenfalls häufiger zu einem tiefen molekularen Ansprechen. Bisher zeigte sich aber noch kein Unterschied bei den dauerhaften tiefen Remissionen (≥ 1 Jahr) [5].

Gutes Ansprechen auch in späteren Therapielinien

Dass mit Zweitgenerations-TKI auch nach Vorbehandlung hohe zytogenetische und molekulare Ansprechraten erreichbar sind, zeigen die beim ASH präsentierten Daten der laufenden, einarmigen, Open-Label-Phase-IV-Studie BYOND mit Bosutinib bei CML-Patienten mit Resistenz/Intoleranz gegenüber anderen TKI.
Unter der Therapie wurden hohe zytogenetische und molekulare Ansprechraten bei minimiertem Risiko für eine CML-Progression in akzelerierte Phasen und/oder eine Blastenkrise erreicht, wobei sich die Wirksamkeit in Subgruppenanalysen als weitgehend unabhängig von der Art der Vortherapie [6] und dem Ausmaß der Komorbiditäten der Patienten [7] erwies.
Eine weitere Subgruppenanalyse dieser Studie ergab zudem, dass die Behandlung die Lebensqualität der Patienten mindestens auf dem bestehenden Niveau hielt [8].
Auch ältere CML-Patienten mit Resistenz/Intoleranz gegenüber Erstlinien-TKI, überwiegend gegenüber Imatinib, profitieren von Bosutinib, wie die Daten der BEST-Studie zeigen [9]. Hier wurde Bosutinib einschleichend mit 300 mg als Startdosis verabreicht und langsam gesteigert. 65 % der Patienten erreichten in der Zweitlinie unter Bosutinib eine MMR und nach einer medianen Beobachtungszeit von 12 Monaten waren 79 % der Patienten immer noch unter Therapie und es wurden keine Progressionen dokumentiert [9].

Neuer Ansatz für Patienten in der Blastenkrise

Die Phase-I-Studie Matchpoint untersuchte bei 17 Ph+ CML-Patienten in der Blastenkrise, ob durch eine Kombination aus dem TKI Ponatinib (30 mg) zusammen mit einer konventionellen Chemotherapie (FLAG-IDA) ein hämatologisches oder zytogenetisches Ansprechen bei handhabbarer Toxizität möglich ist. Die Kombination erwies sich bei diesen schwer behandelbaren Patienten als tolerierbares Regime, unter dessen Einfluss ein 1-Jahres-Gesamtüberleben von 47 % erreicht werden konnte [10]. Neun Patienten konnten einer allogenen Stammzelltransplantation mit nachfolgender Ponatinib-Erhaltung zugeführt werden [10]. Nun sollen die ermutigenden Ergebnisse in Phase-II/III-Studien weiter evaluiert werden.